Dies ist ein Auszug aus dem Buch 'Hormone – ihr Einfluß auf mein Leben' von Prof. Dr. Harald J. Schneider und Nicola Jacobi.
„Ob mit oder ohne, interessiert sie nicht die Bohne, denn sie sind beides Opfer ihrer eigenen Hormone“, reimen Die Fantastischen Vier.
Hormone spielen bei der Liebe und beim Verliebtsein eine gewaltige Rolle. Man stellt sich das so vor, dass eben die weiblichen Hormone bei der Frau und männlichen Hormone beim Mann beim Verliebtsein in Wallung geraten, dann immer weiter steigen, bis es zu einem regelrechten Ausbruch der Hormone kommt: Bäng, verliebt! Wissenschaftlich lässt sich tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Hormonen und der Liebe zeigen, aber es ist ein bisschen komplizierter. Was also passiert wirklich mit unseren Hormonen, wenn sich zwei Menschen ineinander verlieben?
Die fantastischen Vier unter den Hormonen heißen Testosteron, Östradiol, Cortisol und Oxytocin. Sie bringen unsere Gefühlswelt gewaltig in Wallung und entscheiden mit, ob wir jemanden attraktiv und anziehend finden. In ihrem Zusammenspiel lassen sie Herzen rasen, Lust entstehen und Liebe gedeihen.
Testosteron und Östrogene
Ebenso wie Männer Östrogene produzieren, bilden auch Frauen einen relevanten Anteil des männlichen Hormons Testosteron. Das männliche Geschlechtshormon wirkt auch sehr stimulierend auf die weibliche Lust. Die Libido ebenso wie die sexuelle Motivation ist bei Frauen während des Eisprungs am höchsten, das haben viele Studien gezeigt. Die Freisetzung von Östrogenen, aber auch von Testosteron aus den Eierstöcken scheint hier eine entscheidende Rolle zu spielen. Bewusst oder unbewusst beeinflussen Hormone sogar das Verhalten der Frauen – eine Studie zeigte etwa, dass Stripteasetänzerinnen während des Eisprungs, also dann, wenn die Östrogene am höchsten sind, deutlich mehr Trinkgeld zugesteckt bekamen als sonst. Deutlich mehr auch als andere Frauen, die den Eisprung durch die Pilleneinnahme unterdrückten.
Bekannt ist auch, dass ein zu niedriger Testosteronspiegel bei Frauen Folgen hat: Ihre Stimmung wird schlechter, die Lebensqualität nimmt ab, Selbstwahrnehmung und Libido sind vermindert.
Hormone beim Verlieben
Eine Studie aus Italien mit dem schönen Namen „Hormonal changes when falling in love“ (hormonelle Veränderungen beim Verlieben) geht dieser Fragestellung auf den Grund. Die Autoren haben sich je 24 frisch verliebte Männer und Frauen und je 24 nicht frisch verliebte gesucht und sie dann miteinander verglichen. Frisch verliebt war definiert mit neuer Liebe innerhalb der letzten sechs Monate, nicht frisch verliebt hieß entweder Single oder bereits in einer längeren Beziehung von mehr als einem halben Jahr. Bei allen Probanden haben sie Blut abgenommen und die gleichen Hormone bestimmt: LH, FSH, Östradiol, Progesteron, DHEAS, Cortisol, Testosteron und Androstendion. Den frisch verliebten Personen entnahmen sie dazu 12 bis 24 Monate später nochmals Blut, um zu überprüfen, wie sich die Hormone verändert hatten. Mit einem überraschenden Ergebnis: kein erhöhter Östradiol- oder Testosteronspiegel bei den frisch Verliebten. Hat also Verlieben gar nicht mit den Geschlechtshormonen Testosteron und Östradiol zu tun?
Cortisol höher, Testosteron höher
Lassen Sie uns zuerst einen Blick auf weitere Ergebnisse dieser Studie werfen. Sie ergab, dass auch die Progesteron-, DHEAS- und Androstendionspiegel bei Männern und Frauen unverändert blieben, egal ob frisch verliebt oder nicht. Dagegen waren die Cortisolspiegel sowohl bei verliebten Männern als auch verliebten Frauen höher als bei den Kontrollgruppen.
Die Studie zeigte noch ein anderes, unerwartetes Ergebnis und zwar beim Testosteron. Statt dass das Hormon bei verliebten Männern in die Höhe schnellt, war der Spiegel bei ihnen sogar niedriger als bei nicht frisch verliebten oder bei Singles. Ganz anders jedoch bei den Frauen. Waren sie gerade total verknallt, zeigten ihre Testosteronspiegel höhere Werte als bei den Vergleichspersonen ohne rosa Brille. Bei der Nachkontrolle nach 12 bis 24 Monaten ließen sich diese Veränderungen nicht mehr nachweisen, weder bei den Männern noch bei den Frauen. Sowohl die Testosteron- als auch Cortisolwerte hatten sich wieder normalisiert.
