Zu diesem Thema habe ich ja vor einigen Jahren schon mal einen Artikel geschrieben und darin aufgezeigt, wie das Angebot sich seine Nachfrage schafft, obwohl ja doch immer wieder das genaue Gegenteil behauptet wird. Aber es passt ja auch nur zu gut zur neoliberalen Ideologie, immer dem Nachfrager, also dem individuellen Endverbraucher, die Verantwortung zuzuschustern, denn dann sind Politik und Wirtschaft ja fein raus und aus der Schusslinie. Und gerade in letzter Zeit erlebe ich immer wieder in Diskussionen, dass behauptet wird, die Konsumenten hätten ja die Macht, durch ihr Verhalten Missstände zu ändern. Leider ist das nicht der Fall.
Wie wenig Einfluss jeder Einzelne nämlich hat, durch seinen Konsum Fehler im System zu ändern, haben Thilo Bode und Kathrin Hartmann schon ausführlich dargelegt. Doch gerade jetzt bei der öffentlichen Diskussion um die unhaltbaren Zustände für Mensch und Tier in den Fleischfabriken von Clemens Tönnies wird immer wieder behauptet, dass ja eben eine so große Nachfrage nach Billigfleisch bestünde und dies nicht mehr produziert würde, wenn alle das nicht mehr kaufen würden.
Mal abgesehen davon, dass eine Argumentation, die auf „wenn alle“ fußt schon zum Scheitern verurteilt ist, da in einer großen und heterogenen Gesellschaft niemals alle unter einen Hut zu bekommen sind, so zeigt die Realität doch auf, dass es genau andersrum läuft: Immer mehr Menschen in Deutschland ernähren sich in den letzten Jahren vegetarisch oder vegan, immer mehr achten darauf, dass sie nichts aus Massentierhaltung, sondern Fleisch mit Biosiegel einkaufen – und dennoch steigt die Fleischproduktion in Deutschlands kontinuierlich. Dann wird eben mehr exportiert – ein globalisiertes Handelssystem ermöglicht es den Produzenten, schon irgendwo Abnehmer für ihren Kram zu finden.
Zudem sollte man sich mal fragen, wieso denn Hunderte von Milliarden Euro jedes Jahr weltweit für Werbung, PR und Marketing ausgegeben werden. Das machen die Firmen ja nicht, weil sie zu viel Geld rumliegen haben, sondern weil sie dadurch Nachfrage für ihre Produkte generieren. Wenn dann noch hinzukommt, dass Werbung mittlerweile nahezu omnipräsent ist und viele junge Menschen schon gar nicht mehr in der Lage sind, zwischen werblichen und journalistischen Inhalten zu unterscheiden, dann wird es schwierig, dem Einzelnen die alleinige Verantwortung für sein Konsumverhalten aufs Auge zu drücken. Viele Menschen haben der massiven Beeinflussung der PR-Experten eben recht wenig entgegenzusetzen.
Gerade am letzten Wochenende habe ich nun etwas erlebt, was sehr bezeichnend dafür ist, wie sehr das Angebot dominiert und sich dabei wenig bis gar nicht um die Nachfrage schert.
In unserem Wochenendhaus fehlte ein Netzteil für den Apple-Laptop meiner Frau, da das, was dort normalerweise platziert ist, aus Versehen von einem Besucher eingepackt wurde, der es für sein eigenes hielt. Nun musste ich an dem Wochenende noch einiges am Rechner machen, wofür dann die Akkuladung nicht ausgereicht hätte.
Eine liebe Nachbarin hat auch einen Apple-Laptop und lieh uns ihr Netzteil dafür – nur passte das nicht, da ihr Gerät ein bisschen neuer ist.
Gleiches Gerät, gleicher Hersteller, nicht gleiches Netzteil – tolle Wurst!
Und da fragte ich mich dann, ob nicht viele Menschen (ich vermute mal, so um die 99 Prozent) zustimmen würden, dass es eine gute Sache wäre, wenn Netzteile einfach genormte Anschlüsse hätten. Also herstellerübergreifend für gleiche Produktkategorien (Laptops, Tablets, Telefone usw.) immer auch gleiche Netzteile. Sollte man seines mal vergessen haben – kein Problem, irgendjemand wird schon eines dabeihaben. Und wenn mal ein Netzteil kaputtgeht oder verloren wird – auch kein Problem, denn dann muss man nicht das vom Originalanbieter für 80 Euro (oder mehr) kaufen, sondern kann ein günstigeres nehmen (das vermutlich in der gleichen Fabrik in China zusammengeklöppelt wurde).
Ich möchte mal behaupten, dass eine Nachfrage nach genormten Netzteilen in hohem Maße besteht – spätestens dann, wenn man selbst man in der Situation war, nur nicht passende Netzteile für ein Gerät zur Hand zu haben.
Würde nun die Nachfrage das Angebot bestimmen, dann wäre so eine Normierung schon lange Standard, und die Hersteller, die sich davon ausnehmen würden, müssten mit reichlich Wettbewerbsnachteilen rechnen.
Doch nach wie vor stellt jeder Hersteller andere Netzteile her, die nicht mit anderen (und teilweise nicht mal mit den eigenen Geräten, sobald die etwas älter sind) kompatibel sind. Klar, ist zwar verbraucherunfreundlich, aber man kann damit ja schön Geld verdienen … Und so werden Geräte mit generell kompatiblen Netzteilen einfach nicht angeboten, sodass der Nachfrager sie nicht erwerben kann. Tja, da hat sich’s dann schon mit der immer wieder beschworenen „Macht der Konsumenten“ und dem „Abstimmen mit dem Kassenzettel“.
Wer also nach wie vor behauptet, die Nachfrage würde das Angebot bestimmen, spielt genau das Spiel der Angebotsseite mit, die dieses Märchen am Leben hält, um sich so jeder eigenen Verantwortung zu entledigen.
Dir gefällt, was Karl Haas schreibt?
Dann unterstütze Karl Haas jetzt direkt: