Eigentlich sollte mein erster Beitrag hier ein Text über die Rolle rückwärts in der schulischen Inklusion und bei den Behinderten-Rechten sein, die m. E. durch die Corona-Pandemie droht, wenn nicht gar schon erfolgt ist. Inklusion und Teilhabe, das ist es, dazu wollte ich hier schreiben. Mit dieser Absicht, dem Ziel von erlebter #Nixklusion und mangelhafter Teilhabe zu schreiben, dazu hatte ich mich hier angemeldet.

Doch die Causa um die Aktion #allesdichtmachen und um den Schauspieler Jan Josef Liefers und »die Dreiundfünfzig« habe ich mit Erstaunen verfolgt: Dreiundfünzig Personen der Schauspielerzunft haben sich – coronakonform – zu den Maßnahmen und den Sorgen der betroffenen Menschen geäußert. In der Folge wurden sie dann geteert und gefedert und ein (demokratisch nicht gewählter) Rundfunkrat forderte auch schon die Entfernung so manch eines Schauspielers aus dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk ...

Damit reiht sich nun ein weiteres Ereignis ein in die Reihe dessen, was mich an der Pandemie fasziniert hat. Und erschüttert.

Das wird dann jetzt mein Beitrag für den heutigen Sonntag-Abend.

Privat und beruflich hat mir die Pandemie zu mehr Klarheit verholfen, denn Masken sind vielfach gefallen. Etwa bei den Sozialen und Guten: Die sind nämlich nicht immer so sozial und so gut, wie wir gerne annehmen (sollen):

Mein ehemaliger Arbeitgeber etwa, ein großer Player der Wohlfahrtspflege hat, wie man sagt, »keinen müden Cent« für diejenigen Kolleginnen(!) locker gemacht, die schon am Abgrund hängen. Auf meine Anfrage und Bitte hin, doch den wenigen Kolleginnen(!) anrechnungsfreie Boni zu zahlen, wurde ich wirsch abgewiesen. (Ein Arbeitgeber übrigens, der unter seine Statuten und zu seinen Werten den »freiheitlichen(!) Sozialismus« zählt. So etwas kann man sich nun wirklich nicht ausdenken.)

Das gilt mit gleichem Recht natürlich auch für die Kirchen, die nun Mittel aus Steuergeldern erhalten (sofern der jeweilige Staatsvertrag dies so vorsieht), um durch die Krise zu kommen. Ihre Reichtümer horten sie weiterhin. Zahlen tun die kleinen und vielfach "beklatschten" Kassierer, Erzieherinnen, Pflegehelfer, Paketboten und andere, die man so »die kleinen Leute« nennt.

Oder bei so genannten Linken, vor allem den jüngeren, marktschreierischen unter ihnen: Denen sind die bürgerlichen Freiheiten nun doch nicht soooo wichtig. Die sind mit fast fest geschlossenen Reihen auf Regierungskurs und bekämpfen Abweichler: Bei jeder noch so kleinen Ansammlung impfkritischer Waldorf-Erzieherinnen stehen sie stramm am Straßenrand und schreien ihr obligatorisches »Nazis raus! Nazis raus! Nazis raus!«. Mit der Freiheit haben die es nicht so. Aber wen wundert das, ein Blick ins Geschichtsbuch reicht, um das zu wissen.

Sie sehen, es geht polemisch bis populistisch zu bei diesem Text. (Little Tipp: Don’t listen, if you don’t like what you hear. Oder lesen Sie das Buch »Lasst uns Populisten sein!« Aber Vorsicht, Trigger-Warnung: Es ist von einem BILD-Redakteur.)

Aber keine Sorge, wenn ich mich für die Inklusion und Behinderten-Rechte einsetze, brennt ebenfalls die Hütte. Fragen Sie bei meiner Stadtverwaltung nach.

Doch ich schweife ab: Corona-Politik und #machtallesdicht war unser Thema.

