Der Film Blade Runner 2049 gehört für mich zu den größten Werken, die die Kinematographie jemals hervor gebracht hat. Es ist ein Werk, bei dem jede Betrachtung einzigartig ist und nie zur bloßen Wiederholung verkommt. Es ist eine 164 Minuten große Welt, die bei jedem Eintritt einen neuen Gedanken für den aufmerksamen Zuschauer bereit hält. Von einem dieser Gedanken möchte ich nun berichten und erklären, worin die besondere Verbindung zwischen ihm und dem Schreiben für mich besteht.

Selten sind zwei Tätigkeiten so nah miteinander verbunden wie Lesen und Schreiben. Wer schreibt, hat mit Sicherheit schon einmal etwas gelesen und ohne Geschriebenes hat niemand etwas zu Lesen. Interessanterweise kann man unendlich viel lesen und trotzdem niemals im Stande dazu sein, auch nur einen wahrhaften Satz zu schreiben. Mit wahrhaften Sätzen meine ich jene Sätze, die man manchmal entdeckt und die einen einfach nicht mehr loslassen wollen. Sätze, die einen tief im Inneren anschlagen und schwingen lassen, als sei man die Saite eines Instruments. Diese Sätze leben, wenn sie denn geschrieben wurden, zumeist in Literatur. Besonders oft findet man sie in Fiktion oder zumindest in jenem, das so persönlich ist, dass es mit Fiktion verwandt sein muss, etwas also, das zwar wahr, aber so von Kreativität und Emotionalität erfüllt ist, dass man es nicht mehr als rein sachlich verstehen kann.

Was hat das jetzt aber mit einem Leinwandspektakel wie Blade Runner zu tun? In der ersten Szene, in der man die Wohnung des Protagonisten besucht, fragt ihn seine Partnerin, ob er ihr etwas vorlesen könne und greift nach dem Buch "Fahles Feuer" von Vladimir Nabokov.


"Fragen Sie sich, ob das Symbol, das Sie entdeckt haben, nicht ihr eigener Fußabdruck ist. Verlassen Sie sich darauf, wenn die Härchen auf Ihrem Rücken sich plötzlich aufrichten." - V. Nabokov

Nun ist es in guter Science Fiction selten so, dass etwas unbedacht geschieht und Namen, Bilder oder Bücher oft ein Hinweis auf mögliche Deutungen oder Inspirationen von Autoren und Regisseuren sind. Dementsprechend begann ich eine kurze oberflächliche Recherche zu dem Buch und stieß auf ein Zitat Nabokovs, das mich zu einer Frage führte. Welche Bedeutung hat Schreiben für mich?

Die Standardantwort wäre so einfach wie naheliegend. Ich schreibe um meinen Gedanken Ausdruck zu verleihen und ich hoffe dem Leser Erkenntnisse zu vermitteln, ihn mitfühlen zu lassen oder auch schlicht zu unterhalten. Doch so plausibel und richtig diese Antwort erscheinen mag, so schnell zerfällt sie, wenn man sie mit Nabokovs Zitat im Hinterkopf überprüft.

Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber im Grunde genommen bin ich nicht dazu in der Lage, meine Gedanken und Gefühlen in all ihrer Komplexität umfassend zu begreifen, geschweige denn zu reflektieren. Ich versuche es so gut ich kann, aber ich stoße dabei immer wieder auf Grenzen. Dementsprechend ist es utopisch zu glauben, ich könne mein hart erarbeitetes, unvollkommenes Selbstverständnis wohlklingend und vorallem verständlich für andere formulieren. Mir bleibt folglich nur, einige Fragmente aufzuschreiben und weiterzureichen.


„The moon’s an arrant thief
And her pale fire she snatches from the sun.“
- W. Shakespeare

Als wäre diese Reduzierung meines eigentlichen Mitteilungspotenzials nicht schon erheblich genug, hat Kommunikation natürlich mehrere Ebenen. Da Autor und Leser sich in der Regel nicht kennen und auch in keinem Dialog stehen, entfällt die zwischenmenschliche Perspektive. Demnach hat der Rezipient keine andere Wahl, als mit dem Gelesenen für sich zu bleiben. Er muss in allem, das er verstanden wähnt, seinen eigenen Fußabdruck erkennen, denn das verfügbare Wissen, die Erfahrungen und Gefühlswelten werden immer seine eigenen sein. Je stärker das Gefühl des Verständnisses für die Gedanken des Autors, desto wahrscheinlicher ist eine darin entdeckte Selbsterkenntnis, alles weitere kann zwangsläufig nur eine vage Vermutung sein. Der Leser wird folglich mit den Worten des Autors zum Erbauer seiner eigenen Geschichte.

"Fahles Feuer" ist das reflektierte Licht, dass den Mond erstrahlen lässt, eine Metapher für sichtbar gewordene Inspiration. Wenn ich nach der Bedeutung Schreibens für mich frage, ist die Antwort eindeutig: Meine Worte sollen ein fahles Feuer für Sie sein, das Erkenntnisse, Gefühle oder schlicht unterhaltende Gedanken in Ihnen erstrahlen lässt. Ein paar wahrhafte Sätze eben.