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2. Türchen – Das Geschirr kann warten, das Leben nicht!

Dieser Spruch gehört in jeden Familienhaushalt, allerspätestens jetzt in der Pandemie. Konzentrieren Sie sich auf drei Basics: Sind in der Familie alle sauber gekleidet, gekämmt und gewaschen? Haben alle dreimal am Tag etwas Vernünftiges zu essen auf dem Teller? Sind alle gesund? Dann haben Sie schon das Meiste richtig gemacht. Mehr Haushalts- oder Sorgeleistung brauchen Sie in einer Pandemie mit deutlich hochgefahrenen Herausforderungen im Ernstfall nicht. Alles darüber Hinausgehende mag wünschenswert sein – v. a. wenn Sie sonst einen gut organisierten Haushalt haben – kann aber schnell zu nicht erfüllbaren Erwartungen und damit zu Unzufriedenheit und Stress führen. Natürlich muss die Wäsche irgendwann gewaschen werden und es muss aufgeräumt und sauber gemacht werden. Die Frage – ausgehend von dem Leitspruch – ist nicht „ob“ es gemacht wird, sondern „wann und wie“ es gemacht wird. Sind alle zu Hause (Homeoffice und Wechsel- oder Distanzlernen) können Haushaltsaufgaben noch besser verteilt werden als vorpandemisch – und es ist auch viel nötiger. Damit kann auch jüngeren Kindern schon ein Stück Verantwortung und Mitgestaltung für das Familienleben übertragen werden und zudem verkürzt die Betätigung mögliche Langeweile. Gleichzeitig lernen Kinder – fürs Leben. Ältere Kinder/Jugendliche können einen Familien-Beitrag in der Pandemie leisten und so erfahren, dass Krisensituationen konstruktives Zusammenarbeiten und Zusammenstehen erfordern, um alle gut durch die Krise zu bringen.

Erstellen Sie einen ausgehandelten Plan unter der Prämisse: die Belastungen sind für uns als Familie größer – wir machen das zusammen. Ihr Kinder seid wertvoller Teil der Lösung, die wir jetzt brauchen. Der Plan enthält die notwendigen Haushaltsarbeiten und hängt gut sichtbar an zentralem Ort. Auf ihm wird vermerkt, wer wann was macht – wenn es hilfreich ist, hakt man ab, wenn die Aufgabe erledigt ist. So sehen auch andere Familienmitglieder, dass jede/r zuverlässig seinen Beitrag leistet. Sollte etwas vergessen sein, fällt es anhand der Liste (und nicht anhand der Staubmäuse in den Ecken, über die man sich deutlich mehr ärgert) auf. So kann man sich gegenseitig erinnern.

Ein wichtiger Nebeneffekt eines solchen banal klingenden Planes liegt in der Tages-Strukturierung, die er mit sich bringt. Das ist in Situationen, in denen uns mindestens teilweise externe Strukturierungselemente wie Termine, regelmäßige Hobbies und Anfangszeiten wegfallen, wichtig, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Wir brauchen Strukturen. Sie geben Halt und Orientierung. Sie bedeuten Verlässlichkeit und fördern unser Vertrauen in unsere Handlungsfähigkeit.

Wichtig ist, diesen Plan zu evaluieren. Vielleicht gibt es Zeiten, in denen eine/r eine besonders stressige Zeit in Beruf oder Schule hat, so kann er/sie entlastet werden. Im längeren Verlauf gleichen sich solche Schieflagen aus. Bei Erstellung des Planes muss klar sein, dass man einander entlastet, wo es nötig ist – gegenseitig und angepasst. Und es muss klar sein, dass jede/r das Recht hat, anzusprechen, wenn er/sie sich mit etwas unwohl fühlt: zuhören, das Empfinden ernst nehmen, nach seiner Begründung fragen, einen Vorschlag machen (oder erfragen) und anpassen. Akzeptanz der Vereinbarung ist der größte Motor, seinen Aufgaben nachzukommen und Konflikte zu vermeiden.

Und nun zum Spruch, der muss ja nun seine Berechtigung bekommen.

Wenn zum Zeitpunkt x die Auswahl besteht zwischen bügeln und mit der Familie ein Gesellschaftsspiel zu spielen… spielen Sie! Der Bügelhaufen bleibt Ihnen nach dem Spiel (oder am nächsten Tag) erhalten, er bleibt emotionslos dort liegen, wo er abgelegt wurde. Aber die Spielstimmung-/situationkönnte vorbei sein. Es geht hier – wie es hinter allen Türchen dieses Kalenders gehen wird – um einen Perspektivwechsel: wir sind überwiegend nach dem Motto „erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ erzogen. Natürlich ist es schön, im geputzten Wohnzimmer einen duftenden Tee zu genießen.

Aber besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Genießen Sie den Tee, vielleicht zusammen mit ihrem Kind oder Ihrem/rPartner/in und nicht die geputzte Umgebung. „Erst das Vergnügen, dann die Arbeit“ sollte es innerhalb der Familie in der Pandemie heißen – oder besser: wann geben wir Vergnügen im Sinne von guten entlastenden Familiensituationen den Vorrang und wann ist Zeit für Arbeit im Sinne von Hausarbeit? Das ist in einer belastenden Situation eine Strategie, die ent-lasten kann, gerade wenn alle oder viele Tätigkeiten von der Erwerbstätigkeit bis zur Freizeitgestaltung auf das häusliche Umfeld übertragen sind.

Prüfen Sie sich immer wieder – wagen Sie den Perspektivwechsel – auch und gerade für Ihre Kinder. So schaffen Sie mehr positive Situationen und verbindende Erlebnisse, die Stresstoleranz und Resilienz des Einzelnen und der Familie als Einheit „füttern“. Eine Gewöhnung an die neue Sichtweise kann zu aktivem, Konflikte entschärfendem Einsatz führen: droht ein Streit aufzuflackern, spüren Sie Stress bleischwer in der Luft liegen, schlagen Sie ein Spiel vor (oder eine andere gemeinsam verbindende Tätigkeit), das bringt uns für einen Moment aus der emotional hochgefahrenen Situation heraus und erinnert uns an das Verbindende – die beste Grundlage, Streit und Konflikte danach wertschätzend und konstruktiv auszutragen.

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