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4. Türchen – "Keine Panik!"
Das steht in aufdringlichen Buchstaben auf dem verrückten Buch „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams, als die Erde, auf der Arthur Dent ein beschauliches Leben führte, einer intergalaktischen Umgehungsstraße weichen musste – und damit alles aus Arthurs Leben verschwand. Fortan vagabundiert er durch die Galaxis - nie wissend, was ihn als nächstes erwartet, welch skurrilen Wesen ihm als nächstes nach dem Leben trachten oder durch welches Raum-Zeit-Kontinuum er als nächstes geschleudert wird. Angesichts eines solchen Entzugs der bisherigen Existenzgrundlage wäre Panik sicher mehr als angemessen. Aber bei aller Komik dieses Romanwerkes ist „Keine Panik!“ vielleicht einer der wichtigsten ernsthaften Aspekte in einer für Unsicherheit und Orientierungslosigkeit prädestinierten Situation.
Zwischenbemerkung: Panik und Angstgefühle können Ausdruck einer Erkrankung sein – scheuen Sie sich bitte nicht, beratende und ärztliche Hilfe zu suchen, wenn Sie das Gefühl haben, unspezifische oder unkontrollierbare Ängste oder Panikattacken zu haben. Eine Pandemie ist eine unnormale Situation mit allem, was uns direkt betrifft, Ängste sind eine normale Reaktion darauf. Es ist nicht „unnormal“ oder „verrückt“, so zu reagieren. Ärzte wissen das und können helfen.
Panik (im nicht-pathologischen Sinn) ist ein schlechter Ratgeber, wenngleich menschlich verständlich, wenn das bisherige Leben in Teilen fragil geworden ist, ein bisheriger Alltag nicht mehr funktioniert, Familiensituationen auf die Wohnung und das direkte Umfeld zusammenschnurren, soziale Netzwerke plötzlich nur noch digital oder telefonisch möglich sind und Entlastungsmöglichkeiten wie Vereinssport, außerhäusliche Hobbies und Erholungsveranstaltungen wegfallen oder eingeschränkt sind. Panik kann sich aufbauen, wenn Sicherheiten wegfallen. Schauen wir auf das Pandemiemanagement: wir wissen kaum, wie in vier Wochen die Situation sein wird – Modellierer können Szenarien diskutieren, aber was das für uns konkret bedeutet, für unseren Alltag, der weniger von den modellierten Szenarien als vielmehr von den daraus resultierenden politischen Entscheidungen abhängig ist, habenwir als Planungssicherheit gewohnte und darauf in Schule und Beruf trainierte Menschen nicht selbst in der Hand. Ein Gefühl der Ohnmacht, des Ausgeliefertseins, der Panik vor Kontrollverlust kann sich einstellen. Jede Veränderung ist mit Fragen, mit Ängsten unterlegt, umso mehr, wenn die Veränderung nicht unter unserem Einfluss steht, sich aber dramatisch auswirken kann – Angst vor eigenerErkrankung, vor Langzeiterkrankung, vor Tod, vorVerlust der Existenzgrundlage, vordemZerbrechen von familiären Strukturen oder Freundschaften, vorAuflösung des etablierten Alltags. Die größte Panik hörte ich in meinen Gesprächen und Recherchen immer dann heraus, wenn es um die Unfasslichkeit der Pandemie ging, die Unvorstellbarkeit ihres Ausmaßes und ihrer weltweiten Auswirkungen, ihres unkalkulierbaren Verlaufes nicht nur im eigenen Land und der Ohnmacht, ihr im Globalen nichts entgegensetzen zu können. Wir können uns noch so sehr an alle Regeln halten, einem pandemischen Imperativ folgen, uns selbst, unsere Familie und unser direktes Umfeld schützen – und sind machtlos, wenn politische Entscheidungen und das daraus folgende Verhalten eines größeren Teils der Bevölkerung zu einer Verschlimmerung der Situation führt und uns selbst in einer Weise einschränkt, die wir als ungerecht empfinden können – ein schmerzhafter Dissenz, den wir aushalten müssen und der Angst und Wut auslösen kann.
