Katja, was meint eigentlich deine #Autokorrektur?
Hasst du Autos und Menschen, die in Autos sitzen? Das Zweite kann ich deutlich verneinen, weil sich für mich die Nähe zu einem Menschen nicht über die Art seiner Mobilität definiert. Aber ich bin schon sehr bestürzt, wie sehr wir unsere Fahrgastzellen und Autoplätze über die Begegnung mit anderen Menschen und über die eigene Bewegung qua Muskelkraft stellen. Gern erkläre ich dir daher, was ich mit #Autokorrektur meine und was meine Vision, mein Zielbild ist. Fangen wir doch einmal mit diesem Sehnsuchtsort an.
Die Vision meiner #Autokorrektur ist eine kinderfreundliche, barrierearme und entschleunigte Stadt.
Sie hat sich den Stadtraum, den sie zuvor kostenlos oder viel zu billig an geparktes Blech vergeben hat, zurückerobert. Denn #Autokorrektur beginnt definitiv in der Stadt. Hier ist es am leichtesten, weil in den Innenstadtkernen schon Alternativen bestehen und genutzt werden können. Diese bringt #Autokorrektur auch in die Stadtrandlagen und dann immer weiter in die Region. Diese Stadt ist befreit vom privaten PKW, was Autoplätze wieder zu Parkflächen machte, die zugleich helfen, die im Sommer überhitzte Stadt abzukühlen. Der Raum zwischen den Häusern ist lebendig, Nachbar:innen kennen sich und können einander im Alltag helfen. Denn es genügt, wenn ein Mensch eine Bohrmaschine besitzt, wir müssen nur wissen, welcher dies ist.
Diese Städte sind befreit vom Verkehrslärm, Emissionen und dem Kampf um Stadtraum. Die Straßen gehören gewerblich genutzten PKW, Einsatzfahrzeugen, Fahrrädern und Scootern, Rollern. Breite Gehwege laden zum Flanieren ein. Die Wertschöpfung wird vor Ort gehalten. Rückgrat des Verkehrssystems ist der Nahverkehr, mit einer digitalen Plattform, die alle Angebote auch von privaten Mobilitätsunternehmen auffindbar macht. Der:die Kund:in entscheidet, ob sie:er schnell, ökologisch oder günstig unterwegs von A nach B sein möchte.
Belohnt wird lokal emissionsfreie Mobilität wie der Fußweg, die Radfahrt, bepreist werden Mobilitätsformen nach ihrem CO2-Abdruck. Durch Ausschluss der privaten PKW entstand viel Raum für diese inklusive und fair bepreiste Mobilität. Die Bepreisung von Stadtraum und die Rücknahme von Autoplätzen gingen parallel vonstatten, ähnlich der Österreich-Card ist es auch möglich, ein Deutschlandticket für alle öffentlichen Verkehrsformen zu kaufen. Für drei Euro am Tag.
Es ist so, als ob der Stein der #Autokorrektur in den See unserer autozentrierten Welt fällt und konzentrische Kreise zieht. Von der Mitte ausgehend, sich über Deutschland ausbreitend.
Und nein: Der ländliche Raum wird von mir nicht vergessen. Denn ich setze auch dort auf die lokalen Player, die Verkehrsunternehmen. Diese werden oft verlacht, weil sie angeblich immer unpünktlich, dreckig und nicht vorhanden sind. Das stimmt nicht. Ich habe mal diese Karte gezeigt, die Haltestellennähe in Deutschland zeigte.
88 Prozent der Bevölkerung können den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einmal pro Stunde und Richtung zwischen 7 und 17 Uhr nutzen.
95 Prozent der Bevölkerung können in 45 Minuten mit Bus und Bahn das nächstgelegene Zentrum erreichen.
In dünn besiedelten ländlichen Kreisen haben knapp 60 Prozent Zugang zu einem guten ÖPNV-Angebot
Das ist euch immer noch nicht gut genug? Das Auto ist bequemer? Stimmt bestimmt, das ist auch politisch und autoindustriell so gewollt – ergo: Menschgemacht, aus einer Zeit, wo das Auto Wohlstand bedeutete. Vorteil: Menschengemachtes können auch Menschen wieder verändern.
