Berlin - Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, sieht ihr Gremium in der Pandemie einem öffentlichen hohen Druck ausgesetzt. "Natürlich ist die zusätzliche öffentliche Aufmerksamkeit ein Ansporn, aber ich hoffe, dass sich unsere Beratungskultur davon nicht beeinflussen lässt", sagte die Medizinethikerin der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt".

Aber für jeden, der im Ethikrat arbeite, gebe es einen hohen Druck, die Arbeit so gut wie irgend möglich zu machen. "Dazu gehört, dass wir unsere Worte bereits intern auf die Goldwaage legen." Zu der Frage, ob sich widersprechende Positionen von Mitgliedern des Rates ein Problem seien, sagte Buyx, man dürfe niemandem im Gremium verbieten, sich im eigenen Arbeitsfeld zu äußern. Nicht in allen Medien werde es wahrgenommen, wenn Ethikratsmitglieder nicht für das Gremium sprächen.

"Bei einer Einzelmeinung kann es dann schon mal heißen: Der Ethikrat hat durch diese oder jene Person das und das verkündet, was aber nicht stimmt. Wir haben offen gestanden bisher kein Patentrezept gefunden, wie wir dieses Missverständnis beheben könnten." Nach Einschätzung von Buyx sind durch Covid-19 andere Gesundheitsfragen gesellschaftlich zum Teil in den Hintergrund getreten. "Das liegt daran, dass das Virus eine zentrale Institution unserer gesellschaftlichen Versorgung bedroht. Wenn die Intensivstationen überfüllt sind und das Gesundheitssystem überlastet ist, dann betrifft das die gesamte Bevölkerung."

Covid-19-Patienten hätten aber keinen Sonderstatus. "Da hat man sicher während der Pandemie – anders als noch zu Beginn – dazugelernt, wenn man auf der einen Seite Versorgungskapazität zur Verfügung stellen muss für Covid-Kranke, gleichzeitig aber auch die medizinische Betreuung für andere Patienten sichern soll." Buyx fordert, künftig auch andere Krankheiten mit so großer Entschlossenheit zu bekämpfen wie die Corona-Pandemie.

"Bei der Aids-Epidemie handelte es sich um eine schreckliche Erkrankung, die sehr viele Menschen das Leben gekostet hat und eine Menge Leid verbreitet hat", sagte die Medizinethikerin der "Zeit"-Beilage. "Ich hoffe, wir werden als Gesellschaften in der Zukunft anders reagieren, weil wir etwas gelernt haben." Die Ethikrat-Chefin rechnet mit einem insgesamt beschleunigenden Effekt nach der schnellen und effizienten Zulassung von Impfstoffen gegen Covid-19. Damit komme aber mit Blick auf andere Krankheiten wie die Aids-Krise die Frage auf, warum Heilmittel gegen diese nicht so schnell zugelassen worden seien. "Das ist ein berechtigter Einwurf."

Foto: Abstands-Markierung auf einer Treppe (über dts Nachrichtenagentur)

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