Nachdem eine UN-Analyse aufzeigt, wie die Welt versagt, den Klimawandel zu bekämpfen, steht Australien verstärkt im Kreuzfeuer der Kritik. Das Land will seine ohnehin schwachen Emissionsziele bis 2030 bisher nicht aufbessern. Der Druck aus dem Ausland, aber auch von Forschern im Land wächst.
Fragt man Regierungsvertreter, so läuft es bestens mit Australiens Klimapolitik. Erst Ende Februar tat dies der australische Botschafter in Österreich, Richard Sadleir, beispielsweise in der Wiener Zeitung kund. „Australien dürfte seine Emissionsziele übertreffen“, lobte Sadleir sein Land in einem Gastkommentar. Australien würde „Klimaschutz mit Technologie und Resilienz“ betreiben, so der Diplomat.
Den Klimaforscher Simon Bradshaw ärgern solche Aussagen: Australien habe sich „sehr schwache Ziele gesetzt“ und sich dabei „auf eine Vielzahl von Tricks“ verlassen, um diese zu erreichen, ist seine Meinung. Ob Australien sein derzeitiges, „viel zu niedriges“ Ziel erreicht, die Emissionen bis 2030 um 26 bis 28 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken, ist in den Augen Bradshaws „zweifelhaft“.
Laut der Organisation Climate Action Tracker hat der Rückgang der Wirtschaftstätigkeit in Australien während der Pandemie zwar vorübergehend zu niedrigeren Emissionen geführt, doch eine wirksame Klimapolitik fehlt dem Land nach wie vor. Dabei ist das Potenzial groß: Australien ist ein „Powerhouse“ der regenerativen Energiequellen – mit Sonnen-, Wind-, Gezeiten, Wellen- und geothermischer Energie. Südaustralien beispielsweise deckt schon heute 60 Prozent seines Strombedarfs aus Wind und Sonne ab. Bis 2030 sollen die 100 Prozent erreicht werden.
Gas als „Übergangsenergie“
Doch auf Bundesebene sträubt man sich, auf erneuerbare Energien umzurüsten. Im vergangenen Jahr hat die australische Regierung Gas als „Übergangsenergie“ für eine emissionsärmere Zukunft nominiert – einen fossilen Brennstoff, um von den fossilen Brennstoffen Abschied zu nehmen. Außerdem signalisieren Regierungspolitiker weiterhin ihre Unterstützung für den Kohlebergbau. Australiens Premierminister Scott Morrison ist dafür bekannt, dass er einst ein Stück Kohle mit ins Parlament brachte, um den Rohstoff zu bewerben.
Eine UN-Analyse, die Ende Februar veröffentlicht wurde, zeigt auf, dass die Welt insgesamt bisher dabei versagt, den Klimawandel zu bekämpfen. Von 196 Mitgliedern des Pariser Weltklimaabkommens haben bisher nur 75 Länder verbesserte Klimaziele für das Jahr 2030 präsentiert. Und diese vorgelegten Pläne senken das globale CO2 bis 2030 nur um etwa ein Prozent gegenüber 2010. Nötig wären aber 45 Prozent, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Australien ist bei Weitem nicht das einzige Land, das bis 2030 wenig ambitionierte Ziele hat. In der Asien-Pazifik-Region verdienen auch Japan, Südkorea und Neuseeland eine Rüge. Doch diese Länder haben sich zumindest für 2050 Netto-Null-Emissionsziele gesetzt. Selbst China will dieses Ziel bis 2060 erreichen. Australiens Regierungschef Scott Morrison versucht dagegen, sich aus der Situation herauszuwinden, ohne ein festes Zugeständnis zu geben. Er hoffe, dass sein Land dieses Ziel „so schnell wie möglich“ schaffe, „idealerweise bis 2050“, sagt er.
Bremse für den internationalen Fortschritt
Der Klimaforscher Bradshaw, der beim australischen Klimarat beschäftigt ist, sieht Australien aufgrund seiner Position inzwischen in eine Außenseiterrolle gedrängt: „Während alle Länder mehr tun müssen, sticht Australien weiterhin als Bremse für den internationalen Fortschritt hervor“, sagt er. „Selbst wenn Australien sein aktuelles Ziel für 2030 erreichen würde, so würden die Pro-Kopf-Emissionen immer noch zu den höchsten der Welt gehören.“
Doch in großen Teilen des Landes, vor allem in Queensland, dominieren nach wie vor die mächtigen Bergbaukonzerne. Der Geschäftsmann Clive Palmer plant dort gerade eine Kohlemine in der Nähe des Great Barrier Reefs – laut Umweltschützern eine Katastrophe für das Riff – sollte sie genehmigt werden. Im gleichen Bundesstaat befindet sich auch die umstrittene Tagebaumine des indischen Rohstoffkonzerns Adani. Sobald sie in Betrieb ist, soll die kontroverse Anlage zehn Millionen Tonnen thermische Kohle pro Jahr fördern. Laut der #StopAdani-Kampagne werden dann jährlich 500 zusätzliche Kohleschiffe durch die Gewässer des Great Barrier Reefs steuern. Wird die Kohle verbrannt, werden 4,6 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre gejagt, haben die Umweltschützer berechnet.
Extreme Wetterereignisse haben sich verdoppelt
Dabei ist Australien auch eines der Länder, das schon heute die Effekte des Klimawandels schmerzlich zu spüren bekommt. Ende Januar zeigte ein Bericht des Klimarates auf, dass sich die Kosten extremer Wetterereignisse seit den 1970er Jahren mehr als verdoppelt haben. Allein in den vergangenen zehn Jahren betrugen sie 35 Milliarden Australische Dollar, umgerechnet fast 23 Milliarden Euro. „Es besteht kein Zweifel, dass wir in eine Ära eingetreten sind, in der wir die Konsequenzen aus jahrzehntelanger Untätigkeit und Verzögerung zu spüren bekommen“, sagte der Hauptautor Will Steffen damals. Der Klimaexperte, der auch für die Australische Nationaluniversität in Canberra tätig ist, führte die verheerenden Brände im Schwarzen Sommer 2019/20, eine langanhaltende Dürre sowie mehrere Massenbleichen am Great Barrier Reef in den vergangenen Jahren auf. Laut Steffen wird der Klimawandel Australier deutlich stärker treffen als Menschen, die in Europa leben. „Im Pazifik ist das Risiko 100-mal höher“, sagte der Experte.
Erst Ende Februar schlugen zudem 38 Forscher von 29 Universitäten und Organisationen Alarm. Sie berichteten im Fachjournal „Global Change Biology“ von 19 Ökosystemen in der Region, die kurz vor dem Kollaps stehen und einen hohen Verlust an Biodiversität erlitten haben. Darunter sind Teile der subantarktischen Insel Macquarie Island, die Gondwana-Nadelwälder Tasmaniens mit über tausend Jahre alten Bäumen, das Ningaloo Reef in Westaustralien, das Murray-Darling-Flusssystem und nicht zuletzt das berühmte Great Barrier Reef.
Copyright Titelbild: © Zhang Fengsheng, Unsplash
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