„Ja, wer denn sonst!“, möchte man ins Auditorium rufen? Neben mir gilt vor allem all denen der Dank, die heute hier erschienen sind, einzig zum Zwecke meiner Aufnahme, in den erlauchten Kreis der Preisträger und innen. Gut möglich, sogar sehr wahrscheinlich, dass wir uns hier nun alljährlich zu meiner Preisverleihung treffen werden, denn ich schreibe weiter. Und kein Buch wird wie das andere sein, denn jedes ist einzigartig.
Mein besonderer Dank, verbunden mit einem Gruß, gilt den hier Versammelten. Freunde, Fans, Groupies und auch Sie Herr König, nebst familiärem Anhang. Eine Ehrung und sei sie noch so verdient, verlangt vor allem eines, Demut. Man darf nicht überheblich werden, wenn man, wie ich, ein Meisterwerk der Worte komponiert hat. Als mich die Nachricht erreicht hatte, war ich wenig erstaunt, doch sehr verwundert. „Warum erst jetzt? Hat euch das Erste etwa nicht gefallen?“, waren denn auch die Reaktionen, zu denen ich mich herabließ, der Presse mitzuteilen.
Aber ich möchte mich nicht als nachtragend in die Reihe meiner Vorgänger dazugesellen, die dadurch ja nun aufgewertet werden. Viele davon längst zu Recht vergessen und tot. Deswegen sind auch nur wenige, bis gar keine hier heute.
Meine Damen und Herren und diverse andere. Lieber Gekrönter! Es gibt nur wenige Worte, die beschreiben können, wie ich mich fühle. Ich kenne sie alle und gedenke nicht, sie hier öffentlich auszubreiten, um andere dadurch zu diskreditieren, denen diese Ehre nicht zuteilwird.
Es gibt Bücher und es gibt Bücher, die schon Mängelexemplare sind, noch ehe sie eine Buchhandlung erreichen. Trotz meines großen literarischen Erfolgs wurde mir der Preis zuerkannt. Ein ganz seltenes Phänomen, gilt die Akademie doch eher als rückständig gewandt. Oftmals griffen sie auch daneben. Immer dann, wenn nicht einmal Google wusste, wer der Preisträger ist.
Mein literarisches Werk umspannt das ganz Große und gibt auch dem Kleinen seinen Raum. Vom langatmigen Familienroman düsterster Epochen, hin zum frivolen Sex behafteten gedichtlichen Kleinod. Was andere wegwerfen, bringe ich noch als Zitatenschatz heraus. Berüchtigt für meine Syntax und knallharter Pronomen. Und nicht zuletzt meine progressive Art, der Interpunktion den Rücken zu kehren. Ein Komma ist für mich kein Glaubensbekenntnis, es ist eine lockere Empfehlung, der ich nach eigenem Gusto nachkomme oder eben nicht. Ich lasse mir doch von einem dahergelaufenen Häkchen nicht sagen, wo es hingesetzt werden möchte. Dieser Zwanghaftigkeit werde ich mich nie unterwerfen. Ich gehe da nach Gefühl und das tut mir gut. Die Literatur muss frei bleiben und darf sich keinen Zwängen unterwerfen. Und diese Auszeichnung gibt mir ja in allen Punkten recht. Sonst hätten sie den Preis ja auch an Frau Margenthal - Groebner geben können, die sie zurecht nicht kennen und wenn es einen gerechten Gott, niemals kennenlernen. Sie schreibt nicht nur, nein sie liest es auch öffentlich vor. Als wäre unsere Umwelt nicht schon genug verschmutzt. Ihr Mann, ein Literaturkretin, finanziert ihr die Debakelbücher, um seine Ruhe zu haben. Sie glaubt, eine gute Schriftstellerin zu sein, was jedoch nur eine Einzelmeinung ist. Jedes Wort von mir zu ihr wäre demnach eins zu viel. Nun vor ihr diesen geldreichen Preis auf mein Konto einzahlen zu können, ist mir Genugtuung und Freude zugleich. Darum vergeude ich keine Zeit und komme zum eigentlichen Kern der Verleihung und der Huldigung, die mir hier angedeihen wird, zu mir. Vieles könnte ich Ihnen über mich erzählen, denn ich weiß nahezu alles darüber, doch würde es den Rahmen sprengen. Mein Rat daher, lesen Sie. Lesen Sie mich. Besonders das Buch, für welches ich nun, aus der Hand des Gekrönten, die Urkunde in Empfang nehmen darf.
