Am Wochenende waren ja vielerorts Demonstrationen gegen Rechtsextremismus sowie, daraus resultierend, für Demokratie und Vielfalt. Auch in Rendsburg waren circa 2500 Menschen auf der Straße – ich war auch dabei.
Zunächst mal: 2500 Teilnehmer an so einer Demonstration sind für eine Stadt mit nicht mal 30.000 Einwohnern eine ganze Menge. Klar, da sind auch etliche aus den umliegenden Ortschaften dabei, aber an einem Sonnabend um 11.30 Uhr mussten andererseits bestimmt auch viele, die gern mitgemacht hätten, arbeiten. Insofern bleibt das eine sehr stattliche Zahl, die ein deutliches Zeichen gesetzt hat, wie ich finde.
Was man dazusagen muss: Rendsburg hat seit 2015 eine sehr hohe Zahl von Geflüchteten aufgenommen. Diese sind demzufolge sehr präsent im Stadtbild, viele von ihnen arbeiten hier oder haben sogar eigene Geschäfte aufgemacht, vor allem in den Bereichen Lebensmitteleinzelhandel und Gastronomie, aber auch Friseure und Möbelläden. Natürlich bemerkt man im Alltag auch hier den zunehmenden Rechtsrutsch und immer wieder auch öffentlich geäußerten Rassismus, aber insgesamt gesehen klappt das schon recht gut – so zumindest mein Eindruck – mit dem Zusammenleben von Geflüchteten und Einheimischen.
Das könnte dann auch ein Grund dafür sein, warum sich so viele Menschen hier an der Demo beteiligt haben, denn je mehr man Geflüchtete kennenlernt, desto mehr stellt man dann auch fest, dass an der rechten Hetze gegen diese Menschen oftmals nichts dran ist. Bezeichnenderweise finden sich ja rechtsextreme Einstellungen und Wahlerfolge der AfD oftmals in Regionen, in denen es kaum Geflüchtete und Migranten gibt.
Insgesamt also eine sehr positive Veranstaltung – bis dann irgendwann auch eine lokale FPD-Politikerin auf die Bühne kam als Rednerin. Und da wurde es dann leider wieder offensichtlich mit der Bigotterie, die mittlerweile im deutschen Politbetrieb ziemlich stark anzutreffen ist und vor Kurzem auch bei den Bauernprotesten in großem Maße beobachtet werden konnte (s. hier).
Nur mal zur Erinnerung: Die FDP hat in Thüringen Anfang 2020 nicht nur ihren Kandidaten Thomas Kemmerich mit Unterstützung von der AfD zum Kurzzeitministerpräsidenten wählen lassen (s. hier), sondern auch danach noch etliche Male, gemeinsam mit der CDU, mit Neonazi Björn Höckes Blaubraunen im Landtag zusammengearbeitet und paktiert (s. hier).
Da frage ich mich doch, wie verlogen es sein kann, dann als Repräsentantin dieser Partei von Nazi-Freunden auf so einer Veranstaltung zu sprechen – zumal ja das auch kein rein lokales Phänomen ist, wenn man berücksichtigt, dass sich der Parteivorsitzenden Christian Linder gerade bei den Bauernprotesten damit einzuschmeicheln versuchte, als er sich damit brüstete, nun ja statt der Subvention von Agrardiesel bei den Ausgaben für Geflüchtete sparen würde. Und natürlich beim Bürgergeld. Und dann stellt sich diese FDP-Trulla da hin und faselt etwas davon, dass man ja auch soziale Gerechtigkeit achten muss – tja, wenn sie das tatsächlich will, ist sie wohl in der komplett verkehrten Partei.
Dass die FDP ohnehin reichlich rechtslastig, wenn nicht sogar rechtsextrem ist, habe ich ja bereits in einem Artikel von 2017 festgestellt – und seitdem ist das nicht gerade besser geworden …
Allerdings ist die FDP da auch nicht allein auf weiter Flur, was den Marsch nach rechts angeht. Bei der CDU unter Friedrich Merz ist das nun offensichtlich, zumal der Parteichef sich ja auch nicht zu blöd dafür ist, in bester Rechtspopulistenmanier Lügen über eine bevorzugte Zahnbehandlung von Asylbewerbern gegenüber Deutschen zu verbreiten. Und wenn ein Markus Söder in Bayern nach wie vor an einem antisemitischen Neonazi wie Hubert Aiwanger von den Freien Wählern als Vizeministerpräsident festhält, dann zeugt das auch nicht eben von wenig Berührungsängsten mit Rechtsextremen.
Ach ja: Bei dem Treffen von Rechtsradikalen in Potsdam, bei dem diese ihre Umvolkungs- und Deportationswunschträume zelebriert haben, waren auch CDUler anwesend (s. hier). Und gerade dieses Treffen bzw. dessen Offenlegung war ja ein entscheidender Impuls für die aktuellen Demonstrationen.
