Eine jüngste Umfrage der Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaft (GWUP) zeigt, dass ein Drittel der Deutschen glaubt, dass Homöopathie so gut wirkt wie konventionelle Medizin. Für kritische Denker und Menschen, die was von Evidenz halten, sollte das vielleicht ein alarmierend hoher Prozentsatz sein. Dennoch muss man ihn als einen Erfolg bewerten. In den meisten Befragungen der vergangenen 20 Jahre hatten die Homöopathie nämlich noch bis zu drei Viertel der Deutschen überzeugt.

Das Urteil über alternative Heilverfahren insgesamt fällt gemäß der neuen Umfrage ganz ähnlich aus: Nur noch 35 Prozent der Befragten möchten, dass Alternativmedizin zusätzlich zur modernen Medizin eine Rolle in der Versorgung spielt. In dieser Erhebung hat KANTAR 2009 Personen ab 14 Jahren von März bis April 2021 befragt.[1]

„Es ist ein gutes Zeichen für die Gesundheitsversorgung, wenn zwei Drittel der Bevölkerung dubiose Heilmethoden ablehnen. Die Erfahrungen aus der Pandemie zeigen, dass wir Krankheiten nur mit Wissenschaft und moderner Medizin bekämpfen können“, sagt Amardeo Sarma, Vorsitzender der GWUP. „Ich freue mich über das Ergebnis, denn es unterstreicht auch die Wirkung unserer Aufklärungsarbeit. Ich bin überzeugt, dass wir damit Menschen bei wichtigen Entscheidungen helfen, Unsicherheit nehmen und nicht zuletzt Leid verhindern, das durch falsche Behandlungen entsteht.“

„Für mich bedeutet die sinkende Zustimmung zur Homöopathie, dass es sich lohnt, öffentlich zur Wissenschaft zu stehen und sich von Industrie-Interessen nicht mundtot machen zu lassen. Weniger Globuli bedeutet für Patientinnen und Patienten mehr gute Medizin, die wirklich wirkt“, meint die Ex-Homöopathin Dr. Natalie Grams zu den ermutigenden Daten.

Ein guter Grund also, zu jubilieren? Ja, vielleicht. Aber das kritische Denken sollte man selbst bei seinen eigenen Umfragen nicht ganz vergessen. In der Alternativmedizin gibt es unglaublich viele Umfragen[2], und viele davon sind wertlos oder sogar irreführend.[3] Das hat mehrere Gründe; hier sind nur drei davon:

  1. Es fehlt eine akzeptierte Definition dessen, was abgefragt wird. Es gibt keine allgemein akzeptierte Definition von Alternativmedizin, und selbst wenn die Forscher bestimmte Therapien ansprechen, stoßen sie auf große Probleme. Viele Verbraucher verwechseln z.B. Homöopathie mit Pflanzenheilkunde.

  2. Die Methodik, die für solche Umfragen verwendet wird, ist oft nicht validiert. Das bedeutet, dass wir nicht sicher sein können, ob sie tatsächlich das bewerten, was beabsichtigt war. Wir alle wissen, dass die Art und Weise, wie wir eine Frage formulieren, die Antwort beeinflussen kann. So ist es zu erklären, dass solche Umfragen regelmäßig zu enormen Widersprüchen führen. Als Beispiel fällt mir hier eine jüngste Publikation ein, die zeigt, dass 6.5% aller europäischen Patienten mit Schmerzen am Bewegungsapparat Homöopathie einsetzen.[4]

  3. Viele Umfragen haben eine niedrige Rücklaufquote; oft wird die Rücklaufquote nicht einmal angegeben oder ist sogar den Untersuchern unbekannt. Das heißt, wir meist wissen nicht, wie Verbraucher, die nicht antworten wollten, geantwortet hätten. Oft besteht der Verdacht, dass diejenigen, die eine bestimmte Einstellung haben, geantwortet haben, während diejenigen, die diese Einstellung ablehnen, nicht geantwortet haben. Diese Selbstselektion muss zwangsläufig zu falschen Ergebnissen führen.

Inwieweit diese häufigen Fehlerquellen in Umfragen zur Alternativmedizin auf die neue Befragung zutreffen, kann ich nicht beurteilen. Ich gehe jedoch davon aus, dass die GWUP so etwas weit besser im Griff hat, als die vielen Pseudowissenschaftler, die derartige ‚Forschung‘ einsetzen, um Werbung für ihre dubiosen Verfahren zu machen. Schließlich gibt es in dieser Gesellschaft keinen Mangel an kritischen Denkern.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich beglückwünsche die deutsche Bevölkerung zu ihrer wachsenden Skepsis gegenüber Schlangen Öl Verkäufern.

WEITER SO!


  1. GWUP - Die Skeptiker - Alternativmedizin verliert Zuspruch in der Pandemie ↩︎

  2. Ernst E. Prevalence surveys: to be taken with a pinch of salt. Complement Ther Clin Pract. 2006 Nov;12(4):272-5. doi: 10.1016/j.ctcp.2006.06.003. Epub 2006 Oct 2. PMID: 17030299. ↩︎

  3. Survey-mania in alternative medicine: a fruitless, misleading and counter-productive distraction (edzardernst.com) ↩︎

  4. Homeopathy is far too popular amongst older adults with musculoskeletal pain (edzardernst.com) ↩︎

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