Als ich klein war, war Süditalien, und besonders Sizilien, dafür bekannt, dass dort strenge Sitten herrschten, fast so ähnlich wie es heute noch in arabischen Ländern der Fall ist.

Ehrenmorde waren keine Seltenheit und jeder warnte davor, sich mit einem sizilianischen Mädchen einzulassen, das Brüder hatte.

Heute hat sich das sehr verändert.

Und diese mutige Frau hat dazu beigetragen.

Franca Viola.

Franca Viola war 1966 die erste italienische Frau, die eine "rehabilitierende Ehe" ("matrimonio riparatore" auf Italienisch) mit ihrem Vergewaltiger ablehnte, nachdem er sie entführt und missbraucht hatte.

Und sie lehnte diese Ehe öffentlich ab.

Viola wuchs in in einer sizilianischen Bauernfamilie auf. Im Jahr 1963, im Alter von 15 Jahren, verlobte sie sich mit Filippo Melodia, dem Neffen eines lokalen Mafia-Mitglieds, der damals 23 Jahre alt war.

Nachdem Melodia wegen Diebstahls verhaftet wurde, bestand Violas Vater darauf, dass sie die Verlobung auflöste, was sie auch tat.

Melodia reiste daraufhin nach Deutschland. Bis 1965 war Viola mit einem anderen Mann verlobt.

Melodia war zu diesem Zeitpunkt nach Alcamo zurückgekehrt und versuchte erfolglos, wieder in Teil von Violas Leben zu werden. Er stalkte sie und bedrohte sowohl ihren Vater als auch ihren Freund.

In den frühen Morgenstunden des 26. Dezember 1965 brachen Melodia und eine Gruppe von 12 bewaffneten Begleitern in das Haus der Violas ein und entführten Franca. Sie zerrten sie in ein Auto und nahmen auch Francas 8-jährigen Bruder Mariano mit.

Mariano wurde ein paar Stunden später freigelassen, aber Franca wurde 8 Tage lang im Haus von Melodias Schwester festgehalten, wo sie wiederholt vergewaltigt wurde.

Melodia sagte ihr, dass sie nun gezwungen sei, ihn zu heiraten, um nicht zu einer "entehrten" Frau zu werden. Aber Viola erwiderte, dass sie nicht die Absicht habe, ihn zu heiraten und außerdem würde sie ihn wegen Entführung und Vergewaltigung verklagen.

(Viola bei der Polizei)

Der Prozess, der bald darauf stattfand, versetzte Italien in Aufruhr.

Violas Verhalten kollidierte mit den traditionellen gesellschaftlichen Konventionen in Süditalien.

Denn danach verlor eine Frau ihre Ehre, wenn sie den Mann, an den sie ihre Jungfräulichkeit verloren hatte, nicht heiratete.

Nach dem traditionellen sozialen Kodex würde sie so zu einer "donna svergognata" werden, einer "Frau ohne Ehre" (wörtlich: eine "*schamlose Frau*").

Denn sie hatte ihre Jungfräulichkeit verloren, ohne zu heiraten.

Dieses Konzept galten erstaunlicherweise nicht nur nicht nur auf Sizilien oder in ländlichen Gegenden.

In gewisser Weise war es auch im italienischen Strafgesetzbuch der damaligen Zeit enthalten, nämlich im Artikel 544, der Vergewaltigung eher mit einem Verbrechen gegen die "öffentliche Moral" als mit einem persönlichen Vergehen gleichsetzte.

Die Idee einer "rehabilitierenden Ehe" ("matrimonio riparatore") besagte, dass ein Vergewaltiger, der sein Opfer heiratete, sein Verbrechen automatisch damit auslöschte.

(Massen von Männer, die an einer öffentlichen Debatte über das Gerichtsverfahren teilnehmen)

Der Prozess war eine Sensation in Alcamo und darüber hinaus.

Violas Familie wurde von den Menschen im Dorf bedroht und man brannte ihren Weinanbau nieder.

(Viola und Familie am Fenster)

Die Medien stellten Franca als "sanft", "schlank" und "hübsch" dar und beschäftigten sich kaum damit, was sie mit dem Prozess bezwecken wollte.

(Viola wird von der Presse abgeschirmt)

Melodia wurde schließlich für schuldig befunden und zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Sieben seiner Komplizen erhielten je vier Jahre Haft .

Der Gesetzesartikel, wonach ein Vergewaltiger sein Verbrechen durch Heirat mit seinem Opfer tilgen konnte, wurde erst 1981 abgeschafft.

Sexuelle Gewalt wurde erst 1996 zu einem Verbrechen gegen die Person - statt gegen die "öffentliche Moral".

Melodia wurde 1976 aus dem Gefängnis entlassen und wegen seiner Mafia-Verbindungen aus Sizilien verbannt. Er wurde zwei Jahre später in Modena erschossen.

(Melodia und seine Komplizen)

Franca Viola heiratete Giuseppe Ruisi im Dezember 1968. Sie hatten sich seit ihrer Kindheit gemocht.

Ruisi, ein Buchhalter, bestand darauf, dass er das Mädchen, das er immer geliebt hatte, trotz Drohungen und Gerüchten geheiratet hätte, musste aber nach Erhalt der Hochzeit einen Waffenschein beantragen, um sich und seine Frau zu schützen.

Sowohl der italienische Staatspräsident Giuseppe Saragat als auch Papst Paul VI. drückten öffentlich ihre Wertschätzung für Franca Violas Mut und ihre Solidarität mit dem Paar aus.

Viola und Ruisi bekamen später drei Kinder.

Franca Viola lebt heute noch mit ihrem Mann in Alcamo.

Ein Nachwort von Mir:

Die jungen Feministischen Frauen, die sich immer wieder gegen die Generationen vor ihnen wenden, sollten sich ein bisschen mit solchen Geschichten befassen.

Dann würden sie sehen, dass nur die Generationen vor ihnen das tolle Leben verschafft haben, dass sie jetzt leben können.

Das "privilegierte Leben".

Denn Frauen wie Franca hatten wirklich Eier.

Ganz ohne dabei mit rosa Plüsch- Muschis auf dem Kopf durch New York zu laufen.

Das hier…

könnt Ihr heute nur tun…

wegen Frauen wie Franca.

Franca heute.

Ich bin mir sicher, dass sie ihr Vergewaltigungstrauma nicht mehr in sich trägt.

Weil sie selbst bedingungslos für sich selbst eingestanden ist.


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