Die Frage: Wie soll das gehen? und die Tatsache, manchmal keine sofortige Antwort darauf zu haben, bringt uns menschlich schnell an die Grenzen von Überforderung und Panik. Wir reagieren mit Wut, mit Trotz, mit Anklage und Unverständnis. So verständlich das ist, so hinderlich ist es für einen Blick auf die Lösungsmöglichkeiten, die sich trotz massiver Veränderungen und Einschränkungen ergeben können und die in erster Linie uns selbst betreffen. Bei uns selbst sind wir handlungsfähig, wie wir mit Situationen umgehen, liegt in unserer Hand.
Auch hier geht es um einen Perspektivwechsel: die Veränderungen und Einschränkungen ziehen magisch (und panisch) unseren Blick an. Eine Wendung des Blickes und das Stellen einer anderen Frage kann aus Ohnmacht Wirkungsmöglichkeiten machen.
Statt der Frage: Was geht jetzt alles nicht mehr? kann die Frage: Was geht jetzt? Türen öffnen – manches des Vorherigen geht doch immer noch, vielleicht anders und manches Neue eröffnet sich. Wir müssen (uns) nur ernsthaft fragen…
Vor einer Herausforderung zu stehen und zu sagen „Das geht nicht...“ schlägt Türen des Handelns zu. Stattdessen zu fragen „Wie könntees gehen?“ oder „Was könnte jetzt stattdessen gehen?“ öffnet Türen und eine Tür wird dabei sein, hinter der die passende Antwort wartet. In vielen Gesprächen, Interviews, Berichten in den Medien ist der Blick auf das gelenkt, worauf wir verzichten müssen, was wir nicht haben, nicht machen können, nicht dürfen, nicht können – wir fokussieren auf das Defizit, uns selbst und auch uns als Familie oder unsere Kinder betreffend. Natürlich fehlt uns unser gewohntes Leben, natürlich wollen wir die Pandemie in den Griff bekommen, natürlich wollen wir (und sollen wir auch wieder) in vollen Kneipen lachen, uns dichtgedrängt über die Kirmes schieben, natürlich soll unser Geschäft, unser Unternehmen wieder „brummen“, weil wir die Einkünfte brauchen. Und natürlich sollen die Kinder wieder „achtlos“ (im positiven Sinne) sein können. Das wird auch wieder so kommen, auch wenn so manches Gespräch, manche Diskussion in der Öffentlichkeit eher den Eindruck apokalyptischer Ewigkeit vermuten lässt. Das hat auf die Psyche von Familien kaum unterstützenden Einfluss, sondern schürt eher Verzweiflungs- und Angstgefühle.
In den Phasen, in denen das nicht geht, ist ein Perspektivwechsel das Gesündeste, was wir unserer Familie tun können. XY geht nicht. Und jetzt? Was geht denn? Und dann sammelt man in der Familie: Was können wir statt dessen machen, wie können wir ausgleichen, welche Alternativen haben wir? Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es, wenn die gewohnte nicht mehr funktioniert? Wer kann uns unterstützen, was brauchen wir?
Wichtig – und das Anstrengendste dabei – ist, nicht wieder in die Defizit-Sicht zurückzufallen. Konzentrieren Sie sich auf das, was Sie entwickelt und neu für sich gefunden haben und bleiben Sie dabei. Sie werden sehen, dass sich Positives darin finden lässt.
Das Gefühl, Einfluss auf eine Situation zu haben, mindert Panik. Das Gefühl, handeln zu können, löst Erstarrung. Das Gefühl, Kontrolle zu haben, gibt Sicherheit. Und darum sollte es gehen, damit es uns und unseren Familien in der Pandemie gut geht.
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