Testosteron und die Männer
Welche Rolle aber spielt nun Testosteron bei den Männern? Beim Verlieben jedenfalls scheint es nicht unbedingt das entscheidende Hormon zu sein. Im Grunde brauchen Männer Testosteron vor dem Verlieben, nicht beim Verlieben. Das Hormon hat eine Schlüsselfunktion, wenn Männer versuchen, eine Frau für sich zu gewinnen und vor allem, wenn sie mit anderen Nebenbuhlern um eine Frau konkurrieren. Hat ein Mann noch keine passende Partnerin gefunden, braucht er Testosteron – Energie für Partnersuche, für Kämpfe zwischen Rivalen, für den Fortpflanzungsakt und am Ende für die Aufzucht des Nachwuchses. Ohne Testosteron läuft da nur wenig.
Vor diesem Hintergrund ist es dann nur logisch, dass der Testosteronspiegel wieder niedrig ist, wenn ein Mann seine Traumfrau schon erobert hat und auch sie sich in ihn verliebt hat. Die Konkurrenz ist schließlich besiegt! Möglicherweise trägt der geringere Testosteronspiegel sogar dazu bei, dass der frisch verliebte Mann nicht mehr auf Partnersuche geht. Die Ergebnisse weiterer Studien deuten in diese Richtung. Sie zeigen, dass ein niedriger Testosteronspiegel wahre Lämmer aus den Männern macht: Je niedriger der Wert, desto stärker neigen Männer zu romantischer oder altruistischer Liebe.
Liebe ist Stress
Die oben genannte Studie hatte auch erhöhte Cortisolwerte gezeigt, bei Frauen und bei Männern. Was bedeuten diese Veränderungen? Verliebtsein ist eine Phase erhöhter Erregbarkeit, ein Auf und Ab der Gefühle und auch eine Zeit, die Unsicherheiten mit sich bringt. Und das bedeutet: Stress. Wenig überraschend also, dass das Stresshormon Cortisol steigt. Verliebtsein bedeutet Stress, wenn auch im positiven Sinne.
Stress im Allgemeinen kann sowohl belastend als auch animierend sein – negativer sogenannter Distress und positiver, so genannter Eustress, stehen sich gegenüber. Der Cortisolanstieg belegt, dass sich verliebte Personen in einer Phase der angenehmen Anspannung, des Eustress, befinden.
Kuscheln für den Arterhalt
Ist die Partnerin gefunden, kommen andere Hormone ins Spiel, die sich um die Fortpflanzung selbst, den Erhalt der Partnerschaft und die erfolgreiche Aufzucht des Nachwuchses kümmern. Im Hypophysenhinterlappen werden Oxytocin und Vasopressin, auch ADH genannt, freigesetzt. Zwar haben beide in erster Linie andere Aufgaben im Körper – Vasopressin steuert den Wasserhaushalt des Körpers, Oxytocin ist der auslösende Faktor für die Wehen und bewirkt den Milchaustritt beim Stillen –, dennoch machen sie mit im Hormonreigen beim Thema Liebe. Sogar beim Geschlechtsverkehr selbst. In der Erregungsphase steigen die Werte von Vasopressin, während des Orgasmus dagegen die von Oxytocin.
Oxytocin ist aber vor allem eins: ein Kuschelhormon. Es ist fürs Liebkosen, Wohlfühlen und Streicheln zuständig, kurz: für die Pflege der Beziehung. Es wird bei Umarmungen und Massagen, bei sozialer Unterstützung, beim Streicheln und beim Orgasmus selbst freigesetzt. Es fördert das Gefühl des Zusammenhalts in einer Partnerschaft und einer Familie und das Gefühl der Verbundenheit gegenüber dem Partner und dem Kind. Daher der schöne Name.
Oxytocin für mehr Treue
Eine Gruppe von Forschern an der Universität Bonn hat genau das eindrucksvoll in einer Studie belegt. Sie zeigten 20 Männern, die sich in einer glücklichen Beziehung befanden, Fotos ihrer eigenen Partnerinnen und zum Vergleich dazu Fotos von unbekannten Frauen. In einer zweiten Runde wurden den Männern erneut die Fotos ihrer Partnerinnen gezeigt und anschließend Fotos von Frauen, die die Männer zwar kannten, zu denen sie aber in keiner näheren persönlichen Beziehung standen. In allen Fällen sollten die Männer die Attraktivität der gezeigten Frauen auf einemFragebogen bewerten.
Der Clou bei dieser Studie war, dass die Männer bei jeder Untersuchungsrunde ein Nasenspray bekamen. Die einen mit Oxytocin, die anderen ohne, dafür mit einem Schein-Wirkstoff.
In der Auswertung der Studie zeigte sich, dass die Männer die Gesichter ihrer Partnerinnen unter der Gabe von Oxytocin deutlich attraktiver bewerteten als die Gesichter der unbekannten Frauen oder der bekannten Frauen, zu denen sie aber in keiner näheren Beziehung standen.
Die Quintessenz der Studie: Oxytocin festigt Partnerschaft und Familienbindung. Es vertieft und verstärkt die Beziehung zu bekannten Personen.
Gekürzter Auszug aus dem Buch
Hormone – ihr Einfluß auf mein Leben
Springer 2020
ISBN: print 978-3-662-58977-9 | eBook 978-3-662-58978-6
Von Harald J. Schneider: www.endokrinologie.bayern
und
Nicola Jacobi: http://nicola-jacobi.com