Und dennoch finden sich immer wieder Aufrufe zu den Demos, die auch von der CDU, der FDP und den Freien Wählern mitgetragen werden:
Das finde ich dann schon reichlich bigott, auf der einen Seite mit der AfD zu paktieren und rechtsextreme Klischees und Stereotype in der Öffentlichkeit zu verbreiten, nur um sich dann auf der anderen Seite noch schnell bei gerade sehr im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Protesten einzuklinken, um auf diese Weise vielleicht ein bisschen politisches Greenwashing betreiben zu können.
Das Schlimme daran ist: Nicht nur Union und FDP sind zuletzt reichlich weit nach rechts abgerutscht, sondern SPD und Grüne ebenso. Über diesen generellen Rechtsrutsch habe ich im letzten Jahr ja mehr als einen Artikel geschrieben (s. hier, hier, hier, hier und hier). Bei den Grünen konnte man da sogar beobachten, dass ebenfalls gemeinsam mit der AfD abgestimmt wurde, und das auch noch bei einem so sensiblen Thema wie Rechtsterrorismus (s. hier). Vermutlich wollte man in Hessen und Hamburg damit nicht den Koalitionspartner CDU bzw. SPD brüskieren, aber so was führt dann natürlich dazu, dass nicht nur die AfD ein Stück weit mehr normalisiert, sondern der antifaschistische Konsens in der Gesellschaft weiter ausgehöhlt wird. Erst recht, wenn dann auch noch aufrechte Parteimitglieder wie Miriam Block in Hamburg, die bei solcher Kungelei nicht mitmachen, ihrer Parteiämter enthoben werden.
Dass in der Folge dann Grünen-Mitglieder mit Migrationshintergrund die Partei aufgrund ihres Rechtsschwenks verlassen haben (s. hier), ist dann nur eine logische Folge – rückt die Grünen als Partei aber auch wiederum noch weiter nach rechts.
Na ja, und dass die SPD seit Gerhard Schröder immer weiter in Richtung CDU (und damit eben auch nach rechts) gewandert ist, dürfte vielen ja auch schon länger klar sein. Wenn dann allerdings ein solches Spiegel-Titelbild erscheint, dann erkennt auch der Letzte, dass die SPD mit rechtspopulistischen Stammtischparolen kein Problem mehr hat – und somit auch zur Normalisierung rassistischen Denkens beiträgt:
Wenn sich nun diese Parteien auf den aktuellen Demos präsentieren, dann ist wohl auch nicht zu erwarten, dass da mal ein Stück weit Selbstreflexion einsetzen wird. Man wähnt sich selbst eben weiterhin auf der Seite der Demokraten, der „Guten“, und die Bösen sind ja prima auszumachen: die Blaubraunen von der AfD. Na ja, zumindest sind das so lange die Bösen, bis man dann doch mal mit denen paktiert oder zusammenarbeitet, denn immerhin sind die ja auch strikt neoliberal, finden Sozialstaatsabbau klasse, und weitere überwachungsstaatliche Maßnahmen sind mit denen sicherlich auch gut zu machen.
Apropos neoliberale Politik bzw. deren Auswirkungen: Was dies mit dem Rechtsrutsch zu tun hat, hat Robert Zion auf seiner Facebook-Wall recht gut zusammengefasst:
Und auch er bemängelt jede Art von selbstkritischer Reflexion, die nun den neoliberalen Politikern komplett abgeht, die sich jetzt dort mit den Demonstrierenden solidarisch zeigen und so tun, als hätten sie ja mit dem Grund für die Demonstrationen überhaupt nichts zu tun.
Leider wird das vonseiten derjenigen, die auf den Demos sprechen oder diese organisieren, auch so gut wie nicht thematisiert, obwohl das entscheidend dafür wäre, um wirklich mal an die Ursachen des Rechtsrucks ranzugehen.
So bleibt es zwar eine erfreuliche Sache, dass so viele Menschen sich zu Werten wie Vielfalt, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bekennen und dafür auch auf die Straße gehen, allerdings dürften diese Proteste wenig nachhaltige Wirkung entfalten.
Und spätestens, wenn die AfD dann bald in Landesregierungen oder in knapp zwei Jahren sogar in der Bundesregierung sitzt, wird das Geschrei groß sein, dass man das ja nun wirklich nicht erwarten konnte. Doch, genau das kann man, und zwar schon länger – und daran werden weder Erkenntnisse über offensichtlich verfassungsfeindliche Umtriebe wie nun in Potsdam noch Lippenbekenntnisse zur Demokratie und gegen Rechtsextremismus von den sogenannten „Parteien der Mitte“ etwas ändern.
1939 erkannte schon Max Horkheimer: „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“ (Quelle) Vom drohenden Faschismus wird gerade (zum Glück) viel geredet – das Schweigen zum Kapitalismus ist hingegen leider ohrenbetäubend.
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