Es war bei einer Wanderung, die er mit Mikal unternahm. Auch, wenn sie gemeinsam unterwegs waren, wechselten sie kaum ein Wort, liefen oftmals mit großem Abstand hintereinander her. Der Jäger verschwand im Unterholz, um ein paar Minuten später wieder aufzutauchen.
Er stieg gerade über einen umgestürzten Baumstamm, als er glaubte, den metallisch-süßlichen Geruch von Blut zu riechen. Er schüttelte den Kopf. Dann folgte ein Bild dem anderen.
Er fühlte, wie er über seine Nase strich und anschließend seine blutige Hand betrachtete, die nicht zu ihm gehören zu schien. Erinnerte sich daran, dass er, bevor er sich traute in sein Gesicht zu sehen, den Aufkleber in der rechten unteren Spiegelecke betrachtete: Ein Comicbus: Rot-weiß, ein Doppeldecker, London. Daran, dass er erschrak, als er den Blick hob. Sein rechtes Auge war blutunterlaufen, das, was eigentlich weiß war, schimmerte hellrot. Eine verdünnte Blutträne floss wie auf Kommando seine Wange herunter und versickerte im dunklen Bartschatten.
Die nächste Einstellung war das Zimmer mit dem Tisch. Ein Bulldozer von einem Mann mit kurzgeschorenen Haaren stand hinter einer blonden Frau gebeugt. Auf ihrem rosa Negligé prangten große dunkle Blutflecken. Sie schluchzte, ihre Schulterblätter bewegten sich zart. Ihr blondes, lockiges Haar war blutgesträhnt. Ihr Gesicht hinter ihren Händen mit rotlackierten Fingernägeln.
Noch hatte der Typ ihn nicht bemerkt. Er sprach mit erstaunlich sanfter Stimme zu der zusammengekrümmten Frau, als hätte er sie nicht so zugerichtet. Hatte er überhaupt? Oder war er, Gregor, es gewesen? Er hob die Hände und betrachtete sie.
Mikal stand vorne an einer Weggabelung und sah in seine Richtung.
Mit einer schnellen Bewegung richtete der Bulldozertyp eine Knarre auf ihn. Er konnte die fließende Bewegung, wie in slow-motion noch einmal sehen, als würde er ein Band zurückspulen. Dann sah er zwei Augenpaare auf sich gerichtet. Jetzt konnte er das Gesicht der Frau erkennen. Es waren ihre Lippen, blutig und aufgeworfen, die er in seinen Träumen all die Zeit gesehen hatte.
Wie er in diese Wohnung gekommen war und warum, das war ihm nach wie vor nicht klar. Aber er wusste, dass die Frau zuvor ein enges, glänzendes Kleid getragen hatte. So eines wie seine Tanzpartnerin in der 9. Klasse. Er erinnerte sich an Alkohol und Zigaretten, an einen überquellenden Aschenbecher und eine leere Flasche mit handgeschriebenem Etikett. An einen anderen Mann, an stelle seines Gesichts ein schwarzer Balken, wie bei einem Film. An den Ausgang eines Lokals, dessen Wände mit dunklem Holz getäfelt waren. An ein rot-weiß-kariertes Geschirrtuch in den dicken, fleischigen Händen eines Wirts.
Der Bulldozertyp bellte mit harter Stimme etwas, das Gregor nicht verstand. Die Frau sah ihn mit schreckgeweiteten Augen an und flehte: "Tu, was er sagt." Doch was hatte er gesagt? Er erinnerte sich daran, dass er grob ins Bad gestoßen wurde, dass er über den Badewannenrand fiel und die mit Blut verschmierten Fliesen betrachtete. Dann wurde es dunkel.
Mikal stand noch immer vorne an der Weggabelung. Gregor ließ die Hände sinken. Es war nicht seine Schuld. Damit gab er sich zufrieden und setzte seinen Weg fort.