Die deutsche Migrationspolitik wird ja zunehmend von der AfD dominiert, obwohl die Blaubraunen gar nicht mit an der Regierung sind. Im Bemühen, es deren pöbelnder Wählerschaft und den entsprechenden Presseorganen wie BILD, WELT und Focus irgendwie recht zu machen, wird dabei ein komplett bescheuerter Kurs gefahren, der an der Realität vollkommen vorbeigeht …
… und der vor allem auch reichlich menschenverachtend ist. Dazu muss man sich ja nur anschauen, dass im Mittelmeer aufgrund der Abschottung der EU (die auch Deutschland befürwortet) nach wie vor sehr viele Menschen sterben. Und dass mittlerweile in Länder abgeschoben wird, die keinesfalls als sichere Herkunftsländer gelten können, so wie beispielsweise Afghanistan.
Aber Hauptsache, man kann verkünden, dass mehr abgeschoben wird. Wobei das die Rechten ohnehin nicht zufriedenstellt und diese nach wie vor jedes Verbrechen, dass von einem Nichtdeutschen begangen wird, lauthals weiterverbreiten und deswegen permanent den Untergang des Abendlandes postulieren. Was dann auch dazu führt, dass Menschen irrationale Ängste entwickeln vor Kriminalität, die mit der Realität wiederum nichts zu tun haben, wie in einer Folge von Die Anstalt (ZDF) kürzlich treffend dargestellt wurde.
Und so wird mittlerweile auch für Geflüchtete der widerwärtige Begriff „illegale Migration“ verwendet, um diesen Menschen dann gleich mal das Stigma anzuheften, dass das ja alles nicht rechtens sein kann, was sie hierher nach Europa treibt.
Auf der anderen Seite wirbt man Arbeitskräfte in anderen Ländern ab, beispielsweise in Kenia (s. hier) – am liebsten werde da Menschen hergeholt, die bereits gut ausgebildet sind und die hier dann gern für schmales Geld Tätigkeiten ausüben, die von Einheimischen nicht mehr in ausreichendem Maße erledigt werden. Das führt in den Ländern, aus denen abgeworben wird, dann zu einem ziemlichen Braindrain, denn es ist ja nicht so, dass dort keine Fachkräfte gebraucht würden (s. hier – mit Fokus auf den Bereich Pflege). Und das führt dann wieder dazu, dass sich die Lebensbedingungen für die Menschen in den Regionen, aus denen abgeworben wird, nicht gerade verbessern – was dann wiederum dazu führt, dass Menschen sich auf die Flucht nach Europa machen.
Wenn sie es denn hierher schaffen und nicht entweder im Mittelmeer ertrinken oder schon vorher von nordafrikanischen Despoten umgebracht wurden, die dafür EU-Gelder bekommen (s. ebenfalls in einer Folge Die Anstalt ab etwa Minute 37), werden sie dann sogleich wieder als „illegal“ diffamiert. Was eine ziemlich zynische Schweinerei ist, wenn man bedenkt, dass für die allermeisten Fluchtursachen unser Lebensstil (und das nicht nur über Abwerbung von Fachkräften) verantwortlich ist.
Dass diese egoistische eurozentristische und in Teilen auch nationalchauvinistische Sichtweise mittlerweile nicht nur bei Rechten und Rechtsextremen sehr verbreitet ist, hat gerade Robert Habeck, noch Vizekanzler und Kanzlerkandidat der Grünen, deutlich gemacht, indem er doch tatsächlich vorschlug, dass geflüchtete Syrer nur dann hier in Deutschland bleiben sollten, wenn sie denn auch einer Arbeit nachgingen (s. hier). Woran es denn liegen könnte, wenn solche Geflüchteten keiner Arbeit nachgehen, das scheint jemanden wie Habeck nicht zu interessieren. Gab es vielleicht keine hinreichenden Integrationsangebote wie Sprachkurse? Oder steht der Aufnahme einer Arbeit vielleicht eine bei Menschen, die aus einem Kriegsgebiet geflohen sind, nicht ganz unwahrscheinliche traumatische Erkrankung im Wege?
Alles wurscht, wie es scheint, denn es ist Wahlkampf, und da will sich ein Habeck wohl lieber an die immer offensichtlicher nach rechtsaußen abdriftende CDU ankuscheln, damit ein leider wahrscheinlicher Bundeskanzler Merz doch vielleicht mit den Grünen koaliert und nicht mit der AfD – und Habeck hätte dann wieder einen schicken Posten als Vizekanzler.
Und dafür wird dann auch gern das Framing bedient, das vor allem bei Rechtsaußen gut verfängt: Geflüchtete sollen hier gefälligst nützlich sein, ansonsten: schnell wieder abschieben. Daran ändert auch nicht viel, dass Habeck davon sprach, dass es dann in Syrien wieder sicher sein sollte. Denn erstens ist man dort davon wohl noch sehr weit entfernt, und zweitens hat man ja in der jüngeren Vergangenheit gesehen, wie Schindluder damit getrieben wurde, Staaten als sicher für von dort Geflüchtete zu deklarieren. Vor Assad geflohen und dann zu Islamisten zurückgeschickt, die nicht mal Habecks Parteikollegin und Außenministerin Annalena Baerbock die Hand schütteln, weil sie eine Frau ist – tolle Aussicht!
Nun bekommt man solche Entwicklungen auch im Ausland mit, und da landen wir dann bei der groben Idiotie des Ganzen: Diejenigen, die aufgrund von Krieg, Klimakrise, Landgrabbing, sogenannten Freihandelsabkommen oder anderen Gründen, die ihnen die Lebensgrundlage entziehen, unter Lebensgefahr nach Europa oder Deutschland flüchten, werden sich davon nicht abbringen lassen, nur weil man ihnen zu verstehen gibt: Ihr seid hier nicht willkommen. Wer sein Leben riskiert, der hat auch nicht so richtig Angst vor rechten Sprüchen aus deutscher Politik und Medienlandschaft.
Wer allerdings eher davon abgeschreckt werden dürfte, sind diejenigen, die ja wiederum ganz gern hier gesehen werden: nämlich die gut ausgebildeten Fachkräfte. Die werden sich dann vielleicht überlegen, ob sie wirklich in einem Land leben wollen, in dem sie ständiger Anfeindung und Unsicherheit ausgesetzt sind. Will ich mir meine Existenz irgendwo aufbauen, wo diese dann wieder komplett eingerissen werden kann, sollte ich beispielsweise meinen Arbeitsplatz verlieren? Klingt jetzt nicht gerade sehr verlockend, oder?
Dieses politische Handeln ist also nicht nur reichlich menschenverachtend und bedient die Narrative der Rechtsextremen, sondern es ist auch noch absolut nicht stringent, wenn nicht gar kontraproduktiv aus Sicht derer, die gern Fachkräfte aus anderen Ländern abwerben wollen. Dass das niemandem auffällt, erscheint mir nun nicht sehr wahrscheinlich, sodass eigentlich nur eine Möglichkeit zur Erklärung dieses politischen Dilettantismus bleibt: Es geht gar nicht um tragfähige langfristige Lösungen, sondern einfach nur darum, Stimmung zu machen, Menschenrechte weiter schleifen zu können und eventuell ein paar kurzfristige Erfolge vorzuweisen.
Ich glaube nicht, dass man mit derartige politischer Armseligkeit wieder mehr Menschen für die Demokratie begeistern kann. Aber vielleicht ist ja auch das gar nicht gewollt …
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