Das in der Überschrift beschriebene Phänomen kann man gerade sehr gut beobachten anhand eines Großteils der medialen Reaktionen auf die Wagenknecht/Schwarzer-Friedensdemo, die letztes Wochenende in Berlin stattgefunden hat.

Dabei ist das Vorgehen nicht so ganz neu, denn vor einigen Jahren konnte man schon bei den Anti-TTIP-Demos beobachten, dass hier eine Querfront herbeifantasiert wurde und auf Rechtsextreme auf diesen Veranstaltungen hingewiesen wurde. Darüber habe ich damals auch schon einen Artikel geschrieben.

Klar, mit Rechtsextremen will niemand, der progressive Politik im Sinn hat, etwas zu tun haben. Zumal ja auch Umwelt- und Klimaschutz, Sozial- und Friedenspolitik sowie moderne Konzepte des Zusammenlebens auch nicht eben Kernkompetenzen von Rechtsaußen sind und von diesen in der Regel negiert werden.

Allerdings nutzen Rechte Demonstrationen, wie beispielsweise gegen TTIP, immer mal wieder, um ihre eigenen Ressentiments dort vorzubringen und sich so eine Öffentlichkeit zu schaffen. Das kann dann beispielsweise plumper Antiinternationalismus sein oder auch Antisemitismus.

Als Veranstalter von solchen Demos hat man es dann schwer: Wenn sich die Rechten nicht mit eindeutigen Fahnen zu erkennen geben, bekommt man oft gar nichts davon mit, dass diese überhaupt anwesend waren. Und wenn die mit Fahnen oder Parolenschildern dort auflaufen, ist es eben auch schwer, sie von einer Teilnahme abzuhalten. Klar, man kann denen sagen, dass sie unerwünscht sind, aber wenn die dann nicht von allein gehen – was dann? Mit körperlicher Gewalt gegen die Rechtsextremen vorgehen? Keine gute Idee, weil man dann gleich die gesamte Veranstaltung gefährdet und zumindest diskreditiert. Also bleibt dann nur die Ausgrenzung und dass man solchen Leute natürlich keine Redezeit zugesteht.

Nun hieß es ja in vielen Medien, dass die Wagenknecht/Schwarzer-Demo am letzten Wochenende auch von Rechten unterwandert worden sei, wenn nicht gleich komplett rechtslastig ausgelegt war. Es wurde bei der Petition beispielsweise der Name des einen oder anderen AfD-Politikers entdeckt, und auch auf der Demo selbst waren AfD-Nasen und andere Rechtsaußen zu sehen (s. hier).

Doch wie ist denn das Verhältnis der Veranstalter zu diesen Teilnehmern? Nun das scheint mir dann doch recht eindeutig zu sein, nur hat man davon wenig mitbekommen. Fabio De Masi schrieb dazu in einem Kommentar in der Berliner Zeitung allerdings Folgendes:

Sahra Wagenknecht führte dazu aus: „Dass Rechtsextremisten, die in der Tradition eines Regimes stehen, das den schlimmsten Weltkrieg seit Menschheitsgedenken vom Zaun gebrochen hat, auf einer Friedensdemo nichts zu suchen haben, versteht sich von selbst.“

Es dürfe nicht vergessen werden, „dass nicht der Ruf nach Frieden, sondern die Unterstützung von Militarismus und Krieg seit ewigen Zeiten Kennzeichen rechter Politik ist.“

Das klingt doch schon mal recht eindeutig, oder? Und zwar nach: Wir wollen Euch Rechte nicht dabeihaben.

Aber das wollte man bei der Berichterstattung nicht hören, denn Rechtsextreme sind ja immer gut, wenn es darum geht, eine Sache zu diskreditieren. Und in der kriegsgeilen, bellizistischen Stimmung, die leider zurzeit herrscht und immer weiter geschürt wird, ist eine Friedensdemo eben nicht gern gesehen.

Wie das dann im Konkreten aussieht, und zwar bei der ARD-Sendung Fakt, die über die Demonstration berichtete, wird in einem Artikel auf Telepolis dargestellt. Da wurden im Vorfeld Fragen an Unterzeichner des Friedensmanifests geschickt, die diesen doch sehr inquisitorisch vorkamen. Und wenn darauf dann nicht so geantwortet wurde, wie das von der Fakt-Redaktion gewünscht war, dann wurden diese Antworten einfach unter den Tisch fallen gelassen.