Gern auch mit WUMMS, denn den brauchen wir, wenn wir die Fehler der Vergangenheit ungeschehen machen wollen.
Den Abbau von über 6.000 Schienenkilometern, die Ausdünnung verkehrlicher Angebote jenseits von Städten. Die Stärkung strukturschwacher Räume auch durch tollen ÖPNV.
Nein, dieser wird nicht bis in die letzte Ecke fahren können, für diese letzten Ecken dürfen weiterhin kleine elektrische Autos eine Lösung sein.
Aber: Es STIMMT nicht, dass alle im ländlichen Raum wohnen.
Definition von IGES in Zusammenarbeit mit dem ADAC: Ländliche Gebiete definieren sich durch eine Bevölkerungsdichte von maximal 150 Ew/km² und nehmen etwa zwei Drittel der Fläche Deutschlands ein, auf der knapp ein Fünftel der Bevölkerung lebt.
Vier Fünftel leben also nicht im ländlichen Raum – bzw. strukturschwachen Gebieten.
Pendler:innen-Strecken sind jedoch ein großes Problem. Durch steigende Mieten in den Städten und dem Wunsch nach Ruhe ziehen vor allem immer mehr Familien raus aus den urbanen Räumen. Sie behalten ihre Jobs und verlängern dadurch die Länge der vor allem im Auto zurückgelegten Strecken. Davon sind 1/3 unter fünf Kilometern, 20 Prozent bis zehn Kilometer. Also durchaus Strecken, die mit einem herkömmlichen Fahrrad oder einem Elektrofahrrad gut zurückgelegt werden könnten. Ersatz der Fitnessstudio-Mitgliedschaft inklusive.
Der Arbeitsweg der Deutschen wird also immer länger (durchschnittlicher Weg liegt bei täglich 17 Kilometern für eine Strecke – also eine Weglänge, die nicht begründen kann, dass Elektromobilität immer noch so skeptisch gesehen wird) und die Zahl der Pendler steigt jedes Jahr auf einen neuen Rekordwert: 2018 mussten 19,3 Millionen Arbeitnehmer zu ihrem Arbeitsort fahren. Als Pendler definieren Verkehrsforscher jene Arbeitnehmer, die für ihren Arbeitsort die Gemeinde, in der sie wohnen, verlassen müssen. Menschen, die in einer Großstadt wohnen und arbeiten, werden als Binnenpendler definiert und fallen damit aus der Statistik.
An der Spitze der Stadt und Landkreise steht München. Dorthin pendelten zuletzt 390.000 Beschäftigte. Danach folgten Frankfurt am Main, Hamburg und Berlin.
Die FAZ hat hier eine schöne Seite, die diesen Irrsinn verdeutlicht.
Wir verbringen eine Lebenswoche pro Jahr mit der beruflichen Pendelei.
„Wenn die Menschen weiter fahren müssen, läge es nahe, dass sie statt dem Auto eher den Zug als Fortbewegungsmittel nutzen. Schließlich kann man dort lesen, Musik hören oder schon etwas arbeiten, ohne sich um das Fahren kümmern zu müssen. Dem ist aber nicht so. Im Gegenteil: Immer mehr Menschen nutzen das Auto. In den vergangenen 25 Jahren stieg die Zahl der Autopendler um fast 20 Prozent, während 21 Prozent weniger Menschen zum Pendeln öffentliche Verkehrsmitteln nutzten.Während in den vergangenen 25 Jahren das Auto als Fortbewegungsmittel um fast 20 Prozent zulegte, ging die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln fast analog um gut 20 Prozent zurück.“
„Zwar sind Pendler insgesamt seltener krankgeschrieben, wenn sie jedoch ausfallen, dann steckt häufiger eine psychische Diagnose dahinter als bei Nicht-Pendlern. Die Fehltage wegen Depressionen und anderen psychischen Leiden liegen demnach bei Pendlern fast 11 Prozent höher, bei Frauen sind es sogar 15 Prozent.“
Zahlreiche Untersuchungen belegen inzwischen, dass Pendler häufiger unter Rücken- und Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden und anderen funktionellen Beschwerden leiden. Zudem gibt es Hinweise auf ein erhöhtes Herzinfarkt- und Adipositas-Risiko.
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