Mit „und ihr so?“, ist mir etwas gelungen, was man in aller Bescheidenheit, ein Jahrhundertereignis nennen darf.
Nicht ich, denn es wäre vermessen, habe ihm diesen Namen gegeben. Es war meine Mutter. Eine Frau, die neutraler kaum sein könnte. Ihr Urteil ist unbestechlich, selbst wenn ich ihr immer sonntags eine Schwarzwälder Kirschtorte mitbringe, wenn ich sie in ihrer Residenz „Zum letzten Ausweg“, vierteljährlich besuche.
Doch hier an dieser Stelle soll es um weitaus wichtigeres als das starke Band einer Mutter-Sohn-Verbindung gehen. Wir sind ja alle heute hergekommen, um mir die Ehre zu erweisen. Dem komme ich gerne nach. Es ist eine Verpflichtung, derer ich mich nicht entziehen werde. Ich stehe zu mir, wie sonst kaum jemand. Was kann ich groß über mein Gesamtwerk sagen als: Danke das es dich gibt!
Ich kann meine Rührung, die mich erfasst nur schwer in Worte fassen. Und ich gestehe freimütig, mein Lieblingsschriftsteller bin ich. Nicht aus Eitelkeit, sondern aus Überzeugung. Ich habe alles von mir gelesen und das mit großer Begeisterung. Dabei bin ich vorurteilsfrei herangegangen und ich wurde nicht enttäuscht. Schon im ersten Wort, womit mein Roman beginnt, beschreibt eine ganze Generation. „Ich“, welches andere Wort könnte diese Kraft entfalten? Antworten Sie jetzt nicht, denn es ist nur eine rhetorische Finte. Wo „Ich“ steht, ist auch „Ich“ gemeint. Da mache ich keine Kompromisse. Auch die andern 250.000 Worte, die dem ersten folgen, sind präzise an der Stelle gelandet, wo sie Sinn ergeben oder einfach Protest ausdrücken wollen. Für mich gibt es keine Füllwörter. Denn jedes meiner Worte ist gefüllt mit Liebe, Anspruch und Sinnlichkeit. Und wenn mehre sich zusammenraufen und einen Satz bilden, stehe ich immer erstaunt und fasziniert davor. Jeder ein Monument für die Ewigkeit. Jeder Absatz, ein hoch aufgetürmter literarischer Obelisk. Unerschütterlich ragt er aus der diffusen Masse anderer belangloser Texte heraus. Und dann liegt er da, fertig wie ich, ein neues Werk, was sich anschickt, sämtliche Preise einzuheimsen, die der Markt hergibt. Deshalb sehe ich in der Auszeichnung heute, auch nur den Auftakt. Weitere werden ihrem Beispiel folgen und sich ihrer fachkundigen Entscheidung unterordnen. Nur einige seien hier erwähnt.
„Der Detmolder Flatterbrief – der Oldesloer Schmierfink – der Große Preis der Bundesvereinigung deutscher Schülerzeitschriften – das Lügenwalder Tintenfässchen – das Grevenbroicher Schweißband in Gold – „Das letzte Wort“, ein Urnenpokal, der Freunde der anonymen Bestattungen – und nicht zuletzt – den Altonaer Hurenbrief“
All dies steht mir nun bevor. Ein Marathon der Preisverleihungen und überall wird eine Rede erwartet von mir, die natürlich sich an der misst, die zu halten ich gerade dabei bin. Berühmtheit hat eben auch seine Schattenseiten.
Quälend die langen Anreisen, drohende Rückenprobleme, wegen durch-gelegener Hotelmatratzen, Trinken bis zum Abwinken mit den Juroren, fanatische Fans, die sich einem halb nackt an den Hals werfen und ihre Körper anbieten. Auch als Weltstar hat man sein Bündel zu tragen. Und daher, weil es mir dann doch zu viel wird, habe ich mich entschieden und beende meine Rede, mit den weisen Worten eines der größten Kritiker seiner Zeit.
Ich lehne diesen Preis ab.
Ich danke Ihnen!
Dir gefällt, was Rolf Bidinger schreibt?
Dann unterstütze Rolf Bidinger jetzt direkt: