In diesem Jahr, seit Russland die Ukraine angegriffen hat, wird ja immer wieder die westliche Wertegemeinschaft beschworen, die nun gegen den gemeinsamen Feind Putin zusammenstehen müsse. Doch frage ich mich ernsthaft, was das denn bitte für Werte sein sollen, die da diese Gemeinschaft ausmachen.
Dass in den USA nämlich Menschen, die viele hier in Deutschland und Europa als Helden ansehen – so wie zum Beispiel Chelsea Manning und Edward Snowden – als Verbrecher eingestuft werden und mit ihnen nicht gerade zimperlich umgesprungen wird, wenn man ihrer habhaft wird, ist ja nun nichts ganz Neues. Dieser Widerspruch zwischen den Wertesystemen wird zurzeit aber noch ziemlich auf die Spitze getrieben durch die Tatsache, dass Julian Assange einer der Nominierten für den Sacharow-Preis 2022 ist.
Und das ist nicht irgendein Preis von einer NGO oder so, sondern der Preis des EU-Parlaments für geistige Freiheit, der Personen und Organisationen zugesprochen wird, die sich in besonderem Maße für Menschenrechte und Grundfreiheiten einsetzen (s. hier).
Ist es da nicht reichlich absurd, dass also einer der nominierten Preisträger in den USA angeklagt und für 175 Jahre ins Gefängnis gesteckt werden soll? Was ist das denn bitte schön für eine gemeinsame Wertebasis, die dann den USA und der EU zugrunde liegen soll? Mit Pressefreiheit, der Ächtung von Kriegsverbrechen und Rechtsstaatlichkeit kann die zumindest nicht so richtig viel zu tun haben. Und das sind für mich drei elementare Aspekte eines Wertesystems. Wer diese nicht teilt, der hat auch einen komplett anderen Wertekompass, finde ich.
Insofern bestätigt sich da gerade mal wieder, dass es auch bei den Reaktionen auf den Krieg von Russland gegen die Ukraine nicht um irgendwelche Wertesysteme oder gar um eine Wertegemeinschaft geht, sondern vor allem um Geld – wie eigentlich fast immer bei Kriegen.
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