In den Medien steigen die Meldungen über Impfdurchbrüche. Krankenhäuser vermelden vermehrt geimpfte Patienten und in Impfdebatten kommt häufiger das Argument "aber auch Geimpften liegen auf der Intensivstation, teilweise sogar in der Überzahl, seht her, die Impfung bringt nichts!" Sind die Zahlen über den Impfstoff schon überholt? Das RKI und andere Experten sagen: Nein. Die Impfung ist immer noch hoch wirksam. Man weiß aber mittlerweile, dass ihr Schutz mit der Zeit abnimmt und eine Auffrischimpfung nötig ist. Dies hier soll kein wissenschaftlicher Artikel sein. Mehr eine Anleitung, um die Effektivität der Impfungen aus den aktuellen Daten, mithilfe eines Taschenrechners (oder einer Tabellenkalkulation) berechnen zu können. Ich bin Ingenieur und Zahlen sind mir sympathisch. Ich vertraue den Fachleuten, wenn sie eine Empfehlung abgeben, trotzdem möchte ich verstehen wie die Zahlen und Aussagen zustande kommen.

Impfungen und Impfdurchbrüche

Das RKI liefert in seinen Wochenberichten auch Zahlen über die Impfungen, die Fallzahlen und die Impfdurchbrüche. Hier die aktuelle Tabelle aus dem Lagebericht vom 18.11.2021.

Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) - Stand 18.11.2021

Gezeigt werden die aufsummierten Fallzahlen der letzten vier Wochen, unterteilt in drei Alters- und vier Fallgruppen. Symptomatische, hospitalisierte, auf ITS betreute und verstorbene Fälle werden ausgewiesen. Es werden jeweils die absoluten Zahlen und der Anteil der Impfdurchbrüche angegeben. Dies lässt sich nutzen, um die Effektivität der Impfung zu berechnen.

Das RKI berechnet die Impfeffektivität mit der Screening-Methode nach Farrington. Dazu wird der prozentuale Anteil an Impfdurchbrüchen und die Impfquote der Altersgruppe benötigt. (Die Herleitung gibt es am Ende des Textes)

Gleichung der Impfeffektivität

Die Berechnungen werden exemplarisch an Altersgruppe der 60+-Jährigen gezeigt.
Das RKI gibt in der o. g. Tabelle an, dass 61,6 % der symptomatischen COVID-19-Fälle wahrscheinlich Impfdurchbrüche sind. In den Krankenhäusern wird ein Anteil von 44,8 % und auf der Intensivstation immer noch 37,8 % der COVID-19-Fälle mit Impfdurchbruch behandelt. Mit mehr Impfdurchbrüchen wächst die Verunsicherung: Schützt die Impfung nicht so gut wie angegeben?

In Deutschland leben 83,155,031 Millionen Menschen, 24,089,773 Millionen davon in der Altersgruppe 60+ Jahre (Quelle). Die Impfquote liegt in dieser Gruppe bei 85,8 %. Damit sind 20,669,025 Millionen Menschen 60 Jahr und älter mit einer doppelten Impfung geschützt. Nicht geimpft sind dagegen 3,420,748 Millonen. Der Anteil geimpfter Personen ist also ca. 6-mal so hoch.

Faktor zwischen geimpften und ungeimpften Menschen in der Altersgruppe 60+ in Deutschland

Das bedeutet, dass nur ca. 61.6 % der symptomatischen Fälle aus einer 6-mal so großen Gruppe entstammen. Es ist also eine Tatsache, dass es ein Unterschied macht, ob jemand geimpft ist oder nicht. Selbst eine niedrigere Testquote bei Geimpften, die sich bei symptomatischer Erkrankung auch testen lassen, erklärt nicht solch einen Unterschied. Bei den hospitalisierten, den auf der ITS betreuten und bei den verstorbenen Fällen sehen die Zahlen ähnlich aus. Die Frage lautet konkreter: Wie effektiv ist die Impfung denn nun genau?

Für die Berechnung der Impfeffektivität und setzt man den Impfquotienten der zu untersuchenden Altersgruppe (85,8 %) und den Anteil an Impfdurchbrüchen der die o. g. Gleichung ein (61,6 %). Merke: 100 % = 1 und z. B. 66 % = 0,66.

Impfeffektivität gegenüber einem symptomatischen Verlauf

Das bedeutet, dass Geimpfte zu 73,45% weniger wahrscheinlich symptomatisch an COVID-19 erkanken, als Ungeimpfte. Anders herum ausgedrückt, haben Geimpfte nur eine relative Wahrscheinlichkeit von 26,55%, verglichen mit Ungeimpften, symptomatisch zu erkranken. Diese haben ein fast 4-fach höheres Risiko.

relative Wahrscheinlichkeit eines symptomatischen COVID-19 Verlaufs

Letztes Jahr lauteten die Meldungen, dass die Impfung über 90 % schütze. Nicht immer wurde dort angegeben, dass hier der Schutz vor einem schweren oder tödlichen Verlauf gemeint ist. Die Effektivitäten der Impfung, aus den Daten gerechnet, gegenüber diesen COVID-19-Verlaufsformen lauten:

  • Die Effektivität gegenüber einer Behandlung im Krankenhaus ist 86,56 %:
Impfeffektivität gegenüber Hospitalisierung

Das bedeutet, dass im Falle einer Infektion Geimpfte nur 13,44 % des Risikos Ungeimpfter tragen, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen. Somit haben Ungeimpfte ein 7,44-fach höheres Risiko dafür.

  • Die Effektivität gegenüber einer Behandlung auf der ITS ist 89,94 %.
Impfeffektivität gegenüber ITS-Behandlung

Hier bedeutet es, dass im Falle einer Infektion und Hospitalisierung Geimpfte nur 10,06 % des Risikos Ungeimpfter tragen, auf der Intensivstation behandelt werden zu müssen. Somit haben Ungeimpfte ein 9,94-fach höheres Risiko.

  • Die Effektivität gegenüber dem Versterben ist 88,02 %.
Impfeffektivität gegenüber dem Tod

Hier bedeutet es, dass im Falle einer Infektion und einer Hospitalisierung Geimpfte nur 11,92 % des Risikos Ungeimpfter tragen, daran zu versterben. Somit haben Ungeimpfte ein 8,38-fach höheres Risiko.

Ingesamt ist also eine sehr hohe Effektivität gegenüber allen beschriebenen COVID-19 Fällen zu erkennen. Die Abnahme der Impfeffektivität über die Zeit ist in die Empfehlung zu einer Auffrischimpfung (Booster) eingeflossen. Trotzdem schützt der Impfstoff auch aktuell mit einer hohen Effektivität.

In folgender Tabelle sind die Ergebnisse aller Altersgruppen dargestellt. Man sieht, eine durchaus sehr hohe Effektivität gegenüber allen schweren Verläufen.


Die Herleitung der Gleichung des relativen Risikos bzw. dann der Impfeffektivität:

Am Ende steht die Gleichung für die relative Wahrscheinlichkeit, als Geimpfter zu Erkranken gegenüber dem Ungeimpften = p(G)/p(U).