Was ist der Unterschied zwischen Katzen und Hunden, abgesehen von offensichtlichen physiologischen Differenzen? Katzen müssen immer alles dürfen, Hunde müssen gefälligst sozialisiert sein. Der Halter eines Hundes, der sich eins von Nachbars Kaninchen schnappt, bekommt ein Problem, schlimmstenfalls kriegt die Justiz Arbeit. Katzenfans hingegen verbitten sich oft empört jegliche Einmischung, wenn es heißt, die Viecher killten jedes Jahr Millionen von Singvögeln und anderes Kleingetier, oder sie reden das Problem zur Bagatelle klein.
"Bei keinem anderen Haustier würde man akzeptieren, dass es in den eigenen Garten kommt und dort Vögel, Reptilien und kleinere Säugetiere tötet. Aber bei Katzen soll man das tolerieren." (Daniel Lingenhöhl)
Mir geht dieser Katzenkult jedenfalls gewaltig auf die Eier. Ich bin schon froh, dass meine engere Verwandte W., auch so eine Katzentante, mir nicht mehr diese kitschigen Katzen-Memes schickt, in denen die Viecher bestenfalls halbironisch als höhere Wesen, als Göttinnen und wahre Herrscher der Welt abgefeiert werden. Es wäre vielleicht interessant, Akif Pirinçcis über dreißig Jahre alten Katzenkrimi ‚Felidae‘ noch einmal zu lesen im Hinblick auf die Frage, ob man damals vielleicht schon hätte ahnen können. Aber dafür ist meine Zeit dann doch zu schade.
"[In] der Feier von Katzen-Memes und sog. Flausch-Content wird universelles Wohlbehagen eingefordert: Gleich, was die Nachrichtenlage besagt, gleich, ob einer links ist oder rechts: Katzen sind ja wohl total niedlich, oder! Wer nicht mittun will bei der kollektiven Feier von Fotos im Zweifel gemarterter, elend und begrifflos ihrer Instinktwelt entrissener Wesen, Spielball der Launen ihrer Halter, gilt als Unmensch, als nicht zu Mitgefühl und Empathie fähig." (Leo Fischer)
Katzen sind nachtaktive, oft einzelgängerische Raubtiere, die 18 bis 20 Stunden am Tag schlafen und sich bestenfalls Menschen so konditioniert haben, dass sie ihnen den Arsch nachtragen. Mehr nicht. Dass Hunde und Katzen Raubtiere sind, scheint für einige Halter offenbar immer noch eine echte Neuigkeit zu sein. Der Hundetrainer Martin Rütter erzählte mal, wie er das einer Hundehalterin beizubringen versuchte, deren Wauwau beim Gassigehen immer wieder wieder diversem jagdbarem Niederwild hinterherging. Die meinte, das mit dem Raubtier könne nicht sein, das Tier bekäme schließlich nur Trockenfutter.
Werden Hunde nicht professionell als Gebrauchs-, Dienst oder Jagdhunde geführt, dann kann es passieren, dass ihre Halter diverse Sehnsüchte in sie hineinprojizieren. Einige leben ihre autoritären Affekte aus, indem sie ihre Vierbeiner stumpf auf Gehorsam drillen. Andere vermeinen in deren Verhalten etwas zu erkennen und zu finden, das sie bei Menschen vermissen. Und so steigern sich einige extreme Hundehalter in eine übersteigerte Tierliebe und einen mindestens so starken Menschenhass hinein.
Vermenschlichung jedenfalls ist oft im Spiel. Etwa wenn welche im Verhalten ihres Hundes Freundschaft und Liebe zu erkennen meinen, wo bloß Rudelverhalten ist. Ich kann mich noch erinnern, wie entsetzt und enttäuscht eine frühere Nachbarin war, die ihren geliebten Bobtail krankheitsbedingt an eine Familie hatte abgeben müssen. Als sie ihr geliebtes Tier nach einiger Zeit in dessen neuer Heimat besuchte, bedachte es sie mit freundlichem Desinteressse.
Bei Katzen wirkt es zuweilen so, als lebten diese stellvertretend jene Freiheit, Eigenständigkeit und Unabhängigkeit, die ihren Halter/innen mit ihren durchgetakteten 38,5-Stunden-Wochen längst abhanden gekommen ist und die allenfalls noch für drei Wochen im Sommer als Ahnung existiert.
Und so kann man sich den Aufschrei von Katzenfreunden vorstellen, der losbrach, als der Baden-Württembergische Rhein-Neckar-Kreis für Juli und August ein Ausgehverbot für Katzen verhängte. Es ging um den Schutz der Haubenlerche. Freigängerkatzen hatten die seltene bodenbrütenden Vögel bis auf drei Brutpaare fast restlos ausgerottet.
In Australien ist man schon weiter. Ausgebüxte und streunende Katzen stellen für die dortige Fauna, in der viele Kleintiere keine Abwehr- und Fluchtreflexe gegen die eingeschleppten Minitiger haben, ein echtes Problem dar. Also werden dort streunende Katzen im Auftrag der Regierung kurzerhand vergiftet.
Dir gefällt, was Stefan Rose schreibt?
Dann unterstütze Stefan Rose jetzt direkt: