Washington - David Petraeus, ehemaliger Oberbefehlshaber der westlichen Einheiten in Afghanistan, sieht das Land nach dem US-Truppenabzug vor dem Zerfall. "Dies wird eine sehr, sehr düstere Zeit für Afghanistan und das afghanische Volk sein", sagte Petraeus der "Welt".

Afghanistan stehe vor einer "humanitären Krise". Die Wirtschaft sei implodiert, Bankautomaten und Elektrizität funktionierten teils bereits nicht mehr. "Sie sind pleite. Alle Reserven in der Welt, die von Bedeutung sind, sind eingefroren. Sie haben im Moment keine Beziehung zum Internationalen Währungsfonds", sagte Petraeus über die radikalislamischen Taliban.

Dies sei für den Westen eine Chance, eigene Interessen durchzusetzen. "Ich denke, es ist richtig, dass wir einen enormen Einfluss auf die Taliban haben werden." Gleichzeitig warnte der ehemalige CIA-Chef vor Naivität im Umgang mit den neuen Machthabern in Kabul.

"Ich würde den Taliban nicht trauen. Ich würde darauf schauen, was sie machen, nicht, was sie sagen." Petraeus rechnet damit, dass es "Zehntausende, wenn nicht noch mehr, Antragsteller" für spezielle Einwanderungsvisa geben werde, die bislang Afghanistan noch nicht verlassen konnten. Er sieht die USA in der Verantwortung, weitere Menschen aufzunehmen.

"Ich bin seit Langem der Meinung, dass wir insbesondere denjenigen gegenüber verpflichtet sind, die mit unseren Streitkräften vor Ort gedient haben, mit unseren Männern und Frauen in Uniform vor Ort als Dolmetscher auf dem Schlachtfeld oder wie sie genannt wurden." Während US-Präsident Joe Biden am Dienstag erneut sowohl die Entscheidung als auch den Zeitpunkt des US-Truppenabzugs aus Afghanistan verteidigte, übte Petraeus scharfe Kritik. "Ich denke, man kann auf alle Fälle sagen, dass es katastrophal ist. Wenn man sich die Hunderttausenden von Afghanen ansieht, die versuchen, das Land zu verlassen, sollte das etwas darüber aussagen, wie sie sich fühlen, wenn ihnen wieder die Taliban-Herrschaft auferlegt wird."

Foto: Afghanistan (über dts Nachrichtenagentur)

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