Prostitution ist vielen ein Dorn im Auge, sei es aus moralischen oder anderen Gründen. Seit jeher ist sie auch verbunden mit Klischees von Kriminalität aller Art.
Ganz klar: Klischees haben es an sich, ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit zu geben. Gleichzeitig kommen Klischees nicht aus dem Nichts, sondern haben auch einen wahren Kern.
Deshalb sollte man bei den Begrifflichkeiten genau sein. Sexarbeit ist nicht einfach ein Synonym für Prostitution, sondern geht zum einen weiter, indem sie alle Tätigkeiten umfasst, bei denen man mit Sexualität oder Erotik Geld verdient. Also auch beispielsweise Camsex oder erotische Chats. Zum anderen setzt der Begriff Konsens und Volljährigkeit voraus. Prostitution unter Zwang oder von Minderjährigen kann daher nie Sexarbeit sein.
Auf dem anderen Ende der Skala befindet sich die Zwangsprostitution, welche selbstverständlich strafbar ist (§232a StGB). Diese möchte niemand und es ist im Interesse aller Beteiligten, dass sie bekämpft wird.
Mir wird gern unterstellt, privilegiert zu sein, einer imaginären Pro-Prostitutions-Lobby anzugehören und Dinge schönzureden. Sorry, aber das ist Unsinn. Privilegiert bin ich wohl - ich bin finanziell abgesichert, lebe in einem reichen Land und habe eine Arbeit, die gut bezahlt ist und die mir Spaß macht.
Aber gerade weil ich diese Arbeit gern ausübe und dazu stehen möchte, ist es mir ganz und gar nicht egal, welche Missstände existieren. Abgesehen davon, dass es schrecklich ist, wenn Menschen Gewalt erfahren und zu sexuellen Dingen gezwungen werden, hat es auch ganz rational und rein beruflich negative Aspekte für mich.
Ganz persönlich: Zwangsprostituierte stellen für mich nämlich nicht nur eine Konkurrenz dar, welche Dinge anbietet, die ich ablehne und das oft zu niedrigen Tarifen. Zwangsprostitution sorgt auch für negative Schlagzeilen und für eine Festigung des gesellschaftlichen Stigmas der Prostitution allgemein.
Das kann nicht in meinem Interesse sein, weshalb ich klar dafür bin, diese Auswüchse anzugehen. Aber eben nicht mit einem "Nordischen Modell", welches den Sexkauf komplett unter Strafe stellt. Denn wenn mein Kunde meine Dienstleistung nur annehmen kann, indem er sich strafbar macht, schadet das auch mir.
In den Ländern, in welchen dieses Modell eingeführt wurde, kann man beobachten, was die scheinbar so Prostituierten-freundliche Lösung in der Praxis bedeutet. Denn es wird jeder kriminalisiert, welcher von der Prostitution profitiert (außer der Prostituierten selbst). Das ist dann zuerst natürlich der Kunde. Aber neben diesem auch alle anderen. Spricht, der Hotelbetreiber, welcher ihr das Zimmer zur Verfügung stellt. Dann der Taxifahrer, welcher sie hinbringt. Der Freund, der am Telefon sitzt und sie covert. Wenn sie in der eigenen Wohnung arbeitet, ist auch der Vermieter dran. Und so weiter.
Letztlich also viel Unsicherheit, wenig Schutz und eine Verlagerung ins Dunkle. Jenes Dunkle, in dem jetzt schon Zwang und Ausbeutung vorherrschen. Man kann sich also leicht ausrechnen, wen diese Regelung empfindlich treffen würde und wem sie eher in die Karten spielt. Denn wegbleiben werden vor allem die seriösen Kunden. Für die "erlebnisorientierten" wird es hingegen leichter. Verhandlungen werden schneller geführt, um nicht übermäßig auf sich aufmerksam zu machen und wenn der Kunde das Risiko von empfindlichen Strafen auf sich nimmt, dann erwartet er auch mehr und extremeres für sein Geld. Was er dann mangels Konkurrenz auch meist bekommen dürfte.
Also Augen zu und durch? Nein, das natürlich auch nicht. Wir haben in Deutschland ein Prostituiertenschutzgesetz. Wie dieses gestaltet und wie wirksam es ist, darüber kann man durchaus geteilter Meinung sein. Aber es ist da und gemeinsam mit den einschlägigen Paragraphen des StGB bietet es einen Rahmen, in dem manches möglich wäre.
Staat und Gesellschaft sind hier gefordert. Einerseits kann eine höhere Polizeipräsenz mit entsprechenden Kontrollen abschrecken, zum anderen sind vor allem Akzeptanz und Vertrauen die Schlüssel zum Erfolg. Vor allem an letzteren fehlt es den gezwungenen Personen natürlich und hier sollte man mit Sozialarbeit ansetzen. Vertrauenspersonen, die präsent sind, die Sprache sprechen und nicht die Agenda haben, die Leute um jeden Preis von der Prostitution "befreien" zu wollen, sind wichtig. Verbunden mit einer Schweigepflicht. Und wenn sich Opfer der Zwangsprostitution entschließen, sich an die Behörden zu wenden, dann muss sichergestellt sein, dass sie sicher sein können, nicht abgeschoben zu werden und eine sichere Unterkunft zu erhalten.
Das wichtigste jedoch ist die Akzeptanz in der Gesellschaft. In einer Welt, in der ich beim Friseur sagen kann, dass ich als Sexarbeiterin tätig bin und das keine andere Reaktion auslöst als gegenüber einer Physiotherapeutin oder Bäckereifachverkäuferin, macht es deutlich leichter, sich in einer Notlage vertrauensvoll an jemanden zu wenden.
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, jedoch lohnt er sich. Aus moralischen Gesichtspunkten verhängte Verbote, so gut sie vielleicht gemeint sein mögen, schaden jedoch nur und werfen uns alle zurück in miefige Zeiten des vergangenen Jahrhunderts. Das kann keiner wollen.