Weihnachten gilt ja gemeinhin als das Fest der Liebe. Ich fürchte, dass sich das in diesem Jahr bei vielen Menschen ziemlich umkehren könnte …

Letzte Woche schrieb ich ja einen Artikel zur zunehmenden Spaltung unserer Gesellschaft und dass diese im Sinne des Teile-und-herrsche-Prinzips durchaus gewünscht ist. Nun steht Weihnachten an, und es sieht für mich so aus, als könnten sich anlässlich dieses Festes und der darauf folgenden Zeit die Gräben zwischen den Menschen noch mal vertiefen.

Dazu erst mal eine persönliche Erfahrung: Wir wollten uns am ersten Weihnachtstag mit neun Personen bei meiner Schwiegermutter treffen: Kinder, Schwiegerkinder, Enkel. Nun stellte sich am letzten Wochenende heraus, dass zwei der Erwachsenen nicht geimpft sind. Und das ist dann natürlich ein Problem, da die Rechtslage hier ja so ist, dass sich nur Personen aus nicht mehr als zwei Haushalten treffen dürfen, wenn eine ungeimpfte Person dabei ist.

Nun haben die beiden das entspannt gesehen und schauen nur kurz vorbei, sodass wir uns draußen „Frohe Weihnachten“ wünschen und die Geschenke austauschen können – was natürlich schade ist, aber eben auch glücklicherweise problemlos so zu besprechen war.

Ob das wohl bei anderen Familien auch so geräuschlos über die Bühne geht, wenn sich dort dieses Problem stellt? Bei der aggressiven Art, wie die diesbezüglichen Diskussionen mittlerweile geführt werden, kann ich mir das nicht unbedingt immer so vorstellen.

Wobei natürlich noch erschwerend hinzukommt, dass die an Familientreffen teilnehmenden Personen mittlerweile oft aus vielen verschiedenen Haushalten kommen. Stichwort Patchworkfamilien. Wenn sich Vater, Mutter und Kinder mit Oma und Opa treffen, dann sind das unproblematischerweise zwei Haushalte, und alles ist easy. Wenn nun allerdings Vater nicht das Elternteil von Mutters Kindern ist, sondern diese auch regelmäßig bei ihren leiblichen Vätern sind, wohingegen Vaters Kind aus erster Ehe, das meistens bei seiner Mutter lebt, dann auch dabei sein möchte, dann wird es schon deutlich komplizierter, und die Grenze von zwei Haushalten ist sehr schnell überschritten. Zumal wenn dann noch diverse Großeltern dazukommen …

Und dann?

Entweder wird dann ein Treffen an den Festtagen nur gesplittet möglich, also quasi etappenweise. Oder gar nicht. Oder aber man setzt sich einfach über die Richtlinie hinweg und trifft sich trotzdem wie geplant. In jedem Fall ist da eine Menge Potenzial für reichlich böses Blut, finde ich.

Und was dann wohl erst los ist, wenn in den Tagen nach so einem Treffen bei einem der Teilnehmer tatsächlich eine Covid-19-Infektion festgestellt wird? Da dürfte es dann häufig nicht gerade freundliche Schuldzuweisungen hageln. Und spätestens dann zieht sich der gesellschaftlichen Graben auch quer durch Familien – wenn das nicht schon zuvor der Fall gewesen sein sollte.

Zumal die Zeit nach den Weihnachtstagen ohnehin recht angespannt sein dürfte. Die Inzidenzwerte werden voraussichtlich stark ansteigen, allein schon, weil sich viele Menschen in Zuge der familiären Treffen, die ja nun jahreszeitlich bedingt überwiegend drinnen stattfinden, testen lassen werden. Dieser Effekt ist ja im Laufe der Pandemie immer wieder zu beobachten gewesen (s. beispielsweise hier und hier) und dürfte demzufolge auch dieses Mal nicht ausbleiben. Da wird sich dann also wieder reichlich Panik breitmachen.

Und dass dann auch ein erneuter Lockdown angeordnet wird, ist ja nun auch mehr als wahrscheinlich. Dass dieser zu so einem Zeitpunkt des Infektionsgeschehens mal wieder kaum etwas bringen wird (sagt zumindest die WHO, s. dazu auch hier) und die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen eher nicht betrifft, dürfte dabei dann erneut keine Rolle spielen. Was hingegen für viele eine große Rolle spielen dürfte, sind die Schuldzuweisungen für diesen ungeliebten Zustand des Lockdowns, und da werden dann mit Sicherheit die Nichtgeimpften schnell als Verantwortliche benannt.

Was mit Sicherheit nicht zu einer Entspannung des öffentlichen Diskurses zwischen Geimpften und Nichtgeimpften beitragen dürfte …

Die Freunde des Spaltens werden sich da also mindestens genauso freuen wie die Lockdown-Profiteure.

Dabei sollte man ja erst mal schauen, wie gefährlich die neue Omikron-Variante denn überhaupt ist. Sollte sich herausstellen, was sich ja zumindest schon mal andeutet (s. beispielsweise hier und hier), dass eher milde Verläufe dabei die Regel sind, dann gibt ein reiner Blick auf die Inzidenzwerte (mal wieder) wenig Aufschluss über die tatsächlich Gefährdungslage.

Vielmehr könnte eine hohe Inzidenz sogar etwas nicht nur Negatives sein, wenn man sich eine Aussage vom Virologen Christian Drosten in seinem NDR-Podcast (zitiert hier nach einem NachDenkSeiten-Artikel als Sekundärquelle) vor Augen hält:

Mein Ziel als Virologe Drosten, wie ich jetzt gerne immun werden will, ist: Ich will eine Impfimmunität haben und darauf aufsattelnd will ich dann aber durchaus irgendwann meine erste allgemeine Infektion und die zweite und die dritte haben.

Im Hinblick darauf, dass es kaum möglich sein wird, dieses Virus auszurotten, sondern dass es, wie das bei Pandemien so üblich ist, irgendwann in den Pool der Infektionen, die „normal“ (im Sinne von nicht übermäßig gefährlich) sind, übergehen wird (s. hier), wäre es, zumindest für Geimpfte bei Aussicht auf einen mit hoher Wahrscheinlichkeit milden Verlauf, der Immunisierung gegen das Virus durchaus zuträglich, nun eine Omikron-Erkankung durchzumachen.

Was nun natürlich nicht heißen soll, dass alle auf Teufel komm raus sich mit Covid-19 infizieren sollten, denn dann würde das Gesundheitswesen eben sehr schnell wieder an seine Grenzen kommen, an denen es ja zur Winterzeit schon seit vielen Jahren beständig entlangbalanciert.

Hier wäre also eine sehr differenzierte Betrachtung angebracht, an der dann auch das politische Handeln auszurichten wäre. Allerdings ist es natürlich zum einen einfacher, zum anderen auch zielführender im Sinne von „Teile und herrsche“, stumpf mit dem gleichen Maßnahmeninstrumentarium weiterzumachen, das sich schon seit fast zwei Jahren als nur sehr bedingt tauglich erwiesen hat – zumindest bezogen auf die Bekämpfung der Pandemie. Für diejenigen, die davon profitieren, ist das bisherige (und damit wohl auch das zukünftige) „Krisenmanagement“ natürlich so richtig super!

Und insofern befürchte ich eben, dass das diesjährige Weihnachtsfest nicht eben als besonders viele Liebe spendend in die Geschichte eingehen wird …

Dir gefällt, was Karl Haas schreibt?

Dann unterstütze Karl Haas jetzt direkt: