„Worte sind die Kleider unserer Gedanken“, hat ein kluger Mensch einmal gesagt. Der Sprachstil zeigt also an, in welchem geistigen Haus jemand tatsächlich wohnt. Insofern entlarvt gerade die Managersprache das wahre Mindset sofort. Und ja, leider: Vielerorts wird Hoch- und Niederstatus noch immer fleißig gepflegt.
So machen Führungskräfte ihre Bedeutung gern daran fest, wie viele Mitarbeiter bei ihnen „aufgehängt“ sind. „Ich steuere xx Mitarbeiter“, sagen sie gern, oder „xx Mitarbeiter berichten an mich.“ Change-Projekte werden topdown auf die „unteren Ebenen“ „ausgerollt“. Mitarbeitende müssen „ins Boot geholt“ werden, damit sie in die vorgegebene Richtung rudern. Steht Neues an, werden die „niederen Chargen“ „mitgenommen“, also am Händchen gepackt. Ziele und Vorgaben werden „heruntergebrochen“. Jedes noch so kleine Vorhaben muss „abgesegnet“ und jeder Handgriff „reportet“ werden. Leute, denkt doch mal nach:
• Von „aufgehängten" Mitarbeitern bekommt man nichts. Die sind nämlich tot.
• Wird über Leute was „ausgerollt“, sind die platt, also bewegungsunfähig.
• Wer „mitgenommen“ wird, geht nicht voran, sondern läuft passiv hinterher.
• Der, auf den etwas "heruntergebrochen" wird, fühlt sich ziemlich beschmutzt.
• Etwas „absegnen“ lassen müssen heißt: Unterwerfung vor einer höheren Macht.
Nur so dahingesagt? Wir konstruieren unsere Welt durch Sprache. Worte prägen nicht nur Denkweisen, sondern auch Verhalten. Zudem multipliziert sich der Tenor solch herablassender Rede und verbreitet ein Klima der Angst. Wie praktisch, wenn alle kuschen? Vor einer Masse verängstigter Menschen sollte man sich regelrecht fürchten. Sie rennen davon, erstarren in Zögerlichkeit – oder gehen auf die Barrikaden.
Sprache enttarnt Denkmuster und Verhalten
C-Levels erinnern an einen militärischen Hintergrund und suggerieren Macht, Befehl und Gehorsam. Denn Chief Officer heißt Chef-Offizier, und ein Offizier braucht Soldaten. HR steht für Human Resources, labelt damit sich selbst als Rohstoffquelle - und die Beschäftigten als Humankapital. Vielerorts werden die Mitarbeiter:innen noch immer als „Untergebene“ tituliert. Ein wahres Unwort, denn wer will schon gern „unten“ und „ergeben“ sein? Bei einem Caterer nannten die Führungskräfte ihre Aushilfen „Söldner“ – und wunderten sich über deren Mangel an Engagement.
„So etwas Idiotisches habe ich schon lange nicht mehr gehört! Bin ich denn hier von lauter Deppen umgeben“, tobt der Chef im Abteilungsmeeting. So sehen die Reaktionen schwacher Chefs aus, die Andere erniedrigen und fertigmachen müssen, damit ihre eigene Kleinheit nicht so auffällig ist. Wer als „Vorgesetzter“ (auch so ein Unwort, das weggehört) seine Mitarbeiter kleinmacht, wird von ihnen keine großen Jobs bekommen.
Ich habe in einem Unternehmen gearbeitet, da wurden unliebsame Mitarbeiter „zum Abschuss freigegeben“. Ein Abteilungsleiter berichtete mir, dass sein Chef die versammelten Führungskräfte im Meeting schon mal gern als „augenlose Würmer“ bezeichnet. Bei Ihnen geht es ähnlich hemdsärmelig zu? Da sind die Sitten rau, die Späße derbe? Wie die Menschen drinnen im Unternehmen miteinander umgehen, genauso werden sie es auch draußen mit den Kunden tun.
Der Kunde als Psycho und technischer Störfall?
Nomen est omen. In einer Hauptverwaltung wird hauptsächlich verwaltet. Wer im Backoffice, also im Hinterzimmer arbeiten muss, bleibt hintendran. Sachbearbeiter kümmern sich um Sachen – statt den Menschen hinter der Bestellnummer, dem Aktenzeichen oder der „reklamierenden Rechnung“ zu sehen. Im Kundendienst sind Kunden ein „technischer Störfall“. Anderswo nennt man sie geradewegs „Psychos“.
Bei Behörden heißen wir Antragsteller. Im Krankenhaus operiert man „Bäuche“. Für die Bahn sind wir ein „Beförderungsfall“, für Versicherungen ein „Langlebensrisiko“ und für Energieanbieter ein „Messpunkt“. Bei Airlines nennt man uns PAXE, das hört sich fast wie Stückgut an. Im Hotel ist der Gast eine Nummer: „Zimmer 13 hat sich beschwert“. Urnenöffnung sagen Servicekräfte im Ausflugslokal, wenn ein Bus mit älteren Herrschaften kommt. Und das sind nur einige Beispiele von vielen.
Ob es den Mitarbeitern möglich ist, das Positive in einer Kundenbeziehung zu sehen, hat maßgeblich mit dem Sprachstil zu tun, der im Unternehmen gepflegt wird. Macht das Management immerzu den schwachen Markt, die böse Konkurrenz oder die miese Performance anderer Abteilungen für Misserfolge verantwortlich, wird das schnell zur dominierenden Haltung. Und hört ein Mitarbeitender ständig Negativ-Geschichten über „schwierige“ Kunden, Nörgler und Querulanten, wird dies seine eigene Einstellung färben. Derart entwickelt sich schließlich ein „Feindbild Kunde“.
So verbessern Sie den Kommunikationsstil
Ein mitarbeiter- und kundenfreundliches Klima schaffen heißt insbesondere auch, auf den unternehmensüblichen Kommunikationsstil zu achten. Bei Ihnen hat sich Negatives eingeschlichen? Dann betreiben Sie Sprachinventur und misten kräftig aus. Ungünstige Worte werden durch eine günstige Wortwahl ersetzt. Aus Verlierersprache wird Gewinnersprache gemacht.
Zum Beispiel kann man Missgeschicke auch so benennen: Lapsus, Patzer, Irrtum, Kinderkrankheit, Ersterfahrung, Schwachstelle, Trugschluss, Übersehen. Solche Formulierungen schützen vor dem Gefühl des Versagens und machen Fehler verzeihlich. Wem etwas schiefgeht, der braucht keinen Anpfiff, sondern Trost und Ermunterung. Meist ist man ja erst auf dem Weg zur Könnerschaft. Verschiedenes muss ausprobiert werden, das gehört zum Lernen dazu. Man muss üben, um zu brillieren.
Ein Bäcker beschloss, seine Kunden nun Gäste und seine Verkäufer:innen fortan Gastgeber:innen zu nennen. Wie durch ein Wunder hat sich das Betriebsklima völlig verändert. Alle gingen freundlicher, fürsorglicher und wertschätzender miteinander um. Die Kunden standen Schlage und ihre Auspreisbereitschaft war plötzlich hoch. Wem es gut geht, dem sitzt das Geld eben locker. Viele weitere Beispiele, Formulierungen und Impulse dazu finden Sie in meinem neuen Buch: Bahn frei für Übermorgengestalter