… heißt, siegen zu lernen. Denn so unsympathisch der ungarische Despot auch ist und so sehr er die Demokratie in seinem Land ramponiert, um seine Macht zu sichern und sich selbst (und seine Getreuen) zu bereichern, so muss man ihm doch bescheinigen, extrem erfolgreich in dem zu sein, was er da so verzapft. Leider.
Jetzt las ich gerade einen Artikel von Edmond Jäger in den Blättern für deutsche und internationale Politik zum Thema Ungarn, und darin fand ich eine Passage besonders bemerkenswert:
Das linksliberale und das populistische Lager waren zwischen 1990 und 2010 etwa gleich stark. Das änderte sich schlagartig, als 2010 die Mitte-links-Regierung sang- und klanglos unterging und Orbáns Fidesz im Bund mit der KDNP eine Zweidrittelmehrheit erringen konnte. Zugleich zog mit Jobbik eine geradezu neofaschistisch anmutende Partei erstmals ins Parlament ein. […] Damit hatten Fidesz und KDNP zwar das Monopol über die rechten Wähler verloren, doch langfristig profitierten sie von der vermeintlichen Konkurrenz durch die Rechtsextremen. Denn Jobbik band zum einen Arbeiter an sich, die einst für die Sozialisten gestimmt hatten, und half zum anderen der Fidesz dabei, den gesamten politischen Diskurs nach rechts zu verschieben. Überdies war ein Wahlsieg der Opposition nun unwahrscheinlich geworden, denn dafür hätten die Mitte-links-Parteien mit Jobbik koalieren müssen, und das schien seinerzeit undenkbar.
Und obwohl man nun natürlich die ungarische politische Situation und die dortige Parteienlandschaft nicht eins zu eins mit Deutschland vergleichen kann, ergeben sich hieraus doch einige interessante Parallelen zur hiesigen Entwicklung der letzten Jahre.
Denn auch in Deutschland fing eine rechtsextreme Partei, nämlich die AfD, vor einigen Jahren an, zunächst in die Landesparlamente und dann sogar in den Bundestag einzuziehen. Und die Auswirkungen davon haben dann durchaus Ähnlichkeiten mit denen in Ungarn.
Da wären zum ersten die vielen Wähler, die vor einigen Jahren noch die Linkspartei gewählt haben und die nun zur AfD gewechselt sind – besonders zu beobachten in den fünf „neuen“ Bundesländern, in denen die Linke vor Jahren noch deutlich stärker war, als es die AfD noch nicht gab. Und damit wird natürlich auch die Wahrscheinlichkeit von Mehrheiten links der CDU deutlich kleiner. Diese Phänomen habe ich bereits vor mehr als fünf Jahren in einem Artikel beschrieben. Und es hat sich seitdem leider sehr bestätigt.
Was auch in dem Artikel zur Sprache kommt: die Themenverschiebung nach rechts. Entgegen dem Mythos von der Sozialdemokratisierung der CDU ist die Partei in den letzten Jahren bzw. unter der Führung von Angela Merkel inhaltlich stetig weiter nach rechts gerückt, was ihr politisches Handeln, aber auch die Art und Weise der Artikulation betrifft. Auf diesen Umstand habe ich bereits vor gut drei Jahren in einem Artikel hingewiesen – und das ist seitdem nicht besser geworden: Die Energiewende wurde ausgebremst, das Asylrecht massiv verschärft, die Überwachung der Bürger wurde ausgebaut, die Polizei zunehmend militarisiert und mit teils polizeistaatlichen Befugnissen ausgestattet, Klimaschutz findet quasi nicht mehr statt (außer in Sonntagsreden), Korruption wird ganz offensichtlich und in der Regel folgenlos praktiziert, die Waffenexporte eilen von einem Rekordhoch zum nächsten, der Rüstungsetat steigt und steigt, genauso wie die Ungleichheit mit immer obszöneren Riesenvermögen und immer mehr Armen, die Mieten und Strompreise bringen viele Menschen in Existenznot – das ist alles andere als das, was man gemeinhin unter sozialdemokratischer Politik versteht.
Aber im Vergleich zur AfD und deren zum Teil offen rechtsextremer Rumpelrhetorik wirkt das dann alles doch noch einigermaßen moderat, sodass heute als „Mitte“ gilt, was vor einigen Jahren noch klar im rechten Spektrum verortet wurde.
Wenn man also sieht, dass wenige Jahre, nachdem sich in Ungarn mit Jobbik für Victor Orbán eine wunderbare Möglichkeit ergeben hat, die eigene Macht zu sichern und gleichzeitig seine Politik immer weiter zu radikalisieren, auch in Deutschland die AfD auf dem politischen Tableau auftaucht, dann mag ich da gar nicht so recht nur an Zufall glauben. Zumal die AfD ja nun auch vor allem von ehemaligen CDUlern und FDPlern gegründet wurde. Wie sehr die AfD nicht Ursache, sondern Symptom eines von der sogenannten Mitte ausgehenden Rechtsrucks ist, habe ich ebenfalls schon vor längerer Zeit, nämlich im Dezember 2016, in einem Artikel beschrieben.
Und wer nun meint, dass Orbán doch noch ein anderes antidemokratisches Kaliber sei als die CDU, der sollte sich vor Augen halten, dass dessen Fidesz im EU-Parlament bis vor Kurzem, nämlich bis März dieses Jahres, noch zur selben Fraktion wie die CDU/CSU gehörte: der EVP (s. hier). Zudem war Orbán ja auch ein durchaus gern gesehener Gast bei der CSU, und da wird man sich bestimmt auch mal politikstrategisch ausgetauscht haben mit diesem guten „Freund“, wie Horst Seehofer ihn bezeichnet hat (s. hier – oder etwas humoristischer hier).
Zumindest kann ich mir bei diesen so offensichtlichen Parallelen nicht vorstellen, dass das alles nur zufällig so zustande gekommen ist. Und das würde dann mal wieder zeigen, wie sehr die CDU/CSU sich mittlerweile aus dem Reigen der demokratischen Parteien verabschiedet hat, wenn man sich einen Despoten wie Victor Orbán als strategisches Vorbild nimmt.
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