Dass der Untertanengeist im Zuge der Corona-Pandemie anwachsen würde, habe ich ja bereits in einem Artikel vom März 2020 gemutmaßt, und leider hat sich das danach dann auch immer wieder bestätigt (s. hier, hier und hier). Nun feiert dieser Charaktertyp gerade erneut fröhlich Urständ, seit Russland meint, einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führen zu müssen.
Das kann man zurzeit in sozialen Medien, aber auch überall anders entdecken, denn der durch das Feindbild „der Russe“ aufgepeitschte Untertan bläst nun kräftig ins Kriegshorn und will Putin am liebsten besser heute als morgen „in seine Schranken weisen“. Dabei treten ausgesprochen konservative, wenn nicht gar reaktionäre Sichtweisen zutage, die ich eigentlich schon lange als Spinnereien einer ewiggestrigen Minderheit ad acta gelegt habe, die nun heute allerdings wieder sehr en vogue sind. Gut, der Untertan per se hat sich ja auch selten durch eine besonders progressive Sichtweise ausgezeichnet …
Und die Politik weiß ja auch im Verbund mit vielen Medien, womit man den Untertanen am besten füttert, um ihn zu dressieren: Angst. Das hat bei der Corona-Pandemie schon gut geklappt, und das haut jetzt gerade auch wieder ziemlich gut hin – leider.
Dabei sind die Ausgangssituationen ja durchaus bedrohlich: Sowohl Covid-19 als auch der völkerrechtswidrige Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine haben ein hohes Gefahrenpotenzial und stellen sehr reale Bedrohungen dar. Aber auch solche Bedrohungen können mit kühlem Kopf und der nötigen Distanz betrachtet und kommuniziert werden – oder eben sie werden dazu genutzt, um Panik zu verbreiten und Ängste zu schüren.
So wurde im Rahmen der Pandemie immer wieder nicht mit präzisen und transparenten Zahlen gearbeitet, sodass sich die Situation einige Male brisanter darstellte, als sie es tatsächlich war (s. hier und hier). Und statt vor allem die besonders gefährdeten Personenkreise (zum Beispiel alte Menschen mit Vorerkrankungen) zu benennen und zu schützen, wurden quasi mit dem Holzhammer immer wieder Maßnahmen beschlossen, die vor allem dazu dienten, die eigene Klientel und sich selbst zu bereichern. Vorbeugende Maßnahmen hingegen wurden nur selten ergriffen, sodass man zweimal hintereinander in einen Herbst hineintaumelte, in dem dann – wenig überraschend – die Infektionen wieder stark anstiegen.
Die Kommunikation war selten stringent, beispielsweise als dieselben Politiker, die eine Impfpflicht ausgeschlossen haben (was man ja nicht hätte machen müssen), dann einige Monate später genau ebendiese Impfpflicht umsetzen wollen. So was schafft Misstrauen – und damit auch Ängste.
In den Medien wurde zudem denjenigen, die sich selbst als Querdenker bezeichnen und mitunter sehr irrationale Kritik äußerten, reichlich Platz eingeräumt, sodass die Relevanz von anfangs einigen Wirrköpfen erst größer dargestellt wurde, als sie es war, und dann letztlich auch tatsächlich immer größer wurde.
Wie man das alles anders machen kann, erläuterte der Soziologe Merlin Schaeffer am Beispiel von Dänemark in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das ist alles keine Magie, aber so ein Vorgehen war hier anscheinend nicht gewünscht, sondern die Pandemie sollte dazu genutzt werden, die Bevölkerung zu verängstigen, um ihnen so repressive politische Maßnahmen, beispielsweise im Bereich der Überwachung, aufs Auge drücken zu können (s. hier).
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel attestierte der Bundesregierung somit in einem Interview mit Zeit Online ein „Regieren durch Angst“. Was ja auch durchaus praktisch ist, denn verängstigte Bürger sind meistens leichter zu beherrschen. Und neigen dann auch dazu, sich zu Untertanen zu entwickeln.
