Während in den meisten wohlhabenden Industrienationen die Impfkampagnen gegen COVID-19 – mal besser mal schlechter – voranschreiten, werden ärmere Nationen sich wahrscheinlich noch viele Monate lang mit der Eindämmung der Pandemie beschäftigen müssen; ohne ausreichende Impfstoffe. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Produktionskapazitäten von Impfstoffen beschränkt sind. Eine Patentfreigabe würde an dieser Tatsache nichts ändern. Auch würde eine solche die Kapazitäten von Produktionsstätten in einem angemessenen Zeitraum eher nicht erhöhen. Vielmehr müssen die wohlhabenden Industrienationen in die Impfstoffproduktion und in die Bereitstellung von Impfdosen für ärmere Nationen investieren; und dies tun sie auch. In Korporation mit der von unter anderem der WHO geleiteten Initiative COVAX ("Covid-19 Vaccines Global Acces"), werden enorme Geldsummen gesammelt, um so ärmeren Nationen ebenfalls ausreichend Kontingente an Impfdosen zu niedrigeren Preisen bereitzustellen. Deutschland steht mit voraussichtlich rund zwei Milliarden Euro und 30 Millionen Impfdosen als Einzelnation an der Spitze der Unterstützer.
So sollen bis 2022 voraussichtlich ungefähr 2,4 Milliarden Impfdosen für ärmere Nationen bereitstehen, teils kostenlos, größtenteils auch nur zu den Herstellungskosten [1].

Quelle: unicef

Es bleibt aber fraglich, inwieweit die Bereitstellung der Impfdosen für die globale Impfkampagne ausreichend ist. Denn letzten Endes müssen die Impfdosen auch flächendecken zum Einsatz kommen. Das jedoch gestaltet sich besonders in Krisengebieten sehr schwierig. Teils ist vor Ort nicht genug Personal vorhanden, teils fehlen die notwendigen Infrastrukturen völlig. Und selbst wenn all dies gegeben wäre, würden Konflikte und Probleme auf internationaler und nationaler Ebene wahrscheinlich nicht aussetzen, womit sich die flächendeckende Impfung der Bevölkerungen noch sehr viel weiter verzögern kann.

Am Beispiel Nordkoreas ist diese Problematik sehr gut sichtbar. Zwar sollte Nordkorea durch das COVAX-Programm rund zwei Millionen Impfdosen erhalten, allerdings von einer Produktionsstätte aus Indien [2]. Aufgrund der dramatischen Lage in Indien wird Nordkorea dieses Kontingent jedoch nicht wie vorgesehen im Mai, sondern wahrscheinlich spätestens bis Dezember erhalten [3].
Auch Nordkoreas Skepsis gegenüber der Covid-19-Impfstoffe könnte wahrscheinlich die nationale Impfkampagne behindern. So ließen die dortigen Staatsmedien verlauten, dass trotz der Impfstoffe sich die pandemische Lage in vielen Ländern weiterhin verschlechtert und deshalb die Impfstoffe von globalen Pharmafirmen kein Allheilmittel sein können [4]. Am Beispiel Chiles zeigt sich, dass die Impfungen alleine die Pandemie nicht eindämmen, sondern Einschränkungen während den Impfkampagnen weiter eingehalten werden müssen. So hatte Chile zwar bis zu 18 % seiner Bevölkerung geimpft, die Inzidenzen und die Auslastungen der Krankenhäuser stiegen aber weiter rasant in die Höhe, da die restlichen Maßnahmen zur Einschränkung der Ausbreitung des Virus nicht mehr eingehalten und sogar fallen gelassen wurden [5].
Nordkoreas Betonung auf Impfstoffe von globalen Pharmafirmen erweckt den Anschein, dass die Regierung diesen Impfstoffen misstraut und – wie zuvor auch – Güter internationaler Art eher skeptisch gegenübersteht. Es bleibt hier aber abzuwarten, ob und wie Nordkorea die Hilfeleistungen von unter anderem COVAX, als internationales Programm, tatsächlich annehmen und nutzen wird.

Besonders aber in Venezuela sind die Impfstoffe einer starken Politisierung ausgesetzt. So bekommt Venezuela rund 1,4 Millionen Impfdosen von Russland und China Ende Mai zusätzlich [6], zahlte schon im vergangenen April 64 Millionen Dollar an das COVAX-Programm für vergünstigte Impfdosen [7], jedoch missbraucht die dortige Regierung anscheinend die dennoch knappen Impfdosen für politische Zwecke. So werden jene Teile der Bevölkerung in der nationalen Impfkampagne priorisiert, welche den "Heimatpass" besitzen und regimetreu sind. Vor allem Präsident Maduro sowie seine Frau und regimetreue Abgeordnete wurden priorisiert geimpft. Die Opposition rief schon zu Protesten auf [8].