Klingt nicht jetzt nicht eben nach Unvoreingenommenheit, sondern eher nach Kampagnenjournalismus, oder?

Das wird dann noch weiter auf die Spitze getrieben, wenn man sich im oben verlinkten Telepolis-Artikel Folgendes durchliest:

Dann wurden auf der Großkundgebung gesichtete Personen aus dem rechten Spektrum erwähnt – nicht aber, dass die Polizei sich im Fall des Grüppchens um den Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer geweigert hatte, den Wunsch der Versammlungsleitung zu akzeptieren, dass diese Personen sich entfernen sollten.

Ihre Anwesenheit wurde quasi polizeilich durchgesetzt, sie standen isoliert am Rand der Kundgebung, nachdem es Versuche gab, sie abzudrängen. Nach Angaben von Ordnern, die über weitere Maßnahmen diskutierten, wollte die Versammlungsleitung eine Eskalation und Zusammenstöße mit der Polizei vermeiden.

Diese Umstände wurden aber in der „Fakt“-Sendung unterschlagen – stattdessen sprachen die Reporter mit den Rechten und ließen sie zu Wort kommen. Nur anhand von Schildern im Hintergrund, auf denen steht „Mit AfD und Co. ist kein Frieden zu machen“ lässt sich in dem Beitrag ein Problembewusstsein der anderen Kundgebungsteilnehmer erahnen.

Was soll man also als Veranstalter einer Demonstration mit einer fünfstelligen Anzahl von Teilnehmern noch machen, wenn nicht im Vorfeld betonen, dass Rechte nicht willkommen sind, und diese, wenn sie dann doch auftauchen, zum Gehen auffordern?

Diese Art von zusammengeklaubter Kontaktschuld, wie sie in der Sendung Fakt, aber auch in vielen anderen Medien zu beobachten war, ist meines Erachtens nicht nur unlauter im Hinblick auf diese eine konkrete Veranstaltung, sondern weist eine generelle Problematik auf: Rechtsextreme bekommen so die Möglichkeit eingeräumt, Veranstaltungen zu diskreditieren, allein schon deshalb, weil sie dort auftauchen oder Sympathie damit bekunden, und zwar unabhängig davon, ob sie nun die konkreten Ziele teilen oder nicht.

Und dadurch kann dann allen möglichen unliebsamen systemkritischen Demonstrationen oder sonstigen politischen Aktionen die Legitimität abgesprochen werden: einfach den einen oder anderen Rechtsaußen dort platzieren, und schon hat man was zum verbalen Draufdreschen, ohne sich mit den eigentlichen Inhalten auseinandersetzen zu müssen.

Was praktischerweise dazukommt: Wenn auf diese Weise nun die Rechtsextremen gestärkt werden, indem ihnen ein solcher Einfluss eingeräumt wird, stört das die Bellizisten mit Sicherheit eher weniger, denn, wie schon erwähnt, sind Rechtsaußen ja ohnehin keine überzeugten Streiter für den Frieden.

Woran man auch erkennt, dass es sich hierbei nicht um eine ernsthafte Sorge vor rechtem Gedankengut handelt, sondern um kampagnenhafte Diskreditierung: Wenn die AfD in vielen Kommunal-, Stadt- und sogar Landesparlamenten mit der CDU und FDP zusammenarbeitet, dann wird das in der Regel kaum bis gar nicht kritisch wahrgenommen – es sei denn damals in Thüringen, als CDU und FDP mit der dortigen Höcke-AfD gekungelt haben, um die Wiederwahl von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zu verhindern. Aber der Furor darüber war nicht wirklich nachhaltig, denn immerhin sitzt die FDP nun in der Bundesregierung und die CDU nach wie vor in vielen Landesregierungen.

So zeigt sich mal wieder, dass Rechtsextreme wunderbar dienlich sind für diejenigen, die das neoliberale System aufrechterhalten wollen. Kritik daran kann mit deren Hilfe nämlich ganz hervorragend diskreditiert werden – wie man ja auch jetzt gerade wieder sehr deutlich gesehen hat.

Insofern kann ich nur wieder darauf hinweisen, wie es ja schon öfter gemacht habe: Rechtsaußen sind nicht systemkritisch, sie sind vielmehr nicht nur Teil des Systems, sondern stabilisieren es zudem auch noch.

Und erbärmlicherweise spielen viel zu viele Medien dieses perfide Spiel einfach so mit.

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