Der mit Abstand größte Faktor, der in der Diskussion beharrlich ignoriert wird, hat mit der Tiefenstruktur des deutschen Schulsystems zu tun und ist auch der größte Grund, warum die soziale Ungleichheit ein so beharrlicher und im internationalen Vergleich übermäßig großer Faktor im Schulerfolg bleibt: egal ob Gymnasium, Realschule oder Werkrealschule (vor allem aber im Gymnasium), die implizite Annahme des gesamten Systems ist, dass eine qualifizierte nebenberufliche Nachhilfekraft zuhause zur Verfügung steht. Das ist üblicherweise die Mutter, die in Deutschland als vollzeit erwerbstätiges und/oder akademisch nicht vorgebildetes Wesen immer noch nicht anerkannt ist.
Dieses Problem kann in seiner Bedeutung gar nicht unterschätzt werden. Wenn die Elternteile nicht die entsprechende Vorbildung mitbringen, sei es, weil sie selbst keine höhere Bildung genossen haben ("bildungsfern"), sei es, weil ihnen die Sprachkenntnisse fehlen (migrantischer Hintergrund) oder eine Kombination dieser Faktoren, starten die Kinder bereits mit einem eklatanten Nachteil in ihre Schulkarriere. Thorsten Haupts hat das sehr plakativ auf den Punkt gebracht: "Kinder aus Buldungshaushalten beginnen die Grundschule mit einem Wortschatz von 5.000, Kinder aus entgegengesetzten Haushalten mit einem Wortschatz von 1.500 Worten. Game over, bevor es begonnen hat – das Kernproblem der deutschen Bildungsmisere liegt im Kindergartenalter." Das ist seit mittlerweile deutlich über zwei Jahrzehnten allgemein bekannt - und noch immer ungelöst. Aber das ist nur der Start.
Denn die Schere der Ungleichheit auf diesem Gebiet öffnet sich noch viel weiter, je höher die Kinder im Schulsystem aufrücken. Wo die Grundschule noch alle Kinder beieinander und mittlerweile üblicherweise wenigstens angebotenen Ganztag hat und deswegen wenigstens einen kleinen Beitrag zur Einebnung der Unterschiede leistet (wenngleich auch sie massiv versagt, die entsprechenden Bevölkerungsgruppen zu erreichen und die betroffenen Kinder zu fördern), ignorieren die weiterführenden Schulen die Thematik komplett. Es ist "sink or swim" angesagt. Die Kinder schaffen es entweder aus eigener Kraft, die Defizite des Elternhauses zu überwinden und zu Bildungsaufsteigenden zu werden oder eben nicht. Allzu oft ist die Antwort "oder eben nicht".
Das Lernen in der Schule ist, und hier kommen die Stofffülle und die veralteten Methoden und Strukturen ins Spiel, darauf angelegt, dass die Kinder nachmittags große Teile der Lernarbeit eigenständig erledigen, und "eigenständig" heißt hier: unter Hilfe der Eltern. Es gibt natürlich Kinder, die selbstständig, diszipliniert und gleichzeitig kognitiv in der Lage sind, das alles selbst zu stemmen. Von den meisten Kindern und Teenagern ist das aber zu viel verlangt. Deswegen sind sie Kinder und Teenager. Die Schule ignoriert allzu oft zugunsten des Abarbeitens von "Stoff" die Methodik, in der irrigen Annahme, dies werde schon irgendwie durch Osmose nebenbei erlernt beziehungsweise zuhause aufgearbeitet.
Mein Sohn etwa bekommt immer wieder Aufgaben wie das Erstellen einer Powerpoint-Präsentation, deren Grundfertigkeiten in der Schule nie erlernt wurden. Wer setzt sich wohl stundenlang hin und macht das mit ihm? Und er hat noch das "Glück", dass er zwei Elternteile hat, die nahe am Schulsystem dran und akademisch gebildet sind und deswegen die entsprechenden Fertigkeiten mitbringen, von der entsprechenden Ausstattung ganz zu schweigen. Wie soll es aber Kindern ergehen, deren Eltern nicht wissen, wie man Powerpoint-Präsentationen erstellt (und hält)? Das ist nur ein Beispiel von vielen. Beständig werden umfangreiche Hausaufgaben und längere Projekte mit nach Hause gegeben, die viele Kinder nur machen, wenn die Eltern es nachhalten, Nachmittag für Nachmittag, Stunde für Stunde.
