Sehr gehrte Frau Dankbar,

fast täglich höre ich die morgendlichen Kommentare auf radioeins. So auch am 02. Februar 2020 den Ihrigen zu Autobahn-Blockaden. Ob das ein cleverer Weg sei, auf seine Anliegen aufmerksam zu machen, war die Frage. Es war mit Abstand der schlechteste Kommentar, den ich auf diesem Sender gehört habe.

Ob es eine gute Idee ist, Autobahnzufahrten zu blockieren, darüber lässt sich im Zweifel in der Tat streiten. Ihre Argumentation ist leider mehr als dürftig. Es geht nicht darum, dass die Autofahrenden die Botschaft der Blockierenden mitbekommen. Es geht um die Resonanz, die sie damit erzeugen. Wenn Sie die Aktion in einem Kommentar auf radioeins zerreisen, war sie im Zweifel bereits ein voller Erfolg. Der von Ihnen erwähnte CO2 Ausstoß der im Stau stehenden Autos bewegt sich in so einem zu vernachlässigbarem Bereich, dass ich mir hier gar nicht die Mühe machen werden, Ihnen das vorzurechnen.

Des weiteren echauffieren sie sich über den Namen der Gruppe „Die letzte Generation“ und die damit erzeugte Endzeitstimmung, ohne jedoch nur ansatzweise zu hinterfragen, warum das so sein könnte. Diese erzeugte Stimmung mag in der Tat für die Sache nicht dienlich sein. Für Jugendliche und junge Erwachsene fühlt sich die Situation jedoch leider nun mal so an. Sie wird unter anderem durch die Arroganz von Boomern wie Ihnen erzeugt, die den Ernst der Lage scheinbar immer noch nicht begriffen haben. Ihr angebliches Mitgefühl kann ich Ihnen daher auch nicht abnehmen, bezeichnen Sie die Demonstrierenden sogar als gequält und, in ableistischer Manier, als depressiv.

Und ja, es gibt zur Zeit leider nicht viel wichtigeres als den Klimawandel. Denn wir haben in der Tat nicht mehr als ein paar Jahre Zeit zu handeln. Nach dem aktuellen IPCC Bericht wird sich die Erde bereits in acht Jahren um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmt haben. Wann sollen wir Ihrer Meinung denn sonst handeln, wenn nicht radikal in den nächsten 3-4 Jahren?

Worüber ich mich schon seit Jahren, vor allem bei der journalistischen Auseinandersetzung mit den Klimaprotesten, aufrege: Sie und Ihre Kolleg:innen kennen offensichtlich nicht den Unterschied zwischen Radikalismus und Extremismus. In Bezug auf eine frustrierten Pendler, der eine Demonstrantin schlägt, kommt von Ihnen erst ein entlarvendes „ich will ja nicht aber“ und schieben hinterher „Radikalität erzeugt eben Gegenradikalität. Der ewige Kreislauf aus Gewalt und Gegengewalt.“ Eine friedliche und eben nicht gewalttätige Demonstrantin zu schlagen ist nicht radikal, das ist extrem!

Sie schließen mit den Worten, um die Politik in diesem Land zu verändern, bräuchte es, wie in jeder Demokratie, Mehrheiten. Auch hier muss ich Ihnen vehement widersprechen. Es war schon immer der Protest der Straße, der zu großen Änderungen geführt hat und eben nicht die Mehrheiten in Parlamenten. Die Mehrheit der Deutschen sieht den Klimawandel auch durchaus als Problem. Die Lobby in Industrie und Wirtschaft hat nur leider einen größeren Einfluss auf die Politik, als die Mehrheit der Bevölkerung durch Wahlen.

Daher ist gerade bei der Bekämpfung des Klimawandels Radikalität unabdingbar. Zeit für langsame Änderungsprozesse bleibt uns nämlich keine mehr.