Seit über einem Jahr wütet die Corona-Pandemie, doch ihre Auswirkungen sind unterschiedlich. Während die EU mitten in der „dritten Welle“ steckt, hat China die Pandemie längst überstanden und zieht nun wirtschaftlich den Europäern davon…mit womöglich signifikanten politischen Konsequenzen.

Die EU scheint in einer absoluten Corona-Sackgasse zu stecken. Trotz eines harten Lockdowns sind die Fallzahlen weiterhin hoch. Aus der Gesundheitsbranche werden akute Zustände gemeldet, man fürchtet ihre Überlastung. Zeitgleich ächzen die Gastronomie und andere Wirtschaftszweige massiv unter dem Lockdown, Menschen verlieren ihre wirtschaftlichen Existenzen. Die Frage was schlimmer sei, Corona selbst oder die Einschränkungen wegen Corona, entzweien die Republik.

Doch während die EU noch mitten in dieser „dritten Welle“ steckt und kein Ausweg in Sicht ist sowie die USA sich nur sehr langsam davon erholen, gibt die Volksrepublik China nun richtig Gas.

Pekings wirtschaftlicher Sprung trotz (oder sogar dank) der Pandemie

Peking konnte mit knallharten Maßnahmen die Pandemie schnell eindämmen. Das Land verfolgte die sogenannte „Null-Covid-Strategie“, bei der selbst bei wenigen Corona-Fällen ganze Millionenmetropolen zeitweise dicht gemacht wurden. Das hat dazu geführt, dass dort mittlerweile kaum noch Infektionen auftreten und wenn doch, dann werden diese sofort isoliert. Das Virus ist – ohne es zu übertreiben – in China besiegt.

Nun setzt die Wirtschaft des Landes zum absoluten Rekordsprint an.

China startete das Jahr 2021 mit einem absoluten Rekordwachstum. Im ersten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes um 18,3 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres, teilte das Pekinger Statistikamt mit. Es handelt sich um den größten Sprung seit Beginn der quartalsweisen Auswertung vor gut 30 Jahren.

Der Außenhandel floriert, Chinas Fabriken laufen auf Hochtouren, um die wachsenden Exporte zu decken. Das Land profitiert dabei nicht nur von der relativen Schwäche der Konkurrenten – EU und USA – sondern auch direkt von der Corona-Pandemie, denn die ganze Welt braucht Schutzmasken, Schnelltests und Laptops fürs Homeoffice, die oftmals eben aus China kommen.

Der Internationale Währungsfonds IWF schätzt, dass die chinesische Wirtschaft im Gesamtjahr um 8,1 Prozent zulegen könnte. Damit profiliert sich China wieder mal als der absolute Krisenmeister. Bereits aus der globalen Finanzkrise 2008 holte sich das Land einen immensen Schwung. In anderen Worten: Peking bestätigt wieder, dass er es besser als kaum ein anderer vermag, aus einer Krise gestärkt herauszukommen.

Die Gefahr, dass die EU demnächst von den Chinesen wirtschaftlich komplett abgehängt wird, ist absolut real. Die wirtschaftliche Dominanz der USA dürfte bei dieser Tendenz auch schon bald endgültig passé sein.

Aus Wirtschaft wird Politik

Je stärker die chinesische Wirtschaft wird, desto selbstbewusster wird auch die chinesische Außenpolitik. Das Land ist nicht mehr auf westliche Technologien angewiesen. Die Zeiten, als es nur „die Werkbank des Westens“ war, sind vorbei. Nun kann Peking auch politisch Fakten schaffen, ohne dass es ernsthafte Folgen seitens des Westens fürchten muss.

Diese politischen Fakten zeigen sich bereits in zwei Regionen der Welt besonders deutlich.

Süd-Ost-Asien:

In Süd-Ost-Asien ist China mittlerweile der unwidersprochene Hegemon. Die USA können dem momentan eher wenig entgegensetzen: zu sehr sind sie von inneren Problemen zerrissen, zu stark ist die US-Fokussierung auf Europa. Insbesondere der amerikanische enge politische Fokus auf die „Eindämmung Russlands“ hat längst dazu geführt, dass Washington kaum noch Ressourcen übrig hat, um den steigenden chinesischen Einfluss in Süd-Ost-Asien zu kontern.

Man könnte hierzu auch recht passend sagen: Wenn Zwei sich streiten, freut sich der Dritte.