Und das erfordert neben den entsprechenden Sprach- und Bildungsfertigkeiten vor allem eines: Zeit. Da aber immer mehr Frauen vollzeiterwerbstätig sind und zudem die Anforderungen an die Kinder immer mehr steigen (dazu gleich mehr), fallen entsprechend auch mehr Kinder durchs Raster. Ich spreche hier aus eigener, leidvoller Erfahrung und will an der Stelle kurz anekdotisch persönlich werden: aktuell (2023) ist mein Sohn in der sechsten Klasse. Da meine Frau und ich beide voll berufstätig sind bedeutet das, dass er seit er zehn ist (in der 5. Klasse) nachmittags weitgehend alleine zuhause ist (Ganztagsbetreuung mit sinnvollem Programm gibt es nur an der Grundschule). Dort macht er alles, aber nicht eigenständig Hausaufgaben und lernen. Und die Aufmerksamkeit eines Kindes in diesem Alter ist ab 17 Uhr, wenn wir dann nach Hause kommen, Abendessen machen etc., nicht besonders ausgeprägt. Oft könnten wir gegen 18.30 Uhr mit ihm hinsitzen und diese Dinge machen - wer Kinder in dem Alter kennt weiß, wie zielführend das noch ist. Ich habe die weiterführende Schule aus Elternsicht bisher als eine ungemein frustrierende Erfahrung wahrgenommen, und meinem Kind geht es oft nicht besser.
Das führt dann auch zu den von Thorsten genannten Kitas, in denen bereits die Bildungsnachteile nicht aufgeholt werden können. Die frühkindliche Bildung ist ein ebenfalls unterschätzter Problembereich, weil noch immer die Vorstellung vorherrschaft, dass Kitas hauptsächlich der Aufbewahrung von Kindern zu dienen haben. Ohne Kindergartenpflicht und entsprechend breit und verbindlich angelegte Angebote kann aber die Arbeit in diesem Bereich trotz aller Verbesserungen der letzten zwei Jahrzehnte nur Stückwerk bleiben, die häufig genau diejenigen nicht erreicht, die am meisten davon profitieren würden.
Ein weiteres ungelöstes und viel zu wenig thematisiertes Problem sind die Geschlechterrollen und ihr Einfluss auf den Schulerfolg, konkret: die Benachteiligung von Jungen im Schulsystem. In den letzten 40 Jahren hat sich ein vormaliger Trend komplett gedreht. Waren früher Mädchen in der Sekundarstufe II benachteiligt und unter Abiturient*innen unterrepräsentiert, so ist das mittlerweile um 180 Grad gedreht. Im Jahr 2019 lag der Anteil der Mädchen mit Abitur schließlich um ganze 10 Prozentpunkte höher als der Abiturientenanteil der Jungen (28,8 zu 38,2 Prozent) (Quelle). Das ist ein gigantischer Unterschied, und man darf mit Fug und Recht annehmen, dass der Aufschrei wesentlich größer wäre, wenn das andersherum liefe.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Ich würde vier herauspicken. Grund Nummer 1 ist biologisch: die Pubertät beginnt bei Jungen später, weswegen sie in der entscheidenden Periode der Mittelstufe, in der die Grundlagen für den Erfolg in der Sekundarstufe II gelegt werden (oder eben nicht) weniger aufmerksam und leistungsfähig sind als Mädchen. Grund Nummer 2 sind die zugeschriebenen Geschlechterrollen; für Jungen ist es oftmals weniger sozial erstrebenswert, innerhalb des Schulsystems erfolgreich zu sein, und wird sozial belohnt, gegen das System zu rebellieren. Grund Nummer 3 ist schlicht der Abbau von Benachteiligungen für Mädchen, der es diesen erlaubt hat, im Schulsystem wesentlich stärker zu reüssieren, als dies unter dem alten System der Fall war. Das führt direkt zu Grund Nummer 4, dass die Struktur des Schulsystems mit der Betonung von Fleiß und Anpassung den gesellschaftlich zugeschriebenen Frauenrollen eher entgegenkommt und daher auch Mädchen bevorteilt. Hier wäre wesentlich mehr pädagogische Differenzierungs- und entsprechende Konzeptionsarbeit zu leisten. Mir fehlen allerdings die Fachkenntnisse um sagen zu können wie das konkret aussehen müsste.
