Die Energiewende mit dem Umstieg auf neue erneuerbare Energien dürfte nochmals erheblich an Fahrt gewinnen – weil es sich rechnet. Forscher gehen davon aus, dass, anders als in den meisten Szenarien bisher angenommen, der Preiszerfall sich noch beschleunigen dürfte. Vor diesem Hintergrund erscheint eine CO2-neutrale Energieproduktion bis zur Jahrhundertmitte nicht nur als machbar – diese wird, bei einer zügigen Umsetzung, auch um viele Billionen billiger zu haben sein.
«We learn by doing»: Auf diese einfache Formel brachte der Luftfahrtingenieur Theodore Paul Wright 1936 seine These, wonach die Kosten beim Bau eines jeden Flugzeugs mit der Zahl der bereits gebauten Flieger abnehmen – als Folge einer ganzen Reihe von Faktoren, die sich mit dem schönen Motto des Lernens durch Machen ausdrücken lassen. «Wright’s Law» klingt so simpel, dass Zweifel aufkommen, was die Formel taugen kann, um Aussagen über die Zukunft einer Technologie zu machen. Doch die Kalibrierung einer Forschergruppe am Santa Fe Institute zeitigte 2012 verblüffende Ergebnisse. Bei 62 verschiedenen Technologien, vom Transistor bis zu Energieträgern zeigte sich, wie sinnvoll Wright’s Ansatz ist. So lässt sich ein Computer nicht einfach auf seine Einzelteile reduzieren, sondern muss in der Summe dieser Teile betrachtet werden. Und wenn es einen gemeinsamen Nenner gibt, dann sind es die – inflationsbereinigten – Kosten. So lässt sich Moore’s Law von 1965, wonach sich die Leistung eines Computers alle 18 Monate verdoppelt, auch anders ausdrücken: Die Kosten der Transistoren halbieren sich alle 16 Monate. Als das präziseste Vorhersagemodell erwies sich dabei jenes von Wright, vor allem auf die lange Sicht. Diesen Ansatz haben sich Mathematikerinnen und Ökonomen der Universität Oxford zu Herzen genommen, um die Kostenentwicklung verschiedener Energieträger für die Zukunft zu modellieren. Denn der Blick in die jüngere Vergangenheit der Vorhersagenmodelle zeigt eine eklatante Ungenauigkeit. Sie alle haben die tatsächliche Entwicklung weit unterschätzt, etwa die Tatsache dass der Preis für Solarmodule im vergangenen Jahrzehnt im Jahresdurchschnitt um zehn Prozent gesunken ist. Noch beeindruckender ist die lange Sicht. Während der Preis für Kohle und Öl seit 140 Jahren mit geringen Schwankungen praktisch stabil geblieben ist, hat sich jener für Solarzellen seit deren Markteinführung vor 60 Jahren um mehr als das Zehntausendfache reduziert. Nicht ganz so dramatisch, aber in der Dynamik ähnlich beindruckend sieht es bei Wind, Biomasse und auch der Batterietechnik aus. Wind und Sonne haben, was die Kosten pro Megawattstunde betrifft, Öl und Nuklearenergie bereits hinter sich gelassen. Kohle und Gas sind in Reichweite. Vor diesem Hintergrund wagen die Forscher den Blick in die nahe und mittlere Zukunft auf der Basis von drei Szenarien: Es gibt keinen Wandel, es gibt einen langsamen Wandel, und es gibt den schnellen Wandel. Für alle Szenarien betrachteten die Forscher die künftige Kostenentwicklung. Dabei zeigt sich: Je schneller es geht, desto günstiger wird es werden: Der schnelle Wandel kostet 26 Billionen Dollar weniger als der langsame Wandel. Das heisst: der günstige Weg zur klimaneutralen Welt ist der schnelle Umstieg auf erneuerbare Energien – Wright’s Law at it’s best. Zu einem ähnlichen Schluss kommt die International Renewable Energy Agency in einer ähnlich gelagerten Studie zum Zusammenspiel von Politik und Finanzwirtschaft. Danach lassen sich die vergangenen zwei Jahrhunderte Technologiegeschichte mit fünf Schlüsseltechnologien beschreiben: die industrielle Revolution im ausgehenden 18. Jahrhundert, das Zeitalter von Dampf und Eisenbahn, das Zeitalter von Stahl, Strom und Ingenieurswissenschaften, das Erdöl-Zeitalter mit Autos und Massenproduktion und das Zeitalter der Information und Telekommunikation. Deren Durchsetzung lag wesentlich an Investorinnen und Investoren, die, begeistert von der Technologie und getrieben von den Gewinnaussichten, das Geld zur weiteren Entwicklung zur Verfügung stellten. Die Politik könne diesen Prozess unterstützen mit Rahmenbedingungen, die Investitionen und den Wandel unterstützen. Die Zeit der Energiewende markiert die sechste Schlüsseltechnologie. Und, nimmt man die historische Erfahrung als Masstab: Es ist die Technologie der Zukunft, die sich auch noch rechnet.