Der Konflikt in Israel / Palästina ist vorerst eingedämmt. Nach schweren Bombardements verständigten sich die Konfliktparteien auf einen Waffenstillstand, der am Freitag in Kraft trat. Nun werden die Verluste ausgezählt. Besonders auffällig sind diesmal die gezielten israelischen Angriffe auf die wenigen Medienhäuser im Gazastreifen.

Der Krieg zwischen palästinensischen Gruppierungen und Israel ist vorerst eingedämmt. Der Konflikt, der mit der Zwangsräumung palästinensischer Familien aus dem israelisch annektierten Ost-Jerusalem begann (mehr dazu hier), war die schwerste Eskalation seit Jahren. Palästinensische Gruppierungen verschossen Tausende Raketen auf israelische Städte. Israel flog massive Luftangriffe auf den Gazastreifen und vernichtete dort nahezu vollständig die Infrastruktur.

Die Auszählung der Opfer und der Schäden hat erst begonnen, aber schon jetzt ist es klar, dass sie absolut asymmetrisch verteilt sind. So sind in Israel nach derzeitigen Angaben zwölf Menschen in Folge der Raketenangriffe gestorben. Im Gazastreifen wurden 232 Menschen bei israelischen Bombenangriffen getötet – das Neunzehnfache. Fast 50% der Toten im Gazastreifen sind nach palästinensischen Angaben Frauen und Kinder.

Die Unterschiede in den Opferzahlen spiegeln recht gut die Feuerkraft der beiden Konfliktparteien wider. Es ist ein Kampf von David gegen Goliath…wobei im Gegensatz zur historischen Überlieferung Israel diesmal der Goliath ist.

Krieg gegen die Medien

Doch außer der asymmetrischen Opferverteilung ist bei der jüngsten Eskalation ein neuer Aspekt der israelischen Kriegsführung deutlich geworden. Die „Israelischen Verteidigungsstreitkräfte“ (IDF) führten eine gezielte Bombenkampagne gegen die Medienhäuser im Gazastreifen aus. Das Wort „Kampagne“ – also eine Aktion mit einem klar definierten Ziel, das durch geplantes und koordiniertes Handeln erreicht wird – ist keine Übertreibung, sondern beschreibt das Vorgehen der israelischen Luftwaffe haargenau.

So zerstörte die israelische Luftwaffe innerhalb von fünf Tagen in drei gezielten Luftangriffswellen drei Hochhäuser im Gazastreifen, die insgesamt 23 verschiedene Medienunternehmen beheimateten.

Darunter sind nicht nur palästinensische lokale Medienbüros, denen man gegebenenfalls noch eine Nähe zur Hamas vorwerfen könnte, um die Angriffe zu legitimieren. Nein, unter den vernichteten Medienbüros waren auch die Vertretungen von den größten internationalen Medienverlagen – darunter allen voran die AlJazeera (eines der größten Medienhäuser im Nahen Osten) sowie Associated Press (nicht weniger als die größte Nachrichtenagentur der Welt). Eine Besonderheit diesmal ist auch, dass diese gezielten Bombenangriffe bestens dokumentiert sind. Dutzende Videos zeigen die gezielte Zerstörung von zwei der drei Hochhäuser mit den Medienbüros. Ein Abwinken, die Berichte seien nur Propaganda, ist nicht möglich. Das Ziel dieser Angriffe dürfte ebenfalls für Jedermann auf dem Silbertablett liegen – die Zerstörung der Medien im Gazastreifen, damit Journalisten aus dem Konfliktgebiet nicht berichten können.

Die Vernichtung von internationalen Medienbüros ist ein Skandal und könnte ein Kriegsverbrechen darstellen. Die Empörung in der internationalen Medienwelt (allerdings nicht unter deutschen Mainstreammedien) war gewaltig. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ rief den Internationalen Strafgerichtshof auf, die israelischen Bombardements zu untersuchen, und erklärte, „gezielte Angriffe auf Medien sind Kriegsverbrechen“.

In einem anderen Statement verwiesen die „Reporter ohne Grenzen“ darauf, dass Israel auch den Zugang zum Gazastreifen für Journalisten blockierte. Solch eine Behinderung der freien Berichtserstattung sei nicht akzeptabel, erklärte die Organisation und forderte die sofortige Öffnung des Zugangs.

Die täglichen Menschenrechtsverletzungen

Die Angriffe auf die Medien in solch einem Ausmaß sind neu, die Menschenrechts- und Kriegsverbrechen, die Israel im Gazastreifen und quer durch das gesamte Palästina begeht, sind es nicht. Immer wieder rufen internationale Menschenrechtsorganisationen dazu auf, auf diese Verbrechen aufmerksam zu werden und sie zu untersuchen.

Amnesty International betonte, dass die israelischen Luftangriffe auf Wohngebiete Kriegsverbrechen seien und untersucht werden müssten.

Human Rights Watch verwies wieder auf die „institutionelle Diskriminierung“ der Palästinenser durch israelische Behörden und sprach von „Verbrechen der Apartheid und Verfolgung“, die Tel-Aviv gegenüber Palästinensern tagtäglich begeht. Ein aussagekräftiges Video der Organisation fasst deutlich zusammen, wie Israel aus Palästinensern längst Bürger zweiter Klasse gemacht hat.

Beeindrucken lässt sich die israelische Regierung davon nicht…auch weil die meisten europäischen und die US-Regierung offen ihre Augen auf diese Verbrechen verschließen.

Das Totschlagargument des Antisemitismus

Dass die Bundesregierung sowie andere Staatsregierungen der EU die israelischen Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen ignorieren und tabuisieren, ist ein mindestens genau so großer Skandal wie die Verbrechen selbst. Die Stille, mit der die deutsche politische Elite und die Mainstreammedien die Verbrechen unter den Teppich kehren, ist ohrenbetäubend.

Werden diese Verbrechen von Einzelnen doch thematisiert, so wird DAS Totschlagargument herausgeholt – das des Antisemitismus. Jeder, der die israelische Regierung kritisiert, wird pauschal in die Ecke der Antisemiten gestellt. Das ist nicht nur falsch, sondern brandgefährlich. Kritik an der israelischen Regierung hat nichts mit Antisemitismus zu tun. Antisemitismus ist Hass gegenüber Juden. Die Kritik an der israelischen Regierung ist die berechtigte und die absolut notwendige Kritik gegenüber einer Regierung, die längst jedes Maß und jedes Gefühl für Menschenrechte verloren hat. Wer das eine mit dem anderen gleichsetzt, verschließt nicht nur seine Augen vor den Verbrechen, die dort vor aller Weltöffentlichkeit passieren, sondern fördert solche Verbrechen auch in der Zukunft.

Denn eine Regierung (sei es eine israelische oder sonst welche), die systematisch solche Verbrechen begeht und dabei nur mit einem zustimmenden Schweigen seitens des kollektiven Westens konfrontiert wird, wird praktisch dazu gedrängt, auch in der Zukunft genau so weiter zu verfahren.

In anderen Worten: Wer die Menschenrechts- und Kriegsverbrechen der israelischen Regierung totschweigt bzw. tabuisiert, macht sich an diesen Verbrechen heute und auch in der Zukunft mitschuldig.

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