Zuletzt hat der Kommentator Kning die Frage gestellt, welche Rolle die Inklusion spielt. Darunter wird eine seit rund einem Jahrzehnt gefahrene Philosophie verstanden, die für gehandicapte Kinder - also solche mit physischen oder psychischen Behinderungen - vom früheren Konzept der Sonderschulpädagogik weg hin zu einer Inklusion in den Regelunterricht vorsieht. Das stellt die Schulen vor enorme Herausforderungen, einmal schon alleine baulich - Rollstuhlfahrende etwa haben häufig keine Möglichkeit, die Räumlichkeiten zu erreichen - als auch vom Konzept her. Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich keine Ahnung habe, wie sich das niederschlägt. Auf der einen Seite ist die Herausforderung natürlich eine Belastung für die Beteiligten, andererseits werden Leuten, die früher aufs Abstellgleis gestellt wurden, Chancen der Teilhabe geboten. Ich gehe aber davon aus, dass der Effekt insgesamt verhältnismäßig klein ist. Wenn sich hier jemand auskennt, bin ich gerne auf mehr Einordnung gespannt.
Aber ich habe auch gute Nachrichten versprochen. Denn tatsächlich ist die aktuelle Misere gar nicht so groß, wie es angesichts der bisherigen Auflistung den Anschein hat. Zwar bin ich emphatisch der Überzeugung, dass das System grundsätzlich krankt und zahlreiche Baustellen hat; allerdings rechtfertigt dies die Grundsatzkritik à la "das deutsche Schulsystem ist generell schlecht" oder "unsere Kinder lernen nichts mehr", wie man das gelegentlich vernimmt, nicht. Die Bereiche, aus denen diese Kritik kommt, stellen zudem die Prämissen des Systems selbst - gegliedertes Schulsystem, an Klausuren orientierte Prüfungskultur, auf Stoffvermittlung konzentrierte Bildungspläne - nicht nur nicht in Frage, sondern sehen eher in der Abkehr von diesen Konzeptionen das eigentliche Problem. Dieser Grundsatzstreit kann an dieser Stelle nicht aufgelöst werden und ist auch eine philosophische Debatte darüber, was Schule grundsätzlich eigentlich tun und leisten soll; ich will daher für die weitere Betrachtung in den Prämissen des Systems bleiben und die Grundsatzkritik - hin zu einer viel offeneren Schule auf eher progressiver Seite, die Rückkehr zu einem klarer gegliederten und "disziplinierteren" System von eher konservativer Seite - außer Acht lassen, schon allein, weil ich mich keiner dieser Strömungen zugehörig fühle.
Ich glaube, dass die Kritik am Bildungssystem zu Teilen auch eine Folge des eigenen Erfolgs ist. Wie auch auf dem Feld der Integration von Migrant*innen führen wir - das Integrationsparadox lässt grüßen (siehe hier) - viele dieser Debatten vor allem, weil die Probleme überhaupt erst sichtbar wurden und nun als solche begriffen werden, anstatt als "so ist die Welt nunmal" abgeheftet zu werden.
Der wohl größte und viel zu wenig thematisierte Erfolg deutscher Bildungspolitik des letzten halben Jahrhunderts (der dazu absurderweise oft auch noch als Manko kritisiert wird) ist die der Bildungsexpansion der 1960er und 1970er Jahre folgende Anstieg der Abiturient*innen. Man vergegenwätige sich einmal folgende Zahlen: in den Geburtenjahrgängen 1945-1950 erreichten noch 48,3% den Hauptschul- und nur 19,6% den Gymnasialabschluss als höchste Bildungsweihe. Die Geburtsjahrgänge 1970-1975 hatten nur noch 23,6% Hauptschul- und bereits 34,8% Gymnasialabschluss. In meiner eigene Kohorte sind diese Zahlen auf 19,9% und 44,3% gesprungen, ein Wert, der seither im Großen und Ganzen gehalten wurde. Und das trotz der seither massiv gestiegenen Zuwanderung, die vor den 1990er Jahren in diesem Ausmaß ja kein Thema war!
