"Ich blättere durch Möbelkataloge und frage mich, welches Geschirr mich als Person definieren könnte." (Tyler Durden in 'Fight Club')

Solange ich nicht betroffen bin bzw. mein engstes Umfeld, oder sich inhuman betätigt wird, gehen die persönlichen Gewohnheiten meiner Mitmenschen mich nichts an und interessieren mich auch nicht weiter. Es ist mir wumpe, was Menschen essen, lesen, was sie streamen, wie oft und mit wem genau sie sich auf welche Weise sexuell betätigen etc. Sie mögen mit ihren diesbezüglichen Entscheidungen glücklich werden oder eben nicht, ich habe da keinem was zu verbieten oder vorzuschreiben. Sich über so was das Maul zu zerreißen ("Geht ja gaaar nicht!"), ist was für Klatschtanten, in deren Leben absolut nichts (mehr) los ist, und für unreife Menschen.

Und auch Mode ist mir weitgehend egal. Langweilt mich. Zumal gegen eine Dummheit, die gerade in Mode ist, eh keine Klugheit der Welt aufkommt, wie schon Fontane wusste. Wieso da diskutieren? Erst recht egal ist mir, wie sie ihre Häuser und  Wohnungen einrichten. Mir muss das nicht gefallen und ich muss auch nicht drin wohnen.

Das heißt aber nicht, dass man gewisse Dinge nicht als kulturelle Phänomene interessant finden und entsprechend analysieren kann. Wohnungseinrichtungen etwa. Hier um die Ecke wurde kürzlich ein neuer Mietwohnblock in zeitgemäßer Knastoptik fertiggestellt und die ersten Wohneinheiten sind gerade dabei, bezogen zu werden. Weil es draußen früh dunkel ist und an den erleuchteten Fenstern meist noch keine Vorhänge oder anderer Sichtschutz angebracht ist, kann man zuweilen den einen oder anderen Blick ins Innere riskieren.

Und da stellte sich mir schon die Frage: Wann hat das eigentlich angefangen, dass Wohnungen vornehmlich junger Leute - oberhalb einer gewissen finanziellen Mindestfallhöhe, versteht sich - irgendwie alle gleich eingerichtet sind und aussehen wie Arztpraxen? Graues Laminat, graue Sofalandschaft und vor allem: niemals etwas anderes als weiße Schränke und Kommoden. Dazu ein Esstisch, der aussieht, als hätte Conan der Barbar ihn direkt aus dem Wald angeschleppt und mit ein paar harten  Schlägen seines Beidhänders grob zurecht behauen. Ist das neuerdings Vorschrift, so zu wohnen?

Moden hat es auch beim Einrichten immer gegeben, das ist nichts Neues. Wer erinnert sich nicht an den hiesigen Hang zu massiven Möbeln in Eiche brutal? Oder als eine komplette Generation u30 plötzlich geschlossen Ikea-Regale daheim stehen hatte. Aber bin das nur ich, der findet, in letzter Zeit habe da ein gewisser Einheitslook um sich gegriffen? Letztens suchte ich vier Stühle für den Esstisch, da die alten aus Studententagen aus dem Leim waren und endgültig marode. Und in allen aufgesuchten Geschäften betrug die Dichte dieser aktuell wohl schwer angesagten Polsterschalensessel mit Spinnenbeinen, die ich aber nicht will, weil man die Polster nicht in die Waschmaschine kriegt, nahezu 100 Prozent. Existiert irgendwo eine höhere Instanz, die jegliche Abweichung von dieser Norm mit Blitzeinschlägen auf dem Klo ahndet?

Eine Erklärung habe ich nicht, aber einen Verdacht. Weil ich ticke wie eingangs beschrieben, interessiert es mich jenseits eventuellen kulturellen Interesses auch nicht, was konsumgeile Jungmenschen vom Shoppen nach Hause schleppen. Und wenn die das unbedingt filmen und ins Netz stellen wollen, um sich dafür anstaunen zu lassen, dann ist auch das deren Cervisia. So kann es nicht verwundern, dass auch meine Erfahrungen mit Influencern ausgesprochen spärlich sind.

Sie heißen Bibi oder Diana,  Hanni und Nanni und was weiß ich und laden ihre Fans zu sich nach Hause ein. Und wie sieht es da aus? Richtig. Graues Laminat, graue Sofalandschaft und vor allem: niemals etwas anderes als weiße Schränke und Kommoden. Früher sah es bei gewissen Leuten angeblich aus wie bei Hempels unterm Sofa, heute wissen wir immerhin, wie es bei Influenzers  im Spielzimmer aussieht und was das für Folgen hat. Und alle so: "Jaaa, wir sind alle Individuen!"

Ha! Ich glaube, ich bin da etwas ganz großem auf der Spur.


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