Rezensionen zu "Brainspotting"- Uwe Kraus
»Das Buch lebt von der Spannung, dass eine nüchterne und schnörkellose Sprache zur grossen Ausschweifung führt. Der Lektor eines Philosophieverlages fand dafür den passenden Ausdruck ›kalkulierte Wirrnis‹. […] Kraus schreibt ausserordentlich erinnerungsstark und mit einer, wie jeder gute Schriftsteller, groben Teilnahmslosigkeit gegen sich selbst. […] Uwe Kraus formt einen neuen und lakonischen Ton.«
Stefan Gleser, Saarl. Onlinezeitung, 29. Nov 2011, komplett hier.
»[...] Ein starker Text, der durch einige Gedichte von Uwe Kraus ergänzt wird.«
Palatina-Bibliothek, Die Rheinpfalz, 8. Januar 2011
»Da veröffentlichen junge Leute, zum Beispiel Pop-Musiker oder Sportler (meist mit Hilfe eines Ghostwriters) bereits eine Autobiografie, befördert von Verlagen, weil durch die Medien ein gewisser Bekanntheitsgrad garantiert ist, aber haben eigentlich nichts zu erzählen.
Wie anders bei Uwe Kraus, einem jungen Autor aus Kaiserslautern. Kaum ein Leser wird sagen können: so ist das, Ähnliches habe ich auch schon erlebt. Und solche, die eine vergleichbare dramatische Odyssee durch die höllische Welt der Drogen hinter sich haben, können – das wage ich zu behaupten – in der Regel nicht schreiben. Uwe Kraus kann das, zwar nicht, wie wir es gewohnt sind, sondern so, dass sich seine turbulenten, oft am Rande der Selbstvernichtung bewegenden Erfahrungen in seinem Stil widerspiegeln: Zersplitterungen der Syntax mancher Sätze, Breaks, Diskontinuität, und gattungsmäßig eine Mixtur aus Roman, Tagebuch und Bericht, zudem oft quasi lyrische Passagen (im Anhang finden sich auch eine Reihe von Poemen mit Bezug zum Inhalt des Buches).
Was hat er zu erzählen: Eine schier endlose Kette von Drogenexzessen, begleitet von den Spielen des FCK, dem Auf und Ab der Leistungen in der Schule, jedes mal aufs Neue ein verwirrendes Hirnkino, Wahnvorstellungen, Brainspotting: „Man denkt, man könnte durch Leute hindurchdenken, wäre mit ihnen vernetzt. Könnte zu ihren Gedanken vordringen und die eigenen hinzufügen.“ Er glaubt, er sei Shakespeare oder Jesus, „überhaupt schlüpfte ich immer in andere Personen, mal war ich Nietzsche, mal Karl der Große“. Dann die phantastischen Visionen: „Ich sah in den Nächten nach dem Stechapfel übernatürliche Verwindungen von Bäumen, Tore aus Eisen, eine Parklandschaft, in der mich die Pflanzen fressen wollten.“ An anderer Stelle: „Dazu sah ich Wasseradern auf den Schränken. Ich lag da und wusste mir nicht zu helfen. Wer hatte die Schränke verziert?“
Er hört Stimmen wie Woyzeck, spricht mit den Stars von Pink Floyd.
Immer wieder verzweifelte Versuche, festen Boden unter die Füße zu bekommen, etwas durch eine hoffnungsvolle Verliebtheit, erneute Abstürze. Auch leidet er an Folgen von Unfällen mit notwendigen Operationen, dabei vermengen sich Drogen und Medikamente. Auf dem Höhepunkt wird er aufgrund der Symptome von Schizophrenie wiederholt in psychiatrische Kliniken eingeliefert. Schließlich entdeckt er die Literatur, vor allem die Lyrik, liest Neruda, Celan, Benn und Jandl und beginnt selbst Gedichte zu schreiben. Seit dem Sommer 2003 ist er clean.
