Auch wenn die westlichen Produkte zumeist auf höchstem Niveau produziert werden, so sind sie doch sehr verletzlich bei den Lieferketten. Eskaliert der Handelskrieg zwischen Ost und West kann uns die riskante strategische Abhängigkeit aufs Neue vor Augen geführt werden.

In Europa wird die amerikanische Sicht auf die Lieferketten meistens mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen. Man findet die Befürchtungen übertrieben. Die nationale Sicherheit sei nur ein Vorwand für Protektionismus und Industriepolitik, meint man hierzulande. Doch seit der Corona-Pandemie wurde uns vor Augen geführt, wie sehr wir von Produkten aus China abhängig sind (Schutzmasken, Schmerzmittel, Computer). Wir können zwar tolle Handys zusammenbauen (lassen), ohne seltene Erden aus Asien gehen bei uns aber die Lichter aus. Die seltenen Erden sind eine Reihe von besonderen Metallen, die zwar nicht selten sind, aber zu 90 Prozent in chinesischer Hand und defakto in allen technischen Gadgets vonnöten. Es gibt sie weltweit, doch die Chinesen sind Meister im Abbau. So wie man aus Erdöl erst durch Raffinerien Benzin und Diesel bekommt, so müssen auch diese Rohstoffe nicht nur extrahiert, sondern auch verhüttet und verschmolzen werden. Diese Vorgänge verpesten die Welt, weil sie extrem energieintensiv sind. Das wollen wir Europäer bestimmt nicht, schließlich soll bei uns die Energieressource geschont werden und die CO2-Bilanz somit geschönt.

Ohne China geht nichts

Das Auslagern bringt also saubere Luft, aber eine riskante  strategische Abhängigkeit. Denn so gut wie alle moderne militärische Ausrüstungsgegenstände brauchen China. Ohne China geht gar nichts, einem Land, das ein wichtiger Verbündeter Russlands ist, die beiden größten Autokratien der Welt. Selbst wenn das Thema strategische Abhängigkeit ganz oben auf der Agenda stünde, vergingen mindestens 15 weitere Jahre bis eine Mine für seltene Erden produziert. Auch in Norwegen und Schweden gibt es viele Vorkommen. Bis diese gefördert werden können, dauert es noch länger. Der Fokus auf die Vorkommnisse in der Ukraine sind da näher und zeigen auch, dass dieser Konflikt auch ein Konflikt um Rohstoffe ist.  Sollten also Konflikte, die seit Jahren brodeln (Ukraine ist bereits in vollem Gange; Taiwan/Süd-Ostchinesische See seit Jahrzehnten aktuell und seit zehn Jahren brandaktuell) nicht auf der Agenda ganz oben stehen, eskaliert der nächste Konflikt aufgrund mangelnder Vorbereitung.

Spionage hüben wie drüben

Immer mehr wird auch online bezahlt. Spionage ist dabei ein großes Problem. Und zwar von beiden Seiten, sowohl vom Westen, als auch von China und Russland. Ein amerikanischer Geheimdienstbericht von 2010 beschreibt, wie die NSA damals regelmäßig Router, Server oder andere Netzwerkgeräte vor der Auslieferung ins Ausland abgefangen und mit einer Hintertüre ausgestattet hat. Wie der britische „Guardian“, gestützt auf das von Edward Snowden publizierte Dokument, schreibt, erlauben die installierten Komponenten der NSA den Zugriff auf die Geräte.

Die chinesische Firma Shanghai Zhenhua Heavy Industries (ZPMC) hat bei Containerkränen in den USA einen Marktanteil von 80 Prozent und ist auch Weltmarktführer. Es besteht der Verdacht seitens der USA, dass die Kräne aus China über das Internet ferngesteuert werden können. Das an sich wäre bei Störungen und Wartungsarbeiten auch sinnvoll. Allerdings erlaubt es der Herstellerfirma auch Informationen über die Container zu sammeln und die Kräne bei Bedarf einfach auszuschalten. Offensichtlich gibt es auch technische Installationen mit Mobilfunkmodems, die derlei Fernzugriff ermöglichen sollen. Diese Gerätschaften wurden bei einigen Kränen gefunden und ermöglichen die Diagnose der Container und die Möglichkeit der Abschaltung, so der US-Kongress in einem Bericht zu einem Untersuchungsausschuss. Die USA sind der Meinung, dass ZPMC seine marktbeherrschende Stellung im Kranbereich vor allem dank billiger chinesischer Arbeiter und subventioniertem Stahl zu billigst Preisen anbieten konnte. Die maritime Logistik ist jedenfalls ein verletzliches Element der Wirtschaft. Auch militärische Streitkräfte mit ihren Stützpunkten und Einsätzen weltweit sind auf gut funktionierende Häfen angewiesen. Ebenso ist bei einem etwaigen militärischen Konflikt mit Taiwan (Marktführer Im Chipbereich) die Unterstützung der USA und Europa auf den Schiffsverkehr angewiesen. Durch Spionage wäre die militärische Stärke einsehbar, oder künftige geplante Operationen vorhersehbar.

„Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor“ ist ein Sprichwort das es auf den Punkt bringt. Der Westen befindet sich in zahlreichen Konflikten. Nicht alle sind gleich auf den ersten Blick ersichtlich. Zu verflochten sind wirtschaftliche, militärische und zivile Bedürfnisse. Doch wie soll sich der Westen für den Krieg rüsten, wenn er einerseits die Abhängigkeiten nicht als solche als Problem wahrnimmt (Europa) und andererseits, wenn er dabei von denen abhängig ist, die ihn bedrohen?

Mag. Dr. Wolfgang Glass (1980) studierte Politikwissenschaft an der Uni Wien und arbeitete als Personalvermittler und Firmenaquisor. Seit 2022 fährt er hauptamtlich als Sanitäter in Wien. www.glassiker.wordpress.com