Berlin - In der Europäischen Union wächst der Druck zu raschen und umfassenden Strafmaßnahmen gegen die Mitgliedsländer Polen und Ungarn wegen Rechtsstaatsverstößen. Wie die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagausgaben) berichten, fordert die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (SPD), jetzt nicht nur eine umgehende Sperrung von EU-Geldern für beide Länder, sondern verlangt nun auch eine Einschränkung der europäischen Zusammenarbeit mit Polen und Ungarn.
Polen versuche, sich von der gemeinsamen europäischen Rechtsordnung abzukoppeln, in Ungarn schere sich die Regierung nicht um europäische Werte und wolle eine illeberale Demokratie zum Normalzustand erklären, sagte Katarina Barley . "In beiden Fällen bedeutet das faktisch das Ende der Zusammenarbeit in praktisch allen Rechtsbereichen", fügte die Vizepräsidentin hinzu. "Wenn wir uns auf gemeinsames Recht, das vorher von allen, Polen mit eingeschlossen, verabschiedet wurde, nicht mehr verlassen können, dann muss das Konsequenzen haben: Dann kann zum Beispiel niemand mehr aufgrund von Haftbefehlen aus Polen dorthin ausgeliefert werden, den polnischen Behörden können auch keine Datenzugriffe mehr gewährt werden." Barley äußerte sich im Vorfeld eines neuen Rechtsstaatsberichts, den die EU-Kommission am Dienstag vorlegen wird. Darin werden nach Informationen aus Kommissionskreisen erneut schwere Bedenken gegen Eingriffe Ungarns und Polens in Justiz, Medien oder Minderheitenrechte geäußert. Zuletzt hatte die EU-Kommission gegen beide Länder Vertragsverletzungsverfahren wegen der Diskriminierung von Homo- und Transsexuellen eingeleitet, während die polnische Regierung signalisierte, dass sie ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtswidrigkeit der polnischen Justizreform ignorieren will. "Die Kommission muss jetzt unmittelbar handeln und vor allem Ungarn, aber auch Polen EU-Gelder sperren. Sie kann sich wirklich nicht mehr rausreden. Faktisch wird die Lage immer schlimmer, in Ungarn wie in Polen", sagte Barley. Für den ungarischen Regierungschef Viktor Orban sei das Sperren von Geldern "die einzige Sprache, die er versteht." Wichtig sei dabei, dass diese Maßnahmen in erster Linie die Regierungen treffen und nicht die Bevölkerung. Barley machte deutlich, dass sie ein Handeln der Kommission unabhängig von einer angedrohten Klage des EU-Parlaments wegen Untätigkeit erwartet. Barley nannte die Rechtsstaatsverstöße "das größte politische Problem der EU". Am bedrohlichsten sei die Lage in Ungarn: "Viktor Orban ist korrupt. Er und seine Regierung haben an allen Säulen der Demokratie so starke Veränderungen vorgenommen, dass man von demokratischen Verhältnissen in Ungarn nicht mehr reden kann: beim Wahlrecht, bei der parlamentarischen Kontrolle, bei Minderheitenrechten oder der Freiheit von Medien, Wissenschaft und Kultur. Da ist kein Bereich mehr ausgenommen."
Für Ungarn sei jetzt "Alarmstufe Dunkelrot", meinte Barley. "Polen ist sicher Alarmstufe rot, Slowenien orange". In Polen sei die Unabhängigkeit der Justiz der größte Brennpunkt, in Ungarn Korruption und Medienfreiheit.
Foto: Katarina Barley (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
Dann unterstütze dts Nachrichtenagentur jetzt direkt: