Die AfD liegt aktuell auf Bundesebene klar auf dem zweiten Platz. Bei den Sonntagsfragen zur Landtagswahl ist sie in Sachsen (35 Prozent), Thüringen und Brandenburg (jeweils 32 Prozent), und Mecklenburg-Vorpommern (29 Prozent) sogar stärkste Kraft. In Bayern und Hessen, wo am 08. Oktober 2023 die Landtage neu gewählt werden, steht sie mit 13 bzw. 17 Prozent höher in der Gunst der Wählerinnen und Wähler als bei der letzten Wahl.

Es ist ein regelrechter Hype, der um die AfD betrieben wird. Die von der Partei sonst als „Lügenpresse“ verschrienen Medien, transportieren diesen (zu) munter weiter. Die Anhängerschaft träumt berauscht von den ersten blauen Ministerpräsidenten. Erste Spekulanten bringen Alice Weidel als Kanzlerkandidatin ins Gespräch. Die Führungsriege der Partei kann vor Kraft kaum noch gehen.

Und die anderen Parteien? Schwanken zwischen Entsetzen, Lähmung und Ungläubigkeit oder praktizieren einen Eiertanz um eine angebliche „Brandmauer“. Die CDU des Friedrich Merz, welcher nie müde wird, seinen Parteifreunden mit sämtlichen Höllenqualen zu drohen, sollten sie mit der AfD paktieren, hat nun in Thüringen mit FDP und AfD eine Senkung der Grunderwerbssteuer gegen den Willen der rot-rot-grünen Landesregierung durchgedrückt.

Ausgerechnet in Thüringen, dem Landesverband Höckes, des rechtsextremen Führungskopfes des – offiziell – aufgelösten „Flügel“ der AfD. Merz schweigt. Umso lauter jubeln die AfD-Granden: „Merz´ Brandmauer ist Geschichte – und Thüringen erst der Anfang,“ freut sich Weidel. Beatrix von Storch postete „DAS IST DER WEG! Brandmauer Adé!“. Maximilian Krah meint „Die AfD setzt sich durch.“ Und für Björn Höcke war es „ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.“ – Er ist also noch nicht am Ziel.

Die AfD ist damit zum Machtfaktor geworden – weil CDU und FDP sie gelassen haben. Sie hat Einfluss auf den thüringischen Haushalt genommen – weil CDU und FDP sie gelassen haben. Sie ist damit salonfähig geworden – weil CDU und FDP sie gelassen haben. Sie hat in den Umfragen davon profitiert – weil CDU und FDP sie gelassen haben. Sie kann aus der Opposition heraus Einfluss nehmen – weil CDU und FDP sie gelassen haben.

Wozu das Ganze? Um die Grunderwerbssteuer um 1,5 Prozentpunkte zu senken. Davon profi­tieren vor allem jene, welche im großen Stil Grund erwerben. Konzerne und Spekulanten. Otto Normalkäufer hat relativ wenig davon. Vermutlich wäre eine entsprechende Förderung für diese Bevölkerungsgruppe besser gewesen – und günstiger. Aber das Kalkül der AfD ging auf. Verkürzt wird nun davon gesprochen, dass man eine Steuersenkung durchgesetzt hat, gegen den Willen von Linken, SPD und Grünen. Sie, die AfD, senken Steuern. Die Links-Grün-Woken wollen das nicht. Das ist die Botschaft an das Volk, welche von vielen bereitwillig aufgenommen wird. Und ansonsten ist man gegen alles – gegen Zuwanderung, gegen Klimaschutz, gegen einen vermeintlichen Genderwahnsinn, gegen „die da oben“. Man hetzt gegen Geflüchtete, macht Stimmung gegen Arbeitslose und gegen Minderheiten.

Hinter „AfD, AfD, AfD!“ steht für viele nur „Ich, ich, ich!“! Da wird dann übersehen, dass die Partei die abschlagsfreie Rente erst nach 45 Beitragsjahren will. Da wird übersehen, dass sie gegen eine verbesserte Kinderbetreuung ist. Da wird übersehen, dass sie mit der Abschaffung von Erbschaftssteuer und einer Entlastung für Vermögende vor allem die Besserverdienenden entlasten will. Da wird übersehen, dass sie mit der Wiedereinführung des Bankgeheimnisses Steuerflüchtlingen helfen will. Da wird übersehen, dass sie sagt, dass sie Subventionen nur noch im Einzelfall möchte, wo es wirtschaftspolitisch sinnvoll ist. Da wird übersehen, dass die AfD ansonsten Subventionen generell ablehnt.