Faszinierend und erschütternd finde ich auch die Erkenntnis, dass man eine gewisse Oppositionspartei erfinden müsste, wenn es sie nicht gäbe. Inwiefern? Ist es Ihnen noch nicht aufgefallen, wie – nennen wir sie mal »die Rechten« – wie die quasi als Legitimation der Regierung fungieren?

Die Regierung will die Sache A durchsetzen. »Die Rechten« rufen laut nach dem Gegenteil und die gut geölte polit-mediale Maschinerie setzt sich in Gang: Was die Rechten da fordern, dass sei – nun ja, im Prinzip billig – »voll rechts« und die übrigen Mitspielerinnen und Mitspieler im Theater sind verschreckt bzw. abgeschreckt, denn niemand will sich ja mit »den Rechten« gemein machen. So wird die Sache A dann doch akzeptiert oder zumnindest pseudo-moralisch legitimiert.

Liefers und #allesdichtmachen: Rage Against The Machine ....

Kurz: Wenn »die Rechten« morgen verlautbaren lassen sollten, dass gilt: »2 + 3 = 5« ja dann würden hierzulande die Mathe-Bücher umgeschrieben werden. Faszinierend. Und erschreckend.

Im Grunde genommen verhält es sich auch so mit der eingangs angeführten Causa »Liefers & die Dreiundfünfzig« und mit ihrer Aktionskunst:

Da wird ihnen vorgeworfen, ja, vorgebrüllt, dass ihre Aktion den – Sie ahnen es! – »den Rechten« nütze.

Und eine gewisse Marie von den Benken, eine Influencerin und so, schreibt auch genau das: »Wenn man bei den Querdenkern mitläuft, ist man nicht automatisch Nazi.« Hier stock ich schon: Denn wie kommt die jetzt auf die Nazis?  Nazis waren diejenigen, die (um der Marie nur ein grausiges Ereignis zu nennen) an einem einzigen Tag das Bestialische fertigbrachten, in der Schlucht Babyn Jar (in der Ukraine) über 33.000 Menschen zu massakrieren. Ich führe dies hier an, um die moralische Verirrung der Marie anzudeuten. (Und sie schreibt für F.A.Z. und WELT. Auch das kann sich niemand ausdenken.)

Die Influencerin weiter: »Das selbe(!) gilt für #allesdichtmachen: Wer etwas macht, das am Ende nur von der Reitschuster-Jebsen-Tichy-Bubble gefeiert wird, was ist man dann?«

Allein das »nur« zeigt, dass Von den Benken ebenso in Extremen denkt, wie die von ihr kritisierten Influencer à la Jebsen. Es könnte nämlich durchaus sein, dass das, was Liefers und seine Dreiundfünzig auf die Beine gestellt haben, von Grünen, von Liberalen, Alt-68ern, von Gastronomen, von Erzieherinnen und vielleicht sogar von Ihnen, von Dir und mir, von ganz normalen, nicht abgehobenen Bürgerinnen und Bürgern gefeiert wird. Aber das »nur« will das kategorisch ausschließen und weist die Aktion #allesdichtmachen somit ganz klar in die rechte Schmuddelecke. Als ob es nicht noch andere Ecken gäbe …. Only a Sith deals in Absolutes.

Dass die Demokratie hierzulande nicht perfekt ist (und unsere Marktwirtschaft nicht echt und schon gar nicht frei und unser Sozialstaat nicht solidarisch und die Rente nicht sicher), diese Erkenntnis schlummerte schon vor der Pandemie in mir.

Aber dass in so kurzer Zeit Grundfesten unserer Demokratie erschüttert, unsere gelobte und immerhin hart errungene Pluralität der Meinungen niedergerungen worden sein und es nur noch (die ohnehin überholten Schubladen) rinks und lechts geben soll, hat man das in diesen schrillen Tönen schon vor 2020 vernommen? Und dass jede Kritik etwa an unausgegorenen Impfstoffen schon den Tatbestand der "Corona-Leugnerei“ erfüllen soll, das ist, sage ich frei heraus, pathologisch.

