Die Moderne, die Epoche welche aus der Aufklärung hervorging, war ohne Zweifel die Epoche grössten wissenschaftlichen und technischen Fortschrittes in der Menschheitsgeschichte. In keinem anderen Moment der menschlichen Entwicklung könnte man über eine Spanne von etwa zweihundert Jahren die Momentaufnahmen vergleichen, und solche ganz und gar unterschiedliche Welten auffinden, wie zwischen heute und 1820, eine Zeit, in welcher es kein elektrisches Licht, keine Automobile und erst recht keine Flugzeuge, keine Radios, Computer oder Fernseher gab, wie auch keine Antibiotika oder moderne medizinische Therapien. Das 19. und das 20. Jahrhundert waren die Kulmination des Verständnisses über Naturwissenschaften, welches wiederum durch das in der Aufklärung ergründete rationale Denken drastisch vorangetrieben wurde, und in einer exponentiellen Entwicklung von Wissenschaft und Technik mündete.
Heute scheint diese Entwicklung inzwischen allerdings merklich verlangsamt. Einerseits durch das, was wir mit einem Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs gleichstellen können, worin ab einem gewissen Moment die weitere Entwicklung mehr Aufwand für weniger Ertrag benötigt. Aber auch, weil der Zeitgeist der Postmoderne, welche aus den Ideen des Poststrukturalismus hervorging, die Menschheit dazu führt, sich selber Steine in den Weg zu legen, indem eben diese Grundsätze, welche die Moderne definierten, nicht mehr akzeptiert werden.
Einer dieser Grundsätze der Aufklärung war es, zu versuchen, die Realität für das zu erkennen, was sie ist. Das ist einfacher gesagt als getan: Erst die wissenschaftliche Methode bzw. der Empirismus, bot eine universelle Methode dazu, setzte aber auch voraus, dass die Resultate akzeptiert werden, auch wenn diese womöglich gegen herrschende Auffassungen gingen. Vielleicht ist es die Hybris, so viel in so kurzer Zeit erreicht zu haben; der Gedanke, dass jetzt alles schon entdeckt und erfunden und studiert wurde; oder ein anderer Grund, dass inzwischen eine solche Entwicklung von Auffassungen sehr schwierig und kontrovers geworden ist, und sobald eine Auffassung vorherrscht, wird diese von einer Horde von selbsternannten Wahrheitshütern gegen jegliche Widerrede verteidigt.
Ein anderer solcher Grundsatz war es, dass jeder Mensch als gleichwertig gelten sollte, wobei gleichwertig nicht dasselbe wie „gleich“ ist. Dieser Gedanke wird heute oftmals nicht verstanden, da das Bewusstsein über die Ständeordnung, welche jede Person einem Stand zuordnete und seine Zukunft und Chancen im Leben hierdurch definierte, nicht mehr weit verbreitet ist. So ging es also mit dieser Idee darum, dass jeder Mensch sein eigenes Schicksal einschlagen dürfte, aber dass dieses folglich auch von seinen Taten und somit von seinem Potential abhängig sei. Anders gesagt, bedeutete dies, dass jeder die selbe Chance bekommen sollte, und sich folglich immer und überall die mit der höchsten Leistung durchsetzen würden, was zu einer wahrhaftigen Meritokratie führte (wenngleich diese nicht immer makellos war). Auch dieser Grundsatz wird heute mehr und mehr als anstössig empfunden, wenn die Resultate dieses „Wettbewerbs“ des menschlichen Schaffens nicht gleichmässig verteilt sind, wenn Menschen von gewissem Geschlecht, Hautfarbe oder Herkunft unterschiedliche Erfolge erzielen. Die sog. Quoten sind sicherlich die endgültige Kapitulation gegenüber diesem Konzept der Gleichwertigkeit des Menschen, und sie bedeuten auch, dass nicht mehr die Leistung ausschlaggebend ist. Aber auch die schamlose Akzeptanz von Eigenvermarktung, Geselligkeit oder Charisma als Faktoren für die Erteilung besserer Chancen untergräbt das Ideal der Gleichwertigkeit (wobei, erneut, diese Faktoren zweifelsohne immer eine Rolle gespielt haben, jedoch durch die Verschmähung solcher Betrachtungen diese in ihrer Bedeutung begrenzt wurden).
Überhaupt ist Schamlosigkeit sicherlich ein Wort, dass bei Betrachtung der postmodernen Gesellschaft unweigerlich in den Sinn kommt. Während der Wert von Bildung, Kultur oder Umgangsformen immer weiter schwindet, treten dafür niedere Ideale wie Raffgier, Wollust, Egozentrismus, Dekadenz, Hedonismus, usw. in den Vordergrund. Dies ist schliesslich gleichbedeutend mit der menschlichen Trägheit, sich nicht bessern, steigen, überwinden zu wollen. Folglich schwindet auch in der Gesellschaft als Ganzes dieses Verlangen. Stattdessen erleben wir sog. spätkapitalistische Phänomene: unnütze Produkte die stattdessen durch aggressives Marketing verkauft werden, Menschen die sich en masse über das Internet verhuren, Wohnraum der als Touristenunterkunft zweckentfremdet wird, programmierte Obsoleszenz oder die zur Götzenanbetung erhobene Konsumkultur. Ein Bild kursiert von der Präsentation einer Softwarefirma, wo auf der Leinwand zu lesen ist: „Mach Kunden zu Fanatikern; Produkte zu Obsessionen; Mitarbeiter zu Botschaftern; und Marken zu Religionen“.