Die Steuergeschenke für die Reichen (und Schönen?) werden Milliarden kosten. Eingespart durch Subventionsabbau. Was wird dann mit Zuschüssen für Kultur, Sport und Bildung? Was passiert dann mit der Finanzausstattung für die Kommunen? Was bedeutet das für Theater, Museen – aber auch Freibäder? Was bedeutet das für Pendlerinnen und Pendler, wenn in der Konsequenz die Preise für den ÖPNV steigen oder er eingespart werden muss? Was für die Beförderung von Schulkindern auf dem Land? Was passiert dann mit Wohnungsbauprämien? Was mit dem sozialen Wohnungsbau? Was mit den Schichtzuschlägen für Tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?  Was bleibt vom Kindergeld? Diese Liste ließe sich beliebig verlängern. Am Ende werden diejenigen die Zeche zahlen, die jetzt am lautesten „AfD, AfD, AfD!“ rufen. Aber Hauptsache, man hat es „denen da oben“ gezeigt.

Ist das alles unabwendbar?


Nein. So laut diese Rufer auch sein mögen, so sehr sie die sozialen Netzwerke zu dominieren suchen, so viel Schaum manche ihrer Hetzer vor dem Mund haben und so viel Kreide ihre Funktionäre im Gegenzug an vielen Stellen gefressen haben mögen – die AfD ist nicht die Mehrheit der Gesellschaft! Sie ist nicht das Volk! Und sie hat keine Mehrheit!

Die AfD ist nur so stark, wie die Mehrheitsgesellschaft sie werden lässt.

Kein Parlament, egal, ob auf kommunaler Ebene, ob in den Landtagen oder im Bundestag braucht die Stimmen der AfD, um ein Gesetz zu beschließen oder um etwas für die Menschen im Land verändern zu können. Hier gibt es immer eine Mehrheit der Demokratinnen und Demokraten – wenn man das Land über die Partei stellt. Wenn man bereit ist, in der Sache hart, aber im Umgang fair miteinander zu diskutieren – ohne plumpem Populismus zu verfallen.

Kein Mensch benötigt die AfD um in unserem Land sagen zu können, was er denkt – wenn er zu akzeptieren bereit ist, dass es Menschen mit anderer Meinung gibt, die ihm dann gegebenenfalls widersprechen. Kein Mensch benötigt die AfD, wenn er der Meinung ist, dass man in der Sache um die bestmöglichen Lösungen streiten kann.

Eine solche „Alternative“ benötigen Menschen, welche Menschen mit anderer Meinung jagen oder entsorgen wollen. Weil sie es zu müßig finden, sich selbst zu engagieren oder für ihre Positionen Mehrheiten zu organisieren. Menschen, die sich daran erfreuen, wenn es unserem Land schlecht geht, weil es die Wut und den Unmut in der Bevölkerung zusätzlich schürt. Diese Menschen mögen weiter „AfD, AfD, AfD“ rufen – und am Ende die Zeche zahlen.

Die Mehrheit der Gesellschaft möchte das nicht. Viele Millionen Menschen in den demokratischen Parteien, in den Kirchen, Gewerkschaften, in den Sozialverbänden, in den Hilfsorganisationen und Vereinen, in Sport und Kultur, in den Behörden, in den Fabriken und Geschäften stehen auf dem Boden unserer Demokratie. Aber genau diese Mehrheit muss nun auch bereit sein, unsere Demokratie gegen die Angriffe von Populisten und Extremisten zu verteidigen. Wir alle müssen eine „gesellschaftliche Brandmauer“ gegen diese Art von Politik schaffen!

In Bayern und Hessen haben sie am 08. Oktober dazu die Chance, indem sie zu einer hohen Wahlbeteiligung beitragen und Parteien den Rücken stärken, die nicht mit den Ängsten der Menschen spielen, mit Populismus und Hetze die Gesellschaft spalten und unser Land in eine Krise reden wollen.

AfD

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