Das bedeutet auch, dass die soziale Ungleichheit, die nach wie vor ein riesiges Problem darstellt, in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch abgebaut wurde. Riesige Bevölkerungsgruppen, die früher nicht einmal davon träumen konnten, das Gymnasium zu besuchen, haben inzwischen regulär Zugang zum Abitur und produzieren Akademiker*innen der ersten Generation. Dazu hat auch beigetragen, dass das ridigde dreigliedrige Schulsystem eine deutliche Aufweichung erfahren hat. Wechsel zwischen den Schularten sind wesentlich einfacher möglich, als das noch zu meiner Zeit der Fall war, und es gibt viel mehr Möglichkeiten, höhere Bildungsabschlüsse nachzuholen. Dadurch hat sich die durchschnittliche Verweildauer im Schulsystem ebenso erhöht wie die Zahl der höheren Bildungsabschlüsse. Dass eine solche Zunahme zu einer größeren Diversität in der Schule führt und damit den Durchschnitt senkt, ist eigentlich selbstverständlich. Zumindest zu einem Teil sind die Probleme daher auch eine Fehlwahrnehmung: dass wir sie überhaupt haben ist der eigentliche Erfolg.
Ich habe zudem bereits mehrfach anklingen lassen, dass die Anforderungen der Schule sich geändert haben, und zwar häufig in Richtung von mehr Anspruch. Letztlich leidet das ganze System unter einer Überforderung. Es wurden beständig neue Lernziele - Methoden, Kompetenzen, Produktformen, etc. - eingeführt, neue Fächer geschaffen, Formate komplexer gemacht, aber auf der anderen Seite nie der Stoff in dem Ausmaß gekürzt, das notwendig wäre. Entsprechend befinden sich die offiziellen Lernziele in einem beständigen Widerstreit mit dem "heimlichen Lehrplan", also dem, worauf im Unterricht der eigentliche Fokus gelegt wird. Und das - hier muss ich mich auch an die eigene Nase fassen - ist immer noch viel zu oft das Abarbeiten von Stoff, in der irrigen Annahme, dass nur, weil etwas besprochen wurde, es schon auch gelernt worden sei.
Um das Ganze etwas deutlicher zu machen: in Vorbereitung der Artikelserie fragte ich einen bekannten Mathelehrer (bekannt im Sinne von mir bekannt), was seine Meinung zu den Gründen der Misere sei. Er antwortete wie aus der Pistole geschossen, dass die Kinder heute einfach viel mehr Dinge lernten, als wir das zu unserer Zeit noch in der Schule hatten, und nannte als Beispiele das Präsentieren. Zu unserer Schulzeit (also in den 1990er Jahren) wurde das Vorbereiten und Halten von Präsentationen noch praktisch nicht gelernt. Inzwischen spielt das eine immer größere Rolle (auch zu Recht im Übrigen!) und konkurriert um die Zeit und Aufmerksamkeit von Schüler*innen und Lehrkräften. Das wird viel zu wenig bedacht.
Dieser gesteigerte Anspruch ist Teil der didaktischen Revolution, die in den 1970er Jahren unter dem Stichwort "Kommunikative Wende" ihren Anfang nahm. Vereinfacht ging es dabei darum, dass Kommunikation im Klassenzimmer nicht bilateral im Frage-Antwort-Spiel zwischen Lehrkraft und Schüler*in stattfindet, sondern erstens in beide Richtungen und zum anderen auch horizontal mit den Mitschüler*innen (zum Lerngegenstand, nicht den üblichen Privatgesprächen) läuft. Auch auf diesem Feld wurden deutliche Fortschritte erzielt, die einerseits durch Rechtschreibtests kaum abgebildet werden können und andererseits einen klaren Bildungsgewinn darstellen. Auch wenn Kritiker*innen es beharrlich verleugnen, so hat doch ein unheurer Bildungsgewinn an Kompetenzen, Methodenkenntnis etc. stattgefunden, der aber in dieser Debatte gerne unter den Tisch gekehrt wird.
