Ist Corona doch nur eine normale Grippe?

Nach der Aktion #allesdichtmachen häufen sich die Stimmen, dass Corona nur eine normale Grippe sei und Menschen ja schließlich auch an anderen Ursachen sterben. Insbesondere, Dietrich Brüggemann, einer der Regisseure der Fernsehreihe Tatort, hat sich in dieser Richtung geäussert. Wollen wir dies doch zum Anlass nehmen und uns die Zahlen ansehen. Jedoch haben Sie keine Angst vor Zahlen! In dieser Betrachtung werden wir maximal einen Dreisatz benutzen.

Menschen sterben, auch durch Corona. Photo by davide ragusa on Unsplash

In Deutschland sind bisher ca. 82.000 Menschen an oder mit Corona gestorben. Über den Verlauf von einem Jahr scheint dies in der gleichen Größenordnung wie andere Todesursachen zu liegen. So sterben in Deutschland ca 3.000 Menschen pro Jahr im Verkehr. Durch Alkohol und Rauchen verlieren jedes Jahr ca. 74.000 Menschen das Leben. Krebs tötet jedes Jahr 240.000 Menschen in Deutschland. Ist Corona also nur eine weitere Ursache, die zu den ca. 1 Mio Toten pro Jahr in Deutschland beitragen?

Die Zahl der Maximalen Corona-Toten ohne Lockdown und Impfung liegt zwischen 465.000 und 8.320.000, je nach Modellannahme. Bild von Andreas Maier unter CC 4.0 BY Lizenz

Dieser Argumentation könnte man folgen, wenn man vergisst, dass die 82.000 Toten trotz fast einem Jahr Lockdown zu beklagen sind. Die Maßnahmen haben zum Beispiel zu einem Verschwinden der normalen Grippe geführt. Das wesentliche Problem der Corona-Erkrankung ist, dass im Gegensatz zu einer normalen Grippe niemand eine Grundimmunisierung hat. Damit sind ca. 80 Mio Menschen gleich von dieser neuen Erkrankung betroffen. Die Sterberaten, die über Corona berichtet werden liegen zwischen 0,97% (Türkei) und 10,4% (Mexiko). Nimmt man eine Immunisierung bei 60% “Durchseuchung” an, so endet man für Deutschland mit einer Zahl von 465.000 Toten im “Best-Case”, also ohne Überlastung der Krankenhäuser und der niedrigsten beobachteten Sterberate, wie in der Türkei. Mit der Lethalitätsrate von Mexiko und einer “Durchseuchung” von 100%, wären bei uns ca. 8,3 Mio Menschenleben zu beklagen.

Die Dauer der Impfkampagne hat einen wensetlichen Einfluß auf die noch zu erwartenden Corona-Toten, bei einem gleichbleibenden Infektionsgeschehen. Bild von Andreas Maier unter CC 4.0 BY Lizenz

Also sind lediglich 82.000 Tote eigentlich ein beachtenswerter Erfolg der bisherigen Maßnahmen. Allerdings sind wir natürlich noch nicht am Ende der Pandemie. Ein wesentlicher Faktor wird der Erfolg der Impfkampagne sein. Bisher sind schon mehr als 22,8% unserer Bevölkerung zumindest mit einer von zwei Impfungen versorgt. Nimmt man eine Todesrate von ca. 250/Tag für den aktuellen Zeitpunkt an und rechnet, dass diese bis zum Ende der Pandemie mit Fortschritt der Impfkampagne linear sinkt, so würde ein Ende der Pandemie in 120 Tagen (also Ende August) die Zahl der Toten auf ca. 100.000 Tote steigen lassen. Optimistische Stimmen halten ein Ende sogar bis End Juli für möglich. Dauert die Kampagne aber noch 600 Tage (also fast zwei Jahre), würden die Todeszahlen noch bis auf 160.000 Tote ansteigen. Es hätte also eine Verdoppelung der Todeszahlen zur Folge.

Natürlich sind diese Zahlen nur richtig, wenn wir keine wesentliche potentiell exponentielle Steigerung der Infektionszahlen und ebenfalls keine wesentliche Reduktion der Infektionszahlen erreichen. Im “No COVID” Szenario, kann man auch bei 2 Jahren Dauer unter 100.000 Toten bleiben. Allerdings würde das auch noch weitere 2 Jahre wiederkehrende Lockdowns bedeuten. Würde man aber heute ohne weitere Maßnahmen einfach “Alles Öffen”, ist mit einer Überlastung des Gesundheitswesen zu rechnen, da ca. 80% noch keine Impfung bekommen haben. Personen ohne Impfung, sind zwar deutlich jünger, aber vermutlich wäre dann immer noch für ca. 62 Mio Menschen das Szenario “Türkei” relevant.

Wir beobachten also, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist und wir eigentlich auf keinem so schlechten Weg sind. Allerdings kann man natürlich noch vieles besser machen. Beispielsweise hat es Südkorea, in dem immerhin ca. 51 Mio Menschen leben, geschafft bis heute bei einer Zahl von nur ca. 1800 Toten zu bleiben. Dort wurde sehr früh mit einer bereiten Testung begonnen und eine effektive App eingeführt, die wahrscheinlich nicht den Europäischen Datenschutzstandards entsprechen würde. Würden wir die Todesraten von Südkorea auf Deutschland hochrechnen, wären hier nur ca. 2.900 Tote zu beklagen. Natürlich sind die beiden Länder nur schlecht vergleichbar. Jedoch sollten wir uns überlegen, ob man aus deren Verhalten lernen kann. Die Impfkampagne gehört übrigens nicht dazu, da hier Südkorea weit hinter Deutschland zurück liegt. Dort sind nur 0,2% der Bevölkerung geimpft.

Um noch besser durch die restliche Pandemie zu kommen, halte ich die folgenden Schritte für wesentlich:

  • Verstärkung der Impfkampagne
  • Training von Verwaltungsmitarbeitern, die in Verhandlungen mit der Privatwirtschaft gehen, insbesondere im Bezug auf Lieferfristen, flexible Preisgestaltung und Auswirkungen eines Scheitern von wichtigen Verhandlungen
  • Digitalisierung der Gesundheitsämter, die beispielsweise ein Tracking von auch mehr als 50 Personen pro 100.000 Einwohner ermöglicht
  • Eine massive Ausweitung der Teststrategie und die Einführung von Pooltests, um Testkosten zu senken
  • Digitalisierung der Schulen, um die starke soziale Benachteiligung der Kinder zu verringern
  • Investitionen in den Bau von Eigenheimen und ausreichend Wohnraum, um beengte Wohnverhältnisse zu reduzieren
  • Bessere Bedingungen für Massenunterkünfte und Pflegeheime
  • Bessere Entlohnung von Kranken- und Pflegepersonal
  • Unterstützung von Digitalisierung in Kunst und Kultur

Die Reihenfolge dieser Punkte entspricht keiner Priorisierung. Alle genannten Punkte würden zu einer Verbesserung der Situation beitragen. Dieser Text ist unter CC 4.0 BY Lizenz veröffentlicht und darf frei verbeitet und reproduziert werden. Dieser Text erschien zuerst auf LiKE dem Blog der FDP Erlangen.

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