Wenn der elementare Gedanke der Aufklärung der war, die Realität für das zu erkennen, was sie ist, so ist der Gedanke der Postmoderne die Realität so zu konstruieren, wie man sie möchte. Auch das ist vielleicht nur die arrogante Weiterentwicklung des Konstruierens der Welt, etwas wonach der Mensch seit Anbeginn der Zivilisation nachgegangen ist, und was durch den Fortschritt immer weitreichender möglich wurde, als dass man nun auch die Realität selber nach Lust und Laune formen möchte. Faktenchecker, Zensur, Gender-Sprache, Bildbearbeitung, Frauenquoten, Soziale Medien, Geschlechtsumwandlungen, sind alles Phänomene die, obgleich sie völlig unterschiedlich sind, die Gemeinsamkeit haben, eine Realität konstruieren zu wollen, anstatt die existierende Realität anzuerkennen. Doch wo der Mensch die Fähigkeit erlangt hat, die Welt nach seinem Begehren zu formen, so hat der Mensch keinen Einfluss auf die Realität, und kann die Tatsache, das Zwei und Zwei Vier machen einfach nicht ändern, egal wie sehr man darauf pocht, dass dies Rassistisch und teil von Imperialistischem Gedankengut sei (was in diesem spezifischen Fall leider nicht einmal Satire ist).
Wenn also die Verneinung der Realität, im nichtigen Versuch diese durch den Mensch zu formen, sich im Zeitgeist festsetzt, so wird die Erkenntnis von Realität nicht mehr möglich, und entsprechend auch der Fortschritt in unseren Kenntnissen der Naturwissenschaften (was schliesslich nichts anderes ist, als die Erkenntnis von Realitäten) und der Entwicklung der Technologie und der Wissenschaft, welche ebendiese Erkenntnisse voraussetzen. Wenn Realitäten geleugnet werden, ähnlich wie dass Zwei und Zwei Vier sind aber auf komplexeren Ebenen die nicht mehr aufs Erste derart offensichtlich sind, weil sie nicht in das gewünschte Realitätskonstrukt passen, so wird sich die Realität folglich nicht anpassen. Ein beträchtlicher Teil unserer Wissenschaft und Forschung ist inzwischen daran, sich hieran die intellektuellen Hörner abzustossen, mit konsequent nichtigen Resultaten. Forscher die uns dann sagen, Geschlecht sein ein soziales Konstrukt, wie viele Grad die Erde sich erwärmen wird, wenn wir nicht aufhören Fleisch zu essen, dass es rassistisch ist, wenn weisse Menschen Rasta-Frisuren tragen, oder dass Diederich Heßling aus Manns „Der Untertan“ heute ein Querdenker gewesen wäre und nicht ein dem Mainstream folgender Konformist. Allesamt gefördert von den von Steuerzahlern finanzierten Institutionen für höhere Bildung.
Es ist kein Zufall, dass wir heutzutage in allen möglichen Ebenen Konflikte und Störungen erleben, sei dies die Unfähigkeit, die Stromversorgung zu gewährleisten; die haltlose Eskalation von militärischen Konflikten; die Verfolgung kritischer Stimmen (ganz im Sinne von Tucholsky: „In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht“); die hirnrissige Wirtschaftspolitik von endloser Quantitativer Lockerung („quantitative easing“); sog. „cancel culture“; usw., usf.. Und ebenfalls ist es kein Zufall, dass sich eine bedeutende Minderheit mit Vehemenz gegen diese Situationen ausspricht und mit grosser Aggressivität entgegengenommen wird, denn es ist zumeist eine Minderheit, die noch des rationalen Denkens mächtig ist und der Absicht nachgeht, die Realität zu erkennen, und folglich zumindest in gewissem Mass die Realitätsfremdheit im Ursprung dieser Situationen erkennt; wobei die Reaktion aggressiv ausfallen muss, weil diese Situationen einer logischen Rechtfertigung entbehren. Es sind Dogmen, die einem Konstrukt von Realität obliegen, und die folglich nicht durch eine geteilte, nachvollziehbare Erkenntnis überzeugen können.
All das macht den Fortschritt, so wie wir ihn über die letzten Jahrhunderte gekannt haben, nur noch sehr begrenzt möglich. Die Postmoderne wird zu einem dunklen Zeitalter, in gewisser Hinsicht dunkler noch, als die Zeit vor der Aufklärung, denn es sind gerade die geistigen Errungenschaften der Moderne welche nun pervertiert werden können.