Auch fachlich ist der Anspruch entgegen der allgemeinen Vorurteile gestiegen. Ich kann an dieser Stelle kompetent nur für meine eigenen Fächer sprechen, aber das Deutsch- und Geschichteabitur in Baden-Württemberg sind heute WESENTLICH anspruchsvoller, als sie dies zu meiner eigenen Schulzeit waren und im Jahr 2023 immer noch DEUTLICH anspruchsvoller als zum Beginn meiner Karriere 2013. Um dies nur an einem Beispiel zu verdeutlichen: die Pflichtlektürenaufgabe in Deutsch wurde seit 2013 in zwei Reformen der Abituraufgaben erschwert, explizit mit diesem Ziel (also schwerer zu werden), weil man das Auswendiglernen der Lektürehilfen vermeiden wollte. Dazu wurde zuerst der so genannte Außentext eingeführt, auf den sich ein Vergleich zu beziehen hatte, und nun neuerdings die Literarische Erörterung, die in einem Ausmaß anspruchsvoll ist, das mir als Student das Wasser in die Augen getrieben hätte. Auch in Geschichte sieht die Lage nicht anders aus.
All das widerspricht sich übrigens nicht mit der oft beklagten "Noteninflation", die glaube ich keine Schimäre ist. Nur: ich halte das für kein ernsthaftes Problem. Möglicherweise sind die Noten im Schnitt etwas besser geworden, aber das ändert insgesamt wenig. Sie sind kaum aussagekräftig, so oder so, und sowohl Universitäten als auch Arbeitgebende wären gut beraten, zumindest flankierend andere Evaluierungsmaßnahmen zu nutzen. Solange aber die Gesellschaft darauf besteht, alles mit numerischen Werten zu versehen - und dieses Bestehen haben wir offenkundig - müssen die Schulen dem nachkommen.
Zuletzt scheint es sich mir auch um ein typisches Diagnoseproblem zu handeln. Nehmen wir als ein Beispiel die Epidemie an LRS-Diagnosen (Lese-Rechtschreibschwäche). Haben mehr Kinder als vorher LRS, oder sind wir inzwischen einfach nur wesentlich stärker dafür sensibilisiert? Kinder mit LRS wurden vermutlich früher einfach nur aussortiert und durch das viel rigidere dreigliedrige Schulsystem einfach in die "unteren" Schulen gebracht. Heute gibt es eine riesige Förderungsmaschinerie. An jeder Schule gibt es mindestens eine*n LRS-Beauftragte'n, es gibt Förderunterricht, Nachteilsausgleich etc. Da wir mittlerweile viel mehr Kindern eine viel größere Bandbreite von Fähigkeiten vermitteln und dies besser nachhalten, fallen Defizite auch stärker auf. Auch hier kann ich gerne anekdotische Evidenz aus dem eigenen Familienumfeld beitragen: ein Verwandter von mir scheiterte in der Schule, vor allem wegen seiner ADHS-Erkrankung. Diese wurde damals erst jahrelang nicht diagnostiziert, dann mit Medikamenten behandelt, die zu einer regelrechten Betäubung des Geistes beitrugen. Wenig überraschend scheiterte das Kind am Gymnasium; die Lehrkräfte damals erklärten lapidar, das Kind "gehöre eben nicht auf das Gymnasium". Heute würde man dieses Kind fördern und es durchbringen. Würde es ein gutes Abi schreiben? Nein. Aber es hätte eine gute Chance, es zu schaffen. Das ist ein Erfolg, kein Makel, auch wenn es den Durchschnitt ruiniert.
An dieser Stelle möchte ich zum Abschluss kommen. Ich hoffe, dass meine Darstellungen interessant waren. Sie sind mit Sicherheit nicht der Weisheit letzter Schluss, sondern versuchten einigermaßen strukturiert darzustellen, wo meine eigene Analyse in diesen Tagen ist. Das mag sich ändern; ich lerne konstant dazu, und meine Ansichten sind entsprechend beständig im Fluss. Ich bin von daher gespannt, welchen Input, welche Erfahrungsberichte, welche Kritik, aber auch welche Zustimmung von eurer Seite kommt.
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