Magdeburg 08.09.2021
Mein Urlaub ist zwar schon einige Tage her, doch eines lässt mich immer wieder mit Schaudern zurück und das ist das KLO. Es ist nicht nur dieses eine, welches meine Geduld und Ekelempfinden massiv strapazierte. Doch was war los und was macht man im Rollstuhl, wenn das Wasserklosett voll mit Kot ist? Ich will erst mal zum Anfang der Geschichte springen: Es war Sonntag, der fünfte September und meine Freundin hat an diesem Tag Geburtstag. Wir waren über das Wochenende in einem Hotel in Halle eingecheckt und machten die Gegend etwas unsicher. ;) Am Sonntag wollten meine Freundin und ich es uns einfach mal ein wenig gut gehen lassen. Sachsen-Anhalt ist meine Heimat, auch wenn dieses Land mir oft genug ein Bein stellte. Jedenfalls war Magdeburg festeingeplant und so gab es von mir eine ganz private Stadtführung. Die Elbe, der Dom, der Landtag, das Hundertwasserhaus und vieles andere stand auf dem Programm.
Nur irgendwann machte sich mein Darm bemerkbar und wir fingen an eine Toilette zu suchen und das ist mit dem Rollstuhl nicht immer so einfach. Normalerweise versuche ich in Magdeburg stets die WCs in den Arkaden zu erreichen, doch an einem Sonntag ist es leider nicht möglich. Nun dachte ich an den Hauptbahnhof, hier war ich bislang nicht auf dem To ...
Doch was soll schiefgehen? Aktuell wird zwar der gesamte Bahnhof umgebaut und wirkt noch weniger einladend, als er es so schon tat. Das Scheißhaus ist hier nicht mehr von der Deutschen Bahn selbst. Der Betreiber ist die Firma Sanifair. Mit dem Unternehmen hatte ich schon früher Berührungspunkte, doch noch nie so negativ. Die Ausschilderung ist aktuell nicht ganz glücklich, aber das Problem lag woanders. Sonntags macht wohl niemand sauber und dies zeigte sich leider auch. Meistens können die Toiletten für Rollstuhlfahrer und Co nur mit einem Euro-Schlüssel geöffnet werden, doch in den vergangen Jahren werden diese WC-Anlagen immer mehr zu Mehrfunktionsklos. In diesem Fall ist nicht bloß die Wickelstation dort untergebracht, sondern auch die Nachttoilette und das ist ein Problem! Für den Eintritt muss man entweder diesen besagten Schlüssel haben oder ein Euro zahlen. Ich habe aktuell noch keinen Euro-Schlüssel und entlohnte so für das dreckigste Örtchen der Welt. Leider werden diese Art von Lokus nicht automatisch gereinigt, was bei den exklusiven Kabinen etwas anders ist.
Bilder habe ich nicht gemacht und seid mir dessen lieber dankbar. Eine kurze (wenn bisweilen ekelige) Beschreibung sollt ihr Leser erhalten: Die Haltestangen waren mit Exkrementen beschmiert und auch das Klosett selbst war rundherum damit dekoriert. Um es mal sozusagen: Ein wahrer Expressionist der Scheiße-Verschmier-Kunst muss hier zugange gewesen sein, sogar die Wände waren teilweise in einen gewissen braunen Ton gehalten. Was eine widerliche Kunst. Natürlich war auch die Seife und das Desinfektionsmittel leer. Wenigstens entschied sich mein Magen-Darm-Trakt zu einem Streit und befreite mich so mit von der Not eine Losung abgeben zu müssen.
Es ist bei weiten nicht der erste Thron, welchen ich genauso vorfinden musste und es ist auch kein Wunder. Sonntags sollte man als Rollstuhlfahrer wohl generell nicht müssen oder am besten nie. Egal ob es in der Bahn, bei Bahnhöfen oder bei öffentlichen Donnerbalken ist: Sobald diese Lokalitäten für alle freizugänglich sind, werden diese von gewissen Gruppen versaut. Das muss nicht immer ein großes Arschloch gewesen sein, nein manch eine Windel lag schon dort oder auch benutzte Kondome. Es ist einfach nicht mehr lustig. Während die "Beschieter" jedes Örtchen mit der Kackakunst verunstalten können, kann ich nur diese spezielle Tö verwenden und diese sind nicht sehr häufig gesät.
Aus meiner Erfahrung: Wenn ein Orkus auch für die Windeln da ist, dauert es nicht lange bis gewisse Kreise den Topf mit einer Müllhalde verwechseln und man im Rollstuhl schlechte Karten hat. Besonders schmackhaft ist die Situation in Regionalzügen, dort ist immer ein Klöchen für alle Leute vorhanden. Während im gesamten Zug einige Donnerbalken zur Verfügung stehen, sind für Menschen wie mich maximal eines vorgesehen. Solange der Abort regelmäßig, also mehrfach am Tage, gereinigt werden würde, wäre eine gemeinsame Nutzung völlig in Ordnung.
Am Ende haben jedes Mal WIR das Nachsehen. Behinderte Menschen werden immer wieder in ihrer Freiheit eingeschränkt, weil man uns oft aussperrt und am häufigsten trifft dies auf das stille Örtchen zu. Manche Geschäfte und Restaurants kann man zwar betreten oder wenigstens draußen speisen, doch bei der Latrine wurde man öfter vergessen oder ignoriert. Wir scheinen für diese Gesellschaft nicht wichtig zu sein, wie ein Blauwal lässt man uns auf dem Trockenen. Seit über einem Jahrzehnt gilt die UN-Behindertenrechtskonvention, doch rein praktisch hat das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen nichts geändert. Wir sind oft nicht mitgedacht, denn wir stören die Mehrheitsgesellschaft. Man sieht bei uns ganz genau die Mängel des Staates und der Gesellschaft. Der Ausschluss findet häufig statt und scheinbar stört es kaum jemanden. Sind wir die sonderbaren Geschöpfe, welche nicht mal ein sauberes Abort verdient haben? Was haben wir euch getan? Eines ist für mich schon lange klar: Die Bahn hasst Menschen im Rollstuhl und das nicht nur beim gewissen Örtchen. Der Zugang zu Dienstleistungen, Geschäften, Praxen, Behörden und so vielem mehr ist exklusiv. Rein exklusiv für die "normalen" Menschen. Wir die scheinbar Abnormalen haben es nicht verdient, haben kein einklagbares Recht ... Diese Gesellschaft schließt Menschen aus, weil sie nicht in das exklusive System passen, dabei wäre die Inklusion möglich und es fängt mit einem sauberen Pott an.
Die Leute sollen reisen und nicht scheißen!
Herbert Wehner, Zwischenruf während einer Debatte im Bundestag um Toiletten in Zügen und auf Bahnhöfen
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