Ein Auto fuhr vor, Türen knallten und die Stimme des Wirts, der gleich darauf eintrat, erklang. In den Armen hielt er einen großen Karton voller Lebensmittel, die er ächzend auf der Theke abstellte und einen Gruß Richtung Küche rief.

"Guten Morgen!", grüßte er Gregor und kam zu seinem Tisch. Als er die Schlüssel und den Briefumschlag bemerkte, zog er die Augenbrauen nach oben.

"Die hat mir ihr Sohn gebracht."

Der Wirt nickte, strich sich nachdenklich mit der Linken über den Nacken und schob den Umschlag zu sich. "Von Chaleb", er berührte den klobigen Schlüssel. "Seine Hütte im Berg.

Chaleb hieß er also, der Alte.  Als hätte er seine Gedanken gelesen, sagte der Wirt in diesem Augenblick "Chaleb", setzte einen imaginären Hut auf und ging ein paar Schritte an einem imaginären Stock. "Gregor".

Gregor nickte freundlich und erhob sich. Mit aller Macht stürmten wieder die Fragen auf  ihn ein während er langsam die Stiege nach oben in sein Zimmer nahm.  Die Ungeheuerlichkeit der letzten Wochen seiner Wanderschaft wurden ihm bewusst, als wäre er gerade durch die Oberfläche eines Sees gestoßen. Die Flucht aus der fremden Wohnung, das Blut, das absolute Nichtwissen, wo und wer er war oder was er getan hatte.

Um dann hier, mitten im Nirgendwo, an einem Ort, an dem er nie zuvor gewesen war – aber was sagte das schon bei seinen Gedächtnis? – kam ein alter Mann daher, sagte ihm seinen Namen und überließ ihm seine Hütte in den Bergen. Wie kam der Alte dazu, ihm zu vertrauen, ihm, der möglicherweise ein Mörder war? Woher wusste der Alte seinen Namen? Mit geweiteten Augen fragte sich Gregor zum ersten Mal, was dieser Alte sonst noch wusste.  Sollte er ihn suchen und ihn fragen?

Umzukehren und zurückzugehen war keine Option. Grauen erfasste ihn bei der Erinnerung an die fremde Wohnung. Wahrscheinlich wurde er gesucht. Ihm blieb nur die Flucht nach vorn und er erkannte in diesem Augenblick, dass dieser Alte ihm eine Möglichkeit dazu gab. Warum auch immer. Als habe er auf ihn gewartet. Er würde sie annehmen und am nächsten Morgen aufbrechen.  Er atmete durch.

write and run    Stefanie D. Seiler  stefanie_d._seiler