Auch die beständigen Nazi-Vergleiche (siehe oben) und die wenig subtilen Versuche Andersdenkende mit Auschwitz in Verbindung zu bringen, diese Form des Missbrauches und der Verharmlosung beschämen mich zutiefst, das bekommen in dieser Regelmäßigkeit nicht einmal die rechten Schlechten hin.

Julia Probst, die sich eigentlich recht taff für Behinderten-Rechte und Teilhabe stark macht, greift hier in diese populistische Trickkiste:

Mal ganz abgesehen davon, das man das wohl infam nennen darf, wird sie ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht:

So steht's zumindest auf Wikipedia

Nehmen Sie noch einmal die Aktion #allesdichtmachen: Nicht einen Tag hat es gedauert, dass von 53 #allesdichtmachen-Videos, schon mehr als ein Viertel sich dem Druck gebeugt und widerrufen haben. (Und das im Lande Martin Luthers ….)

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, wie es um die Akzeptanz abweichender Meinungen, seien sie auch noch so abstrus, in der deutschen Öffentlichkeit und allem voran bei den so genannten Öffentlich-Rechtlichen bestellt ist, hier haben Sie ihn.

Und zum Abschluss noch eine Sache, da wir gerade bei den Medien angelangt waren: Ich erinnere mich noch genau an die wieder einmal gut durchdachten Worte unserer Schul-Leitung nach der ersten Schul-Schließung vor einem Jahr: Es wurden alle Schülerinnen und Schüler gebeten, keine Witze über Corona oder gar abfällige Bemerkungen zu denjenigen zu machen, die womöglich infiziert waren.

Und was kommt bei ARD und ZDF? Das Jugend(!)format FUNK bringt ein Spiel zum Zocken, in dem es sinngemäß heißt: Tritt das kleine Kind tot, es hat Corona. Und der Blödelbarde Böhmermann haut zum Jahresende ein Lied raus, in dem indirekt einer fiktiven Oma, die Corona nicht allzu ernst genommen haben will, eben diese Erkrankung an den Hals gewünscht wird. (Wo sind da eigentlich die ganzen Berufsempörten gewesen, die jetzt polternd zur Causa Liefers und den 53 ans Mikro drängeln und ihr "Empörend! Empörend!" schreien?)

Alle Bemühungen an der Basis, alle Bitten um mehr Besonnenheit, alle Bereitschaft hinzuhören für die Katz: Ein Blödelbarde macht in der Glotze vor, was Erzieherinnen, Lehrkräfte, Ärzte und viele andere zu verhindern suchten. Clowns von FUNK verbreiten das exakte Gegenteil, was wir Kindern und Jugendlichen vermitteln wollten. Ich konnte damals gar nicht so viel essen, wie ich .... nun ja.

Von der super vorbildlichen Silvester-Party des ZDF, durchgezogen inmitten von Pandemie und Lockdown, schweige ich an dieser Stelle, bevor mir der Kragen platzt. Und von den Masken-Deals schweige ich auch. Und von "Kein Arbeitsplatz wird verloren gehen" ebenfalls.

Ein Beitrag über die Rolle rückwärts in der schulischen Inklusion und bei den Behinderten-Rechten wäre nicht netter geworden. Den hätte ich ebenfalls in diesem Stil geschrieben.

Jetzt habe ich es niedergetippt, was mich an der Pandemie fasziniert und erschüttert hat.

Und damit bin ich nicht allein. Es gibt nämlich noch, man glaubt es kaum, jenseits von ARD und ZDF und der ganzen Influencer-Schar Menschen, die sich ganz normal unterhalten. Und die derzeit sehr häufig den Kopf schütteln.

Nachtrag: Einer der »Dreiundfünfzig« ist Ulrich Tukur. Sein Beitrag – ein echter Tukur. Sehenswert:

https://youtu.be/KQX79GqSAME

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