Nicht zuletzt zeigte sich bei dem Impfstoff Sputnik-V, dass Impfstoffe und Impfkampagnen einer überaus starken, internationalen Politisierung ausgesetzt werden können. Russland betrieb eine umfangreiche Medienkampagne, um ihre Errungenschaft zu propagieren und versuchte gleichzeitig zu kaschieren, dass die Impfdosen knapp sind, indem es sich an Spitze der Meistgeimpften stellte, dabei aber die Impfquote, also das Verhältnis der Geimpften zur Gesamtbevölkerung, unberücksichtigt ließ [9]:

"Im Vergleich zu den EU-Ländern ist Russland führend in der Anzahl der Voll-Zweit-#COVIDImpfungen."
"Sputnik-V ist eine Impfung für die gesamte Menschheit."

Zwar zeigt sich bisher, dass die Hilfeleistungen des COVAX-Programmes sowie ihre internationale Unterstützung von politischen Interessen und Konflikten noch nicht beeinflusst werden, wie sich am Beispiel Nordkoreas bisher zeigt, jedoch können ihre angenommenen Hilfeleistungen sowie die anderer Staaten von einigen Nationen für ihre politische Programmatik missbraucht werden, wie es in Venezuela passiert.  

Generell ist die Politisierung der Impfstoffe sowie der nationalen und internationalen Impfkampagnen für den Erfolg der globalen Impfkampagne und der nachhaltigen Bekämpfung der Pandemie gefährlich. Denn dort, wo eine Politisierung stattfindet, besteht auch die Gefahr einer Polarisierung und damit eines Interessenkonfliktes, welcher das Ziel der Impfkampagnen und damit die zeitige Eindämmung der Pandemie auf nationaler wie auf internationaler Ebene gefährdet.

Es bleibt das Verhalten der großen und mächtigen Industriestaaten abzuwarten, wie sie verstärkt nach ihren eigenen Impfkampagnen agieren und wie sie weiter auf die globale Impfkampagne Einfluss nehmen wollen. Chinas Einflussnahme in der WHO und Russlands Kampagne für ihren Impfstoff Sputnik-V zeigen aber deutlich, dass sie es tun wollen.
Es bleibt zu hoffen, dass ein solches Agieren keine Interessenskonflikte erzeugen wird, worunter die globale Impfkampagne Schaden nimmt und im Endeffekt die ärmeren Nationen leiden müssen.


Quellen und Verweise:

Weltweiter Zugang zu Corona-Impfstoffen: So funktioniert die COVAX Facility | vfa
Das WHO-Program COVAX Facility arbeitet daran, für einen weltweit fairen Zugang zu Impfstoffen für den globalen Kampf gegen die Covid-19-Pandemie zu sorgen.
[1]
North Korea to Begin COVID-19 Vaccinations
North Korea will receive nearly two-million doses of the COVID-19 vaccine through the World Health Organization’s COVAX program.
[2]

[3] https://www.nknews.org/2021/05/north-korea-claims-zero-confirmed-covid-19-cases-while-facing-vaccine-delays/

N.Korea says COVID-19 vaccines are ‘no panacea’, warns of lengthy battle
North Korea’s state media warned of the prospect of a lengthy battle against the coronavirus and said vaccines developed by global drugmakers were proving to be “no universal panacea”.
[4]

[5] https://www.dw.com/de/chile-hat-die-impfkampagne-die-corona-krise-verschärft/a-57206900

Venezuela receives 1.3 million COVID-19 vaccines from China: Maduro
Venezuelan President Nicolas Maduro said 1.3 million vaccines from China had arrived in the South American country, which is poised to start a vaccination campaign in the coming days.
[6]
Venezuela paid $64 million to receive vaccines through COVAX -vice president
Venezuela has paid $64 million, half of the required amount, for doses it is set to receive through the global COVAX program, Vice President Delcy Rodriguez announced Saturday on state television.
[7]
Corona-Impfungen in Venezuela – Wer dem Maduro-Regime treu ist, wird schneller geimpft
Die raren Impfstoffe werden in Venezuela nach politischem Gutdünken verteilt. Ein grosser Teil des Spitalpersonals hat noch keine Impfung bekommen.
[8]
Corona-Impfungen: Russland rechnet sich an die Spitze
Der Impfstoff Sputnik V soll zum Exportschlager werden, doch derzeit ist das Vakzin auch in Russland noch knapp. Mit einem einfachen Trick soll das offenbar kaschiert werden. <em>Von Patrick Gensing.</em>
[9]

Dir gefällt, was Journalier Philos schreibt?

Dann unterstütze Journalier Philos jetzt direkt: