Weil die Religion das „Opium des Volkes“ sei, wurde im damaligen Ostblock versucht, den religiösen Glauben zu eliminieren. Folglich entwickelten sich zumal Gesellschaften, in denen der Glaube eine sehr unbedeutende Rolle spielte. Doch stattdessen wurde nach und nach der Staat und die sozialistische Doktrin zur Ersatzreligion. Man musste nur den Glauben daran bewahren, dann würde man einstmals den Schritt vom Sozialismus in den erlösenden Kommunismus schaffen. Alle mussten diesen Glauben bewahren, und Häretiker, die sich dem widersetzten, waren auszumerzen.
Ein ähnliches Phänomen ist heutzutage bei links-progressiven Idealen auch zu erkennen, worin diese nach und nach religiöse Züge angenommen haben. Die „Klimakrise“ als Weltuntergangsprophezeihung, angeführt von Prophetin Greta, die von uns grosse Opfer erwartet, um den Klima-Gott gutmütig zu stimmen, und die einen heiligen Krieg gegen die Ungläubigen verlangt. Corona als gottgesandte Seuche, die von uns (wieder) Opfergaben verlangt, bei denen alle mitmachen müssen, wo man das Sakrament der mRNA-Impfung erhalten muss, und wo man erneut auf Propheten Drosten, Lauterbach oder irgend eine andere solche Figur hören soll. Vor allem darf man bei solchen Themen niemals das Dogma in Frage stellen, denn das ist die höchste Häresie, wenn man die heiligen Schriften und die Propheten anzweifelt.
Es ist kein Zufall, dass solche Bewegungen, die sich wie Religionen verhalten, vor allem in Umfeldern entstehen, wo der „klassische“ Glaube nicht mehr präsent ist, denn im soziologischen Sinn ersetzen sie die Funktion der Religion, welche wiederum einem menschlichen Drang nach Transzendenz entspringt. Der perverse Unterschied liegt allerdings darin, dass eine Religion eine Religion ist, und nicht vorgibt, etwas anderes zu sein. Sie ist ein Glaube, etwas was man akzeptiert, weil man daran glaubt, und nicht, weil es wissenschaftlich nachgewiesen wird. Der Klima-Kult, der Corona-Kult, der Gender-Kult und alle anderen postmodernen Kult-Phänomene geben sich als rationale, wissenschaftlich ergründete Ansichten und damit, im rationalistischen Sinne, als objektive und absolute Wahrheiten aus. Hierdurch wird, ebenso wie in der mittelalterlichen Auffassung der Religion als absolutes Dogma der Realität, der heilige Krieg begründet: Jedes mittel ist Recht, um das akzeptieren dieser Wahrheit zu erzwingen. Denn es geht nicht darum, von einer Meinung, Ansicht oder Ideologie zu überzeugen, sondern von der absoluten, unanfechtbaren Wahrheit.
Der Mensch besitzt die seltene Gabe, rational denken zu können, d.h. durch logische Rückschlüsse objektive Erkenntnisse zu erlangen, die über unsere subjektive Wahrnehmung hinaus gehen. Das klassische Beispiel hierfür, ist die Erkenntnis, dass die Erde nicht flach sondern rund ist, obwohl das über unsere Wahrnehmung alleine kaum zu erkennen wäre. Die ganze moderne Entwicklung von Wissenschaft und Technik obliegt ebendieser Rationalität, Phänomene zu verstehen, welche kaum oder gar nicht wahrzunehmen sind. Doch ebenso wie der Mensch diese rationale Facette besitzt, hat er auch eine irrationale Seite. Emotionen, Triebe, Instinkte, usw., sind alles angeborene oder angeeignete Eigenschaften, die keinem rationalen Denken zu Grunde liegen. Und wenn die rationalen Eigenschaften den Menschen vom Tier unterscheiden, so sind es die rationalen Eigenschaften, die ihn von der Maschine differenzieren.
Die rationale Betrachtung kann die irrationalen Eigenschaften folglich nur als ein Produkt der Irrationalität bzw. der Menschlichkeit selber erkannt wird, aber entsprechend ist auch die Leugnung dieser Eigenschaften an sich Irrational, da eine objektive Erkenntnis missachtet wird. Es entsteht ein Paradox, worin das Rationale auch das Irrationale anerkennen muss, da es ansonsten selbst im Namen des Rationalen dem Irrationalen verfällt. Genau hierin liegt der Knackpunkt all dieser Bewegungen, die sich auf eine übermässige Rationalität stützen. Denn eventuell setzt sich das Irrationale des Menschen durch, in diesem Fall der Wunsch nach einer Transzendenz, nach höherer Berufung, nach einem Sinn des Lebens. Und indem nicht ein gesunder Ausweg für diese Triebe gefunden wird, welcher diese auch implizit anerkennt und nicht vorgibt, ein rationales Unterfangen zu sein, entwickeln sich stattdessen postmoderne Kult-Phänomene, welche alle Züge einer Religion besitzen, aber sich trotzdem als rational ausgeben.
Indem der Mensch nicht anerkennen will, dass er ein Mensch ist, und somit auch irrationale Eigenschaften besitzt, die er nicht überwinden kann, macht er aus dem Rationalismus eine irrationale wie auch dogmatische Maxime, die nicht nur unerreichbar ist, sondern auch irreführend. Wie Ikarus sind wir übermütig geworden, unserer technischen Errungenschaften, unserer Bändigung der Naturphänomene wegen, dass wir nun meinen, unsere menschliche Hülle gänzlich abwerfen zu können, und auf eine höhere Ebene der rationalen Existenz hinaufsteigen werden, wo doch in dem Moment unsere Flügel zerschmelzen, und wir wieder hinunterfallen, in die Irrationalität des Rationalen.