Soeben ist ein Buch erscheinen mit dem Titel ‚Osteopathische Behandlung des weiblichen Beckenbereichs'.[1] Doch, doch, Sie haben richtig gelesen! Osteopathen machen allen nur erdenklichen Unfug - und dazu gehört eben auch, dass sie manchmal ein wenig Gynäkologe spielen wollen.
Das Buch wird mit folgendem Text beworben:
Beschwerden im weiblichen Beckenbereich sicher und souverän osteopathisch behandeln -- mit diesem Buch kein Problem.
Von funktionellen Beschwerden (Harninkontinenz, Beckenschmerzen, Unfruchtbarkeit) über die hormonelle Physiologie (Pubertät, Menstruationszyklus, Schwangerschaft, Wechseljahre) bis sogar zu den Folgen nach chirurgischen Eingriffen und Infektionen wird Ihnen erklärt, wie Sie jeweils osteopathisch vorgehen können.
Die intrapelvischen Weichteile werden ständig von den Atmungs-, Harn-, Genital- und Darmfunktionen beansprucht und mobilisiert, ebenso sind die Urogenitalorgane in ständiger Bewegung.
Die Rolle der Osteopath*innen besteht darin, die Beweglichkeit all dieser Gewebe wiederherzustellen, um eine gute Physiologie der Beckensphäre zu gewährleisten.
Es werden Ihnen die bei den unterschiedlichen Krankheitsbildern konkreten Indikationen und Kontraindikationen vorgestellt.
Die Beschreibung der Techniken wird von Diagrammen und zahlreichen Fotografien begleitet, die die verschiedenen Manipulationen veranschaulichen und zum besseren Verständnis beitragen.
Was in diesen knappen Worten nicht zum Ausdruck kommt, ist die Tatsache, dass es keine Belege für die Wirksamkeit der osteopathischen Behandlung des weiblichen Beckenbereichs gibt. Diese kleine Nebensächlichkeit scheint den Autoren wohl entgangen zu sein.
Schamvoll verschwiegen wird auch, was bei der viszeralen Osteopathie des weiblichen Beckens wirklich abläuft. Salopp ausgedrückt involviert eine viszerale Manipulation oft, dass der Osteopath -- wohlgemerkt, Osteopathen sind keine Mediziner! - seine Finger dorthin tut, wo es mehr als nur ein wenig intim wird.
Die folgenden Instruktionen für den Osteopathen machen es unmissverständlich klar[2]:
Manipulation: beste Zeit zur Behandlung - kurz nach Ende der Menstruation. Während der Behandlung sollte KEIN TAMPON vorhanden sein. Behandeln Sie zuerst die Unterleibsorgane (Nieren und Darm). Die Patientin sollte eine leere Blase haben.
Kontraindikationen: Eingesetzte Spirale, Schwangerschaft, Blutungen und Infektionsprobleme der Gebärmutter oder Blase.
Nach der Behandlung: Informieren Sie die Patientin, dass es nach der intravaginalen Behandlung für einige Tage zu einem rosa Ausfluss kommen kann. Prüfen Sie während der Behandlung der Patientin den hinteren Gebärmutterhals auf Hefepilze.
Ja, ganz richtig, hier ist von intra-vaginaler Manipulation die Rede! Und dazu gibt es sogar Studien (wenn auch keine überzeugenden).[3] Entwickelt wurde dieser Unsinn von Jean-Pierre Barral.[4] Er ist Diplomierter Osteopath, Mitglied des Registre des Ostéopathes de France und Physiotherapeut.
Irgendwie erinnert mich das an den Fall eines Therapeuten, der vor einigen Jahren in England vor Gericht stand. Er wurde von mehreren seiner Patientinnen beschuldigt, seine Finger unversehens in ihre Scheide eingeführt zu haben. Ich hatte damals das zweifelhafte Vergnügen, als Sachverständiger der Anklage zu dienen. Knapp zusammengefasst besagte meine Expertise, dass es für solche intra-vaginalen Manipulationen keinen guten medizinischen Grund gibt. Der Richter verurteilte den Therapeuten schließlich zu zwei Jahren Haft.
In Deutschland hätte der Angeklagte vermutlich nur behaupten müssen, er sei ein Vertreter der viszeralen Osteopathie. Ein Freispruch wär ihm dann wohl sicher gewesen.
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