Im Zuge der Finanzkrise von 2008 begann in der westlichen Hemisphäre das, was oftmals treffend als das „grösste Finanzexperiment aller Zeiten“ genannt wird: Der Leitzins wurde seitdem durchgehend auf null gesetzt (oder sogar negativ), und ein scheinbar endloses Quantitative-Easing-Programm eingeführt. Dies geschah unter der Vorgabe, dass die Wirtschaft nach der Krise wieder angetrieben werden sollte, wobei man allerdings kein Wirtschaftswissenschaftler sein muss, um inzwischen zu verstehen, dass billiger Kredit und systematischer Kauf von Wertpapieren durch die Zentralbank das perfekte Rezept ist, um statt Wirtschaftswachstum Spekulation anzutreiben.

In der EU wurde diese Massnahme als eigentlich provisorisches Hilfsmittel aufgezeigt, um der Wirtschaft einen Anstoss zu geben, während die Staaten nötige Reformen unternehmen. Reformen, heisst es immer wieder, Reformen als wundersame Problemlösung für Länder wie vor allem Spanien, Italien oder Griechenland, die seltsamerweise seit wenigen Jahren nach Einführung des Euro unfähig geworden waren, wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen, und somit eine mehrfache Reform-Impfung brauchten, um wieder zu gesunden. Doch selten bekam man eigentlich zu hören, worum es sich bei diesen Reformen handelte. Unsere Lehnsherren in der hohen Bürokratie der EU wollten uns einfache Leute wahrscheinlich nicht verwirren, da wir ja dumm sind und nicht verstehen würden, welche komplexe Aufgabe sich hinter diesen sagenumwobenen Reformen verbirgt. Wenn man aber etwas genauer hinschaute, hinter die Schlagzeilen, so war in Erfahrung zu bringen, dass es sich meistens um Verringerung des Defizits ging, also die Ausgaben zu reduzieren, zu sparen. Das hat wohl eine gewisse Logik, wenn man Schulden hat, dann wird man sicherlich erst einmal die Ausgaben wo möglich zu senken versuchen. Aber die Ausgaben zu senken ist natürlich nur die eine Hälfte, und hat auch seine Grenzen, wenn man die Schulden bezahlen will müsste man doch vor allem die Einnahmen erhöhen. Wenn jemand verschuldet ist, bringt es ja wohl auch nichts auf Essen und Transport zu verzichten, aber dafür nicht mehr Arbeiten zu können und die Einnahmen zu verlieren. Eher würde man versuchen eine zusätzliche Arbeit zu finden, um mehr zu verdienen.

Wenn aber EU und/oder EZB von Reformen sprachen, so ging es eigentlich immer nur darum, das Defizit zu reduzieren, obgleich das auch eine Gratwanderung ist, da es unter Umständen das Bruttoinlandsprodukt schädigen würde, also die Einnahmen. Doch davon, die Einnahmen zu erhöhen, sprich wirtschaftliches Wachstum zu erzielen, war nie teil dieser Reform-Medizin, die die EU vorschrieb. Aus gutem Grund: Ohne eine Zentralbank, mit der die Geldpolitik beeinflusst werden könnte, haben die EU-Staaten kaum eine Möglichkeit, das Wachstum anzutreiben. Dabei gibt es eigentlich klare geldpolitische Massnahmen, von denen man weiss, dass sie sich positiv auf das Wachstum auswirken: Am wichtigsten ist die Steuerung des Kredits, damit Kredit für die produktive Wirtschaft fliesst und nicht in Spekulation. Für die Banken ist das nicht ideal, denn sie verdienen mehr Geld mit Krediten für Wertpapiere oder sonstige Spekulation, als wenn Kredit in KMUs oder Industrie fliesst. Jedes Wirtschaftswunder hing damit zusammen, dass Kredit für die produktive Wirtschaft bereitgestellt wurde, entweder, weil das Bankwesen weniger zentralisiert waren, und kleinere, regionale Bankanstalten eine stärkere Verbindung zu ihrer Region und deren wirtschaftlichen Entwicklung hatten, oder weil die Zentralbank offizielle oder inoffizielle Vorgaben machte darüber, wohin wie viel Kredit fliessen sollte.

Die EZB will nichts davon wissen, und hat zu keinen Zeitpunkt seit 2008 Vorgaben eingeführt, wonach Kredit in die produktive Wirtschaft fliessen sollte, wodurch das Wachstum wirklich angetrieben würde. Stattdessen wurden mit dem Null- oder Negativzins kleinere Banken und Sparkassen an die Wand gefahren, dann zu grösseren Banken fusioniert, und diese haben dann von der EZB grünes Licht bekommen, um Kredit in (für sie) rentable Spekulation und Wertpapiere zu stecken, während die produktive Wirtschaft leer ausgeht. Die berühmt-berüchtigte Deregulierung des Bankwesens.

Währenddessen schwadroniert die EU weiterhin von Reformen, schon fast fünfzehn Jahre aber es müssen noch immer mehr Reformen herhalten, um das Problem zu lösen, dass sie in anderthalb Jahrzehnten auch ansatzweise noch nicht lösen konnten. Wie Sisyphus, der seinen Felsen immer wieder den Hügel hinauftragen muss, müssen die Staaten immer weitere Reformen durchführen, die allesamt nichts bringen, während die EZB auf der eigentlichen Lösung sitzt, von dieser aber nichts zu wissen vermag. Und das ist es schliesslich, was die eigentlichen Absichten verrät: Wenn nun eine Lösung für das Schuldenproblem käme, wären die Reformen ja bald überflüssig, aber diese sog. Reformen sind schlussendlich nichts anderes, als die Übertragung der Souveränität der Staaten an das ZK der EU, welche die ultimative Entscheidungsmacht der Regierungen dieser Länder wird. Egal welche Partei gewählt wird oder was die Bürger erwarten, die EU sitzt schlussendlich am längeren Hebel, wenn das Land weiterhin seine schulden aufgekauft haben will, um nicht bankrott zu gehen. „Gebt mir die Kontrolle über die Währung einer Nation, und mir ist gleichgültig, wer die Gesetze schreibt“, sagte einst Mayer Amschel Rothschild.