Verschwörungstheorien sind assoziiert mit einer Vernachlässigung präventiver Maßnahmen während der Coronavirus-Pandemie. Die Untersuchungen zu diesem Thema waren bisher jedoch meist Querschnittsstudien, die sich auf Einstellungen oder Verhaltensabsichten beschränkten. Mit einer neuen Untersuchung sollte prospektiv geprüft werden, inwieweit solche Überzeugungen auch tatsächlich die Gesundheit und das Wohlbefinden über einen längeren Zeitraum vorhersagen.
In dieser Studie an einer großen (N = 5745) niederländischen Population wurde untersucht, ob Verschwörungsüberzeugungen zu Beginn der Pandemie (April 2020) eine Reihe konkreter Ergebnisse zu Gesundheit und Wohlbefinden acht Monate später (Dezember 2020) voraussagen würden.
Die Ergebnisse zeigten, dass der Glaube an Covid-19-Verschwörungstheorien eine geringere Wahrscheinlichkeit voraussagten, sich auf Corona testen zu lassen; falls getestet, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der Test positiv ausfiel; und eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, gegen Corona-Vorschriften verstoßen zu haben, verschlechterte wirtschaftliche Lage (Verlust des Arbeitsplatzes; geringeres Einkommen), Erfahrungen sozialer Ablehnung und ein geringeres allgemeines Wohlbefinden. Die meisten dieser Auswirkungen ließen sich auf eine breitere Anfälligkeit für Verschwörungstheorien (d. h. eine Verschwörungsmentalität) verallgemeinern.
Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass der Glaube an Verschwörungstheorien langfristig mit einer Vielzahl negativer Lebensumstände verbunden ist. Diese Überzeugungen sagen voraus, wie gut die Menschen die Pandemie über einen Zeitraum von acht Monaten bewältigt haben, was sich in ihrem Gesundheitsverhalten sowie ihrem wirtschaftlichen und sozialen Wohlbefinden widerspiegelt.[1]
Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit einer anderen Untersuchung, in der geprüft wurde, ob individuelle Überzeugungen und persönliche Charakteristika die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit COVID-19 beeinflussen. In den ersten Monaten der Pandemie beantworteten die Teilnehmer in den USA eine Reihe von Fragen zu individuellen Unterschieden sowie Fragen zur Pandemie selbst. Vier Monate später wurden 2120 dieser Teilnehmer erneut gefragt, ob sie sich mit COVID-19 angesteckt hatten. Fast alle der einbezogenen individuellen Unterschiede sagten signifikant voraus, ob eine Person angab, in diesem Viermonatszeitraum positiv auf das Virus getestet worden zu sein. Zusätzliche Analysen ergaben, dass alle diese Assoziationen durch die Unkenntnis über COVID-19 vermittelt wurden.[2]
Es fällt schwer, angesichts solcher Ergebnisse nicht zu verzweifeln. Nicht, dass sie nicht zu erwarten gewesen wären - wenn man z.B. die Existenz von Risikofaktoren für Herzinfarkte ignoriert, ist es unausweichlich, dass die Wahrscheinlichkeit, an einem Herzinfarkt zu sterben, erhöht ist. Besonders trostlos finde ich zwei Aspekte:
- Die derzeitige Pandemie scheint Dummheit und Ignoranz populär, ja sogar modisch gemacht zu haben.
- Die Beknackten, die an COVID-Verschwörungstheorien glauben, schaden nicht nur sich selbst, sondern gefährden uns alle.
Ich frage mich ernsthaft, wie wir jemals aus diesem neuen ‚Zeitalter der Unvernunft' herausfinden werden.
van Prooijen JW, Etienne TW, Kutiyski Y, Krouwel APM. Conspiracy Beliefs Prospectively Predict Health Behavior and Well-being during a Pandemic. Psychol Med. 2021 Oct 13:1-25. doi: 10.1017/S0033291721004438. Epub ahead of print. PMID: 34641992; PMCID: PMC8529348. ↩︎
Moore CA, Ruisch BC, Granados Samayoa JA, Boggs ST, Ladanyi JT, Fazio RH. Contracting COVID-19: a longitudinal investigation of the impact of beliefs and knowledge. Sci Rep. 2021 Oct 14;11(1):20460. doi: 10.1038/s41598-021-99981-8. PMID: 34650222; PMCID: PMC8516850. ↩︎
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