Erstaunlich, dass er sich bis ins Detail an all die Stationen so genau erinnert! Wie gesagt, führt dieser Text des jungen Verfassers durch eine den Meisten unbekannte Welt mit allen Termini der ausprobierten Gifte: PEP, Speed, Delta-9-Tetrahydrocannabinol, Purple Haze, LSD, LSA, Risperdal, Engelstrompeten und so weiter. Wissenschaftliche Untersuchungen der Drogenproblematik vermögen diese Publikation keineswegs überflüssig zu machen, weil hier aus der Perspektive eines Betroffenen in einer beispiellosen Offenheit berichtet wird. Dazu gehören natürlich auch die nicht abzuschüttelnden Anstifter, die Mittäter, das ganze Umfeld und auch die mehr oder minder hilfreichen Helfer.
Bekanntlich existieren bereits zahlreiche Erfahrungsberichte vom Umgang mit Drogen. Einer der Ersten, der darüber geschrieben hat, ist Bernward Vesper in seinem Buch „Die Reise“, erschienen 1977, worin es allerdings nicht allein darum geht. Weitere Literaturhinweise finden sich im Internet. Das schmälert keineswegs die aktuelle Brisanz von Uwe Kraus' Publikation, besonders auch wegen der Einblicke in die regionale Szene. Lesenswert.«
Gerd Forster in Chaussee, Heft 26/2010
Rezension von Theo Schneider bei SWR2Auszüge:
»Da hat man vor Jahr und Tag die Drogenprosa von [...] Jack Kerouac, von Borroughs und Ginsberg gelesen und denkt, das Thema ist durch. Und ist dann doch verblüfft, wie Uwe Kraus es schafft, in Brainspotting einen ganz eigenen und ganz neuen Ton zu finden – gleich von Anfang an. [...]
In seinem Buch Brainspotting gelingt es Uwe Kraus einerseits die fremden Welten seiner Drogenerfahrungen in bildmächtigen Passagen aufleuchten zu lassen. Andererseits ist er aber weit davon entfernt, die lebensgefährlichen Exzesse nachträglich zu glorifizieren [...]."
Theo Schneider bei SWR2 "Musik & Literatur", 11. Dezember 2010
»Nur wer sich mit Brainspotting auseinander setzt, wird erkennen, dass es sich um ein großartiges Werk handelt, das trotz, beziehungsweise gerade durch Wahnvorstellungen, Verwirrung und die Aneinanderreihung von Realität und Fiktion von Genialität kaum zu übertreffen ist. Mit Brainspotting macht Kraus deutlich, dass die Grenze dazwischen nahtlos ist. Bereits im Zeitalter der schwarzen Romantik wusste man, dass Genie und Wahnsinn oft nicht weit voneinander entfernt liegen." Succultur
»Wer glaubt, dass in der Provinz ›die Welt noch in Ordnung‹ ist, wird nach diesem Buch eines besseren belehrt worden sein.
In dem autobiographischen Buch schildert der Autor, was er so alles an Drogen und Medikamenten eingenommen hat, zum Teil auch ärztlich verordnet nehmen musste. Da ist es erstaunlich, dass er überhaupt noch am Leben ist. Das ganze wird mit zum Teil lakonischem Humor erzählt, etwa in der Kurzbiographie auf Seite 8. Dort heißt es am Ende:
›Das wars
zusammengefasst.
Ich bin dreißig
und stehe immer noch nicht selbständig auf.‹
Wer selbst keine Drogenerfahrungen hat, bekommt hier einen ungefilterten Eindruck, wie sich ein schwer drogenabhängiger Mensch fühlt. [...]
Das lässt für die Zukunft noch auf spannende weitere Texte von Uwe Kraus, vielleicht mit etwas Abstand zur eigenen Biographie hoffen.
Würde der Autor nicht in der Provinz leben, etwa in Berlin, wäre sein Bekanntheitsgrad sicher schon deutlich größer.« A. Benra