Und wonach lechzt dann so ein Untertan? Nach einer schlichten Schwarzweißsichtweise. Es muss klar sein, wer oder was gut und böse ist. Bloß keine Grautöne. Das führte dann beispielsweise dazu, dass Kritiker des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn, als dessen politisches Versagen schon komplett erkennbar war, von diesen Untertanen mit Vehemenz angegangen wurden (s. hier). Und der Karrierist Spahn war dann sogar eine Zeitlang der beliebteste Politiker Deutschlands …
Und kaum deutet sich bei der Corona-Pandemie zumindest ein sehr deutlicher Silberstreif am Horizont an dank zunehmend harmloserer Mutationen des Virus und vielen geimpften Menschen, kommt schon die nächste große Krise daher, diesmal in Form eines Krieges. Tja, und Krisen sind nun mal das, was den Untertanen füttert, ihn laut werden lässt und ihn in seiner Sichtweise bestätigt.
Dabei ist es beim Ukraine-Krieg ja nun auch erst mal recht eindeutig, dass da Russland und sein Präsident Putin die „Bösen“ sind, denn die haben nun mal mit diesem fürchterlichen Krieg begonnen. Bis auf ein paar wenige Leute sind sich da ja im Grunde auch alle einig.
Dennoch hat auch dieser Krieg eine Vorgeschichte, und sobald man auf diese hinweist, wie es zuweilen doch noch in einigen Medien geschieht (so z. B. hier und hier), dann stehen die braven Untertanen meistens schnell mit dem verbalen Gewehr bei Fuß bereit, um einzuschreiten: Es gäbe keine Rechtfertigung für so einen Angriffskrieg, heißt es dann oft, wobei dabei dann außer Acht gelassen wird, dass eine differenzierte Auseinandersetzung mit Ursachen etwas komplett anderes ist als eine Rechtfertigung und auch bei Vorgängen geboten ist, die man von Grund auf ablehnt. Das ist dann aber schon zu viel für den Untertanen, für den gibt es nur Putin-Fans und aus seiner Sicht aufrechte Verteidiger der Freiheit als deren Gegenspieler.
So habe ich dann schon häufig in der letzten Zeit erlebt, dass Menschen sich für pazifistische Ansichten rechtfertigen müssen, da die Untertanen augenblicklich das Zetern anfangen, wenn ihnen solche Aussagen über den Weg laufen. Das ist nun etwas, von dem ich dachte, dass es schon längst der Vergangenheit angehören würde, denn bis vor Kurzem hatte ich zumindest den Eindruck, dass die Mehrheit der Deutschen Aufrüstung, Militarismus und Krieg eigentlich sehr negativ gegenüber eingestellt sind.
Aber da kommen wir dann auch schon zum Nutzen dieser Untertanen, denn es hagelt ja breite Zustimmung zum irrwitzigen Aufrüstungspaket der Bundesregierung in Höhe von 100 Milliarden Euro, und die kritischen Stimmen sind auch hier eher rar gesät (s. beispielsweise hier und hier). Bei der Rüstungsindustrie knallen die Champagnerkorken, im Bundestag gibt es Standing Ovations, und nur wenige kommen auf die Idee, dass mit diesem Geld doch vielleicht Sinnvolleres angestellt werden könnte, beispielsweise in Form von mehr Klimaschutz oder zur Abmilderung von existenzbedrohenden Härten aufgrund der Corona-Pandemie. Und auch bei der maroden öffentlichen Infrastruktur, den Schulen, dem Gesundheitswesen könnten staatliche Investitionen nicht schaden.
Um so eine Aufrüstung zu rechtfertigen, muss natürlich ein Bedrohungsszenario her, und dafür eignet sich dann wunderbar das simplifizierte Narrativ, dass von den Untertanen auch nur allzu gern weiterverbreitet wird: Putin ist einfach komplett irre und will nicht nur die Ukraine, sondern auch noch andere Länder, vielleicht sogar ganz Europa erobern. Also muss die Bundeswehr reichlich aufgerüstet werden, damit wir uns gegen den Diktator verteidigen können.
Dass ein Krieg von Russland gegen einen Nato-Staat und damit dann gegen das gesamte Bündnis vermutlich atomar ausgeführt würde und somit auch 100 Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr komplett egal wären, wird dabei dann komplett ausgeblendet. Genauso wie die Überlegung, dass Russland ja nun schon die Ukraine nicht eben im Handstreich erobern konnte und somit ein Weitermachen in Richtung Westen militärisch ausgesprochen fragwürdig wäre, da dort eben noch mal ein bisschen stärkere Armeen warten als die ukrainische. Die Militärausgaben der Nato sind ja doch schon ein Vielfaches so hoch wie die von Russland.