Besonders deutlich zeigt sich das in der Taiwan-Frage. Immer öfter schickt Peking seine Kampfjets demonstrativ durch die Überwachungszone der Taiwan-Flugabwehr. Peking testet die Grenzen aus. Wie werden die USA darauf reagieren? Die Antwort auf diese Frage zeigte sich in den letzten Tagen deutlich: USA reagieren darauf gar nicht. Zu sehr sind sie beschäftigt mit:

A)     Sich selbst.

B)     Russland.

Afrika

Auch in Afrika wird China zum mittlerweile stärksten Spieler. USA, EU und Russland sind dort alle aktiv, aber kein Land drängt nach Afrika mit der knallharten Systematik vor wie China. Peking gewährt Milliardenkredite, baut die Infrastruktur und bekommt dafür Zugang zu Ressourcen. Peking nutzt dabei geschickt sein politisches Hauptmotto „Keine Einmischung in innere Angelegenheiten“. Man ist bereit mit jedem Staat zusammenzuarbeiten, der an chinesischen Investitionen interessiert ist. Politische Differenzen, ideologische Vorlieben oder gesellschaftliche Nuancen spielen keine Rolle, solange man beim Geschäft bleibt. Vielen Staaten in Afrika imponiert das sehr. Mit der Corona-Pandemie verstärkt sich diese Tendenz noch weiter.

Wahlsieg von Biden könnte die Tendenzen verschärfen

Der Aufstieg Chinas ist unbestreitbar. Die Corona-Pandemie hat ihn noch sichtbarer gemacht und sogar weiter beschleunigt. Wie bereits oben erwähnt, spielt Peking auch die Tatsache in die Hände, dass Washington immer noch „blind auf dem chinesischen Auge“ ist. Statt sich mit Chinas Aufstieg intensiv zu beschäftigen, verfällt die US-Regierung in die Kalter-Krieg-Denke zurück und verpulvert ihre Zeit, Ressourcen und Kraft in einem längst ausgeleierten Kräftemessen mit Russland. Der Wahlsieg von Biden könnte diese Tendenz sogar noch weiter verstärken. Trump präsentierte sich gerne als ein Präsident, der Chinas Ambitionen angehen will, statt endlos die „russische Karte“ auszuspielen. Diese Einstellung brachte ihm jedoch einen Ruf ein, den man mit dem deutschen Totschlagargument „Putin-Versteher“ vergleichen könnte.

Nun gewann Biden die Wahlen, ein Mann dessen jahrzehntelange politische Karriere komplett vom Hauch des Kalten Krieges bestimmt wurde, als Moskau der ausnahmslose Gegner war. Und genau in diesem Modus will er weitermachen. China ist für Biden nicht im Fokus, sondern fast ausschließlich Russland. Dies machte er besonders deutlich, als er am 15. April eine pathetische Rede hielt, in der er seine neue (eigentlich aber eine alte) Russland-Politik vorstellte. Flankiert wurde die Rede durch die Einführung neuer anti-russischen Sanktionen sowie durch die Ausrufung des „nationalen Notstandes“ (national emergency) angesichts der „russischen Bedrohung“. Eine ähnliche Stimmlage gegenüber China blieb selbstverständlich aus.

Damit bestätigte er eine Tendenz, die bereits vor seinem Amtsantritt vermutet wurde: DER Hauptgegner für Biden, um den sich seine Außenpolitik drehen wird, bleibt Russland. Damit will er punkten, so will er sich außenpolitisch als starker Mann profilieren. Damit bleibt alles wie gehabt: Amerikanisch-russische Rangeleien auf dem europäischen Kontinent werden weitergehen. Die EU wird weiterhin ein Spielball der Großmächte sein, der ab und zu eigene Sanktionen einführt, um wenigstens den Anschein der eigenen Wichtigkeit zu wecken, und China wird seelenruhig seinen Einfluss ausbauen, ohne groß einen Widerstand seitens des kollektiven Westens zu befürchten.

Die Binsenweisheit ist nun mal offensichtlich:

Washington kann nicht gleichzeitig gegen Moskau UND Peking ringen. Er muss sich für eine „Hauptbedrohung“ entscheiden. Peking weiß das. Solange Washington seine ganze politische Kraft und Zeit auf Moskau verpulvert, kann China weiter Tatsachen schaffen.

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