Rezension Brainspotting (16.1.2019) von Manuela Bibrach!

Sie war Stipendiatin in Breslau..

Dieses Buch ist ein Trip! „Brainspotting“ wirkt, wenn man es in einem Zug liest, was durch die Kürze des Romans durchaus möglich ist, wie eine Überdosis. Zu viele Drogen für ein einziges Buch. Bereits der Titel verrät, dass es um ein Gehirn im Ausnahmezustand geht. Auf den ersten Seiten ein kurzer biografischer Abriss der Kindheit des Protagonisten, dann im Abi erste Drogenerfahrungen: „Seither ist alles Selters“. Zusammen mit seinen Jugendfreunden Ratte, Jericho und Boris baut der Protagonist Bongs mit Namen wie Enterprise oder Laterna Magica und berichtet blumig von vereiterten Hirnschalen. Dem Gras folgen die erste Paranoia sowie Acid, Amphetamine, Speed, Codein, Koffein und XTC in wechselnder Reihenfolge. Diese turbulente Mischung macht den kreativen Konsumenten irgendwann zum selbsternannten „Unknown Soldier“, und dem Leser wird spätestens in der Hälfte des immer rasanter voraneilenden Romans schwindelig von all den überbordenden Bildern. Eine schwere Erkrankung kommt in Sicht – man diagnostiziert paranoide Schizophrenie. Dies lässt sich als Steigerung dessen lesen, was sich der Protagonist mit seinem Leben auf substanzbefeuerter Überholspur einhandelt. Es folgen ärztlich verordnete Medikamente, die in neu erstarktem Größenwahn freizügig um selbst verschriebene Drogen ergänzt werden und der Höllentrip geht auf einer höheren (oder tieferen?) Ebene weiter. „Jede Woche fuhr ich nach Tripsdrill, um mich vollzudröhnen. Da gab es Pilze im Pudding und Marmorkuchen, Goblin-Tee und Kaba. Zweimal waren wir auch in Holland und nahmen LSA, kochten Passionskraut und die einzige Maschine, die alles aufnahm, blieb ich. Auf PEP und eine Woche vor meiner Meisterschulzeit fuhren wir nach Maastricht, dort wollte ich mir einen Meskalinkaktus kaufen, doch die Dinger waren sauteuer und meine Ehrfurcht hielt mich zurück.“Halluzinationen, Depressionen, immer wiederkehrende psychotische Phasen – Kraus erspart seinem Protagonisten nichts. „Brainspotting“ – eigentlich eine psychotherapeutische Methode zur Traumaverarbeitung – hat für den Protagonisten eine völlig andere Bedeutung: „Brainspotting ist ein Gefühl, das ich nicht richtig einordnen kann. Man denkt, man könnte durch Leute hindurchdenken, wäre mit ihnen vernetzt, könnte zu ihren Gedanken vordringen und die eigenen hinzufügen. Man glaubt, die Welt gehörte einem ganz allein. Ich fühlte mich wie ein Hypnotiseur und sprach durch meine Augen. Ich wollte die Leute wie ein richtiger Schamane beeinflussen. Wie LSD ist das, fremde Gedanken lesen und sich im Stillen mit ihnen unterhalten. Wie sich das anfühlt? Gottgleich. Man kann mit Tieren und Bäumen sprechen, man hört sie reden und nachdenken und beherrscht den Wind.“Wer denkt, das Tempo dieses Trips ließe sich nicht mehr steigern, erfährt auf den folgenden Seiten von gekochten Engelstrompeten, bunt gemischt mit Psychopharmaka wie Haldol, Ciatyl, Lithium und Fluanxol. Spätestens jetzt fragt sich der Leser, wie viele problematische Substanzen man innerhalb kurzer Zeit konsumieren und kombinieren kann, ohne nicht nur psychisch sondern auch physisch zu kollabieren. Konsequenterweise endet alles irgendwann in der Geschlossenen, wo der Protagonist von attraktiven Schwestern „Fliegenpilze“ gereicht bekommt. Wird er sich aus den Fängen seiner Sucht und seiner Krankheit befreien können?„Brainspotting“ gestattet einen kurzen, flackernden Blick in die psychische Hölle eines Drogenabhängigen und Schizophrenen aber es liefert keine ursächlichen Beweggründe für das haltlose Treiben durch wirre Wochen, Monate und Jahre. Der Protagonist wirkt in seiner Getriebenheit einerseits wenig nachvollziehbar, andererseits auch sympathisch verpeilt, selbst in seinem Wahn noch liebenswert und unschuldig. Der ironische Unterton, der den Roman stellenweise zur Humoreske macht, trägt dazu bei, sich innerlich auf den Protagonisten und seine gefährliche Unrast einzulassen. Was treibt ihn, sich und sein Leben derart aufs Spiel zu setzen? Ist es Neugier, Langeweile, jugendlicher Überdruss? Die auf den ersten Seiten stichwortartig zusammengefasste, durchschnittlich wirkende Kindheit gibt wie die gesamte, hochtourig an uns vorbeirasende, völlig übersteuerte Story keine echten Anhaltspunkte für das Abdriften des Protagonisten. So bleibt nach dem Lesen von „Brainspotting“ mehr als eine Frage offen, denn bis zum Ende begleiten den Leser das Verstehen-Wollen und die Sympathie für den scheinbar Gescheiterten. Emotionslos lässt sich „Brainspotting“ jedenfalls kaum lesen.

Rasante Einblicke - Rezension von Nannys Welt

Dieses autobiografische Werk ist für den Leser sehr dynamisch und manches Mal ein wenig verwirrend geschrieben. Dies rührt aber nicht etwa daher, dass der Autor einen unangenehmen Schreibstil hätte, sondern viel mehr spiegelt es die Thematik des ca. 100 Seiten langen Buches wieder. Uwe Kraus schildert die Begebenheiten seiner Jugendjahre im Zeitraum von 1996 bis 2004, in denen er seiner Drogensucht verfallen war. In seiner Heimat Kaiserslautern ließ er zusammen mit seinen Kumpels kaum eine Substanz aus: von A wie Amphetamin bis X wie XTC, sogar Pilze wurden ausprobiert.Schonungslos und rasant nimmt uns der Autor mit auf den Trip. Selbst das Bong-Bauen wurde zur „Meisterschaft“ und spiegelt wieder, wie tief sich der junge Mann im Drogensumpf befand. Tragische Höhepunkte sind der komplette Realitätsverlust und Wahnvorstellungen. Er wird letztendlich in die Psychiatrie eingewiesen. Ob und wie es Uwe Kraus geschafft hat, clean zu werden erfahrt ihr im weiteren Verlauf der doch sehr poetisch angehauchten Biografie.Keine leichte Kost, aber wer sich mit der Thematik befassen möchte und vor allem mit der Sichtweise eines Drogenabhängigen, wird dieses Buch fasziniert lesen und noch längere Zeit darüber nachdenken.

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