Genau diese vereinfachende Sichtweise des irren Putin kann man eigentlich nur dann haben, wenn man die zuvor erwähnten Hintergründe dieses Krieges ausblendet. Da diese Sichtweise allerdings der Regierungspolitik und der Rüstungsindustrie (die ja etliche gute Jobs an ehemalige Politiker vergeben hat und auch sonst nicht eben knausrig mit Lobbyausgaben ist – nun zahlt sich das gerade so richtig aus) sehr zupasskommt, wird sie auch stark weiterverbreitet von vielen Medien. Die haben ja auch schon während der Corona-Pandemie vielfach nicht eben mit differenzierter, kritischer Berichterstattung geglänzt, da kann man also genau so weitermachen.
Zumal ja auch die immer mehr werdenden Untertanen genau das hören wollen.
Wie sehr diese Schwarzweißsichtweise medial unterstützt wird, wird gerade sehr deutlich bei Facebook. Da werden gern mal Kommentare in dem jemand von „den dusseligen Deutschen“ als Allgemeinplatz schreibt als Hassrede klassifiziert und dann gelöscht. Andererseits darf so was dann stehen bleiben, was neulich einen Freundin von mir dokumentierte, die übrigens auch die Beschwerde bei Facebook wegen der Aussagen von Lulia Fronechka eingereicht hat:
Starker Tobak, oder? Ich kann mir gerade kaum irgendwas vorstellen, was mehr das Kriterium von Hassrede erfüllt als so eine Aussage.
Doch das geht noch weiter, denn passend dazu gestattet Facebook nun in einigen Ländern Tötungsaufrufe und Todeswünsche gegen Wladimir Putin und russische Soldaten (s. hier).
Alles Wasser auf die Mühlen der Untertanen, die sich in solchen gewalttätigen und hasserfüllten kommunikativen Umfeldern dann auch immer wieder bestätigt fühlen. Und dann eben selbst auch immer dreister werden in ihren Äußerungen.
Wenn man das erleben möchte, muss man nur mal beispielsweise ein Interview mit Jutta Ditfurth, in dem diese eine pazifistische Position vertritt, teilen und dann die Reaktionen darauf beobachten.
Es hagelt misogyne Äußerungen und persönliche Schmähungen der Person Jutta Ditfurth, und das vor allem von alten weißen Männern (deren Geisteshaltung eben auch prototypisch für den Untertanen ist), die offenbar ein Problem mit Frauen haben, wenn diese selbstbewusst ihre Ansichten vertreten, die eben kein Alter-weißer-Mann-Müll sind. Auch bei solchen offen geäußerten reaktionären Statements habe ich eigentlich gedacht, dass die mittlerweile weitgehend ausgestorben wären, aber das ist leider nicht so. Na ja, passt ja zum reaktionären Backlash, den ich vor knapp zwei Jahren schon mal in einem Artikel beschrieben hab.
Noch mehr Futter für den Untertanen gibt es dann in Form von zunehmendem Rassismus in der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt, was Emran Feroz in einem Artikel auf Über Medien beschreibt. Die dort beschriebenen Narrative (heldenhafte Ukrainer und feige Muslime beispielsweise) habe ich seitdem auch schon oft bei vielen Untertanenäußerungen angetroffen. Auch bei solchen, die eigentlich nicht rechts drauf sind, denn das Untertanentum breitet sich zurzeit leider bei Anhängern aller politischen Richtungen aus.
Der Untertan wurde ja im gleichnamigen Roman von Heinrich Mann schon treffend charakterisiert: gehässig, verantwortungsscheu, nach oben buckelnd, nach unten tretend, großmäulig, wenn er sich im Recht wähnt, feige, wenn er Mist gebaut hat – und diese Charakterzüge finden sich gerade vermehrt wieder bei vielen Menschen, werden vor allem auch in sozialen Medien reichlich ausgelebt.
Vielleicht sollten doch einige noch mal genau diesen Roman rausholen, in Ruhe lesen und sich überlegen, wozu denn das Verhalten von Diederich Heßling und seinen Gesinnungsgenossen letztendlich geführt hat …
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