It's the economy, stupid!

Man  kann durchaus sagen: Putin hat noch diesen Winter und den nächsten Sommer, das mit der Ukraine geregelt zu kriegen. Gelingt es nicht, den Westen entscheidend zu destabilisieren, dann wird es bald finster aussehen. Im Winter 2023/24 wird die EU ihre Energieversorgung von Russland unabhängig gemacht haben und nicht mehr erpressbar sein. Für diesen Winter planen auch die neoliberalsten Regierungen massive Hilfspakete und sind bereit, notfalls erheblich in Märkte einzugreifen. In Deutschland haben grüne Regierungsmitglieder bereits signalisiert, auch Fracking und Laufzeiten von Atomkraftwerken seien unter den gegebenen Umständen keine heiligen Kühe für sie. Verkürzt könnte man sagen: Kommt der Westen gut durch den Winter, ist Putin Toast. Oder Russland eine Kolonie Chinas.

Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht, aber sie reimt sich zuweilen. Nach der ersten Ölpreiskrise 1973 (die mit den autofreien Sonntagen in Westdeutschland) kam es im damaligen 'Ostblock' zu einem Wirtschaftsaufschwung. Weil die Scheichs den Ölhahn zugedreht hatten, exportierte die Sowjetunion ihr teureres Erdöl in westliche Länder und zu Sonderkonditionen im Rahmen der gegenseitigen Wirtschaftshilfe in sozialistische Bruderländer. Die DDR machte gute Geschäfte damit, das für sie günstige Sowjetöl zu Weltmarktpreisen weiterzuverkaufen und begann die Wirtschaft nach westlichem Vorbild von Kohle auf Erdöl und  Erdgas umzustellen. Weil der Lebensstandard spürbar stieg und die Bevölkerung zufriedener war, kam es zu einer Phase politischen  Tauwetters.

Damit war es 1979 wieder vorbei. Zwar kam es wegen der Iranischen Revolution zu einer zweiten Ölpreiskrise, von der die Sowjetunion aber nicht mehr profitieren konnte. Weil westliche Länder die Zeit genutzt hatten und dieses Mal vorbereitet waren. Es hatte Energiesparkampagnen gegeben, Hausbesitzer bekamen Isolierfenster teilsubventioniert, sparsamere Autos wie er VW Golf kamen auf den Markt, heimische Kohle und der Einbau von Brikettheizungen wurden gefördert. Vor allem hatten westliche Länder ihre Ölversorgung auf eine breitere Basis gestellt, unter anderem, indem man ab 1974 begann, die Ölfelder in der Nordsee zu erschließen.

Der Ostblock rutschte in eine schwere Wirtschaftskrise, von der er sich bis 1989 nicht mehr erholte. Während Abermilliarden in das aberwitzige Wettrüsten mit der NATO  flossen, wurden Investitionen auf Eis gelegt. Industrie und Infrastruktur gammelten zusehends vor sich hin, die Warteschlangen vor den Lebensmittelgeschäften wurden immer länger. Hinzu kam ab 1979 der äußerst unpopuläre Krieg in Afghanistan, 1986 die Katastrophe von Tschernobyl. In der DDR verpestete man die Luft mit minderwertiger Braunkohle und holte eine Zeitlang sogar die alten Dampfloks wieder aus der Mottenkiste. Die Schere zwischen Lebensstandard Ost und Lebensstandard West öffnete sich wieder, die Bevölkerungen wurden unzufriedener, die Staaten reagierten mit Repression. Der Rest ist bekannt.

Schlimmer noch für Russland, werden Ukrainekrieg und ausbleibende Gaslieferungen im Westen einen Modernisierungsschub auslösen: Man wird ernst machen mit  erneuerbarer Energie und Mobilitätswende, um von fossilen Brennstoffen möglichst unabhängig zu werden, und wegen der Waffenlieferungen an die Ukraine via Ringtausch renovieren die mittel- und osteuropäischen NATO-Länder ihre Armeen einmal komplett durch.






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