Er brach in den frühen Morgenstunden auf.  Mit jedem Schritt wurde ihm beklommener zumute. War sein Bruder schon zurückgekehrt? War er zur Polizei gegangen und hatte gemeldet, wo Gregor sich aufhielt? Wie lange war das her, dass er aufgebrochen war? Er konnte sich nicht mehr genau erinnern. War er überhaupt wirklich da gewesen?

Was erhoffte er sich nun im Dorf zu erfahren? Nur, weil Chaleb, ein Alter mit Hut ihn bei einem Namen genannt hatte, wusste er auch all das andere? Es war eine kindliche Hoffnung, einem Aberglauben gleich, das wusste er. Immer wieder hielt er an und trank einen Schluck Wasser aus seiner Flasche. Seine Hände zitterten, sodass er kaum den Schraubverschluss wieder zu bekam. Er würde Chaleb fragen. Einen Versuch war es wert. Er nickte, steckte die Flasche zurück in den Rucksack und setzte sich wieder in Bewegung.

Glockengeläut empfing ihn, als er aus dem Wald trat und den schmalen Pfad ins Dorf nahm. Da sah er den Trauerzug, der die Gasse entlang ging. Das ganze Dorf schien versammelt zu sein. In Schwarz gekleidete Menschen, die in bedächtigen Schritten dem glänzenden, blumengeschmückten Sarg folgten.

Eine Frau mit einem Blumengesteck lief mit hängenden Schultern eilig an ihm vorüber und reihte sich an das Ende des Zugs. Gregor folgte ihr. Sie bildeten den Schluss des Zuges, der eben auf dem Friedhof einbog. Hier würde er sicher auch Chaleb sehen. Doch so sehr er auch nach der Gestalt mit Hut Ausschau hielt, fand er ihn nicht. Da sah er den Hut. In den Händen eines anderen Mannes, der vorne am Grab stand.

Gregor knickten die Beine ein. Er spürte kräftige Hände, die ihn stützten.

Der Mann, der den Hut hielt, sah durch die Menge zu ihm und nickte, als ob er wüsste, wer er war. Die Übrigen hielten den Blick gesenkt. Der Pfarrer sprach seine Gebete, in die die Trauernden leise murmelnd einfielen.

Wie gebannt sah Gregor zum Grab. Die Erkenntnis sickerte nach und nach in seinen Verstand. Es war Chaleb, der hier zu Grabe getragen wurde.

Als die Beerdigung vorüber war löste sich die Versammlung auf. In Grüppchen oder alleine suchte jeder seinen Weg. Ganz zum Schluss kam der Mann und gab Gregor wortlos und feierlich den Hut. Bevor Gregor etwas fragen konnte, verschwand auch dieser aus dem Tor und er blieb alleine zurück.

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