Die Coronavirus-Pandemie und der Wettlauf darum, Impfstoffe und weitere Technologien für Menschen auf der ganzen Welt zugänglicher zu machen, hat einmal mehr das Spannungsverhältnis zwischen geistigen Eigentumsrechten und der Förderung der öffentlichen Gesundheit aufgezeigt. Es bestehe kein Zweifel, dass die Monopole, die durch Exklusivrechte wie Patente geboten würden, notwendig seien, um Pharmaunternehmen einen Anreiz zu geben, enorme Ressourcen zu investieren und nützliche Medikamente zu entwickeln, heißt es im Artikel von Enrico Bonadio und Dhanay M. Cadillo Chandler auf dem südafrikanischen Portal The Conversation.

Da Unternehmen, die geistiges Eigentum besäßen, ein Monopol auf ihre Produkte hätten, könnten sie die Preise erhöhen. Und dies könne dazu führen, dass ein nur geringer Zugang zu lebensrettenden Behandlungen bestehe. Hohe Preise durchzusetzen wäre allerdings auch "unfair", wenn man bedenke, dass über 12 Mrd. US-Dollar an öffentlichen Geldern in die Forschung und Entwicklung der bislang sechs Impfstoffe geflossen seien, meinen die Autoren.

Als mögliche Abhilfe wurde gefordert, dass Unternehmen sich freiwillig verpflichten, ihr geistiges Eigentum zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung zu stellen. Auch die Weltgesundheitsorganisation habe einen freiwilligen Pool ins Leben gerufen, um Patent- und andere Rechte zu sammeln, die für die Herstellung von Impfstoffen, Therapeutika und Diagnostika zur Bekämpfung des Coronavirus gemeinsam genutzt werden könnten, so die beiden Wissenschaftler.

Südafrika und Indien - unterstützt von vielen anderen Entwicklungsländern - die besondere Schwierigkeiten beim Zugang zu erschwinglichen COVID-19-Behandlungen hätten, drängten auf stärkere Maßnahmen. Dazu haben sie dem Beitrag zufolge eine Ausnahmeregelung für bestimmte Teile des TRIPS-Abkommens vorgeschlagen, dem internationalen Vertrag der WTO, der geistiges Eigentum auf globaler Ebene schützt. Der Vorschlag sei noch in der Diskussion. Wenn er angenommen werde, würde er es den Ländern erlauben, alle Anti-Pandemie-Güter zu produzieren und zu verwenden, ohne eine Verletzung der geistigen Eigentumsrechte befürchten zu müssen, erklären Bonadio und Cadillo Chandler. Wie nicht anders zu erwarten, stoße dieser Vorschlag auf Widerstand, vor allem bei entwickelten Ländern wie den USA, Kanada, der EU und Großbritannien, die ihre Pharmaindustrie schützen wollten.

Aber würde eine Ausnahmeregelung ausreichen? Nein, meinen die Autoren, denn sie würde es möglicherweise nicht allen Entwicklungsländern ermöglichen, sich rechtzeitig mit Medikamenten und anderen Technologien gegen das Virus zu versorgen. Viele müssten ihre eigenen nationalen Gesetze umgehend ändern - und dies sei schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Stattdessen wäre es hilfreicher, Pläne zur gemeinsamen Nutzung von Impfstoffen zu intensivieren, um diese für so viele Entwicklungsländer wie möglich verfügbar zu machen.

Ein Argument gegen die Ausnahmeregelung ist, dass das TRIPS-Abkommen bereits Flexibilitäten enthält. Dazu gehören die Freiheit zu Parallelimporten und Zwangslizenzen, die Ländern den Zugang zu Medikamenten erleichtern. Doch diese sind nicht immer einfach zu nutzen. Bereits seit 2003 gibt es einen Mechanismus, der es Ländern ohne Produktionskapazitäten im pharmazeutischen Bereich prinzipiell erlaubt, Zwangslizenzen zu nutzen und davon zu profitieren. Aber das System ist so komplex, dass es weitgehend unbrauchbar ist. Es wurde in 17 Jahren nur einmal genutzt - 2007, als Kanada eine Zwangslizenz erteilte, um Ruandas Bedarf an AIDS-Medikamenten zu decken. Weitere Argumente gegen die Ausnahmeregelung sind, dass sie den Zugang zu wirksamen und erschwinglichen Medikamenten und Impfstoffen aufgrund der schlechten Gesundheitsversorgung und Infrastruktur in einigen Ländern nicht erleichtern würde, und dass er möglicherweise F&E-Aktivitäten sowie Innovationen im Pharmasektor behindern könnte.

Zudem hätten bestimmte Freihandelsabkommen Bestimmungen eingeführt, die die nationalen Arzneimittelbehörden daran hindern, Generika zu registrieren und deren Verkauf zu erlauben, wenn das Medikament noch patentiert sei. Zu den Ländern, die diese Abkommen unterzeichnet haben, gehören den Autoren zufolge diejenigen, die Teil des Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership sind, darunter Brunei Darussalam , Chile, Malaysia, Mexiko, Peru und Vietnam.

Andere Handels- und Partnerschaftsabkommen hätten bestimmte Entwicklungsländer auch dazu verpflichtet, einen absoluten Schutz für klinische Testdaten zu gewähren, die bei den Zulassungsbehörden eingereicht worden seien, um die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit neuer Medikamente nachzuweisen, heißt es. Diese starke Exklusivität hindere die Hersteller von Generika daran, solche Daten bei der Beantragung einer eigenen Zulassung zu verwenden. Dies verlangsame unweigerlich die Verfügbarkeit von billigeren Medikamenten. Länder wie Marokko, Jordanien, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua schützten solche Daten als Folge von Handelsabkommen mit den USA.