Berlin - Bundesjustiz- und Familienministerin Christine Lambrecht (SPD) hat Kritik an ihrer Doppelrolle zurückgewiesen. Sie werde sich ihrem neuen Amt der Familienministerin "mit vollem Einsatz" widmen, sagte Lambrecht der "Welt" (Montagsausgabe).

"Wer mich kennt, der weiß, dass ich neue Aufgaben mit Herzblut und Elan angehe." Die beiden Ministerien hätten auch bisher bei vielen Projekten eng zusammengearbeitet. "Deswegen sind mir viele Themen bereits aus meinem bisherigen Amt gut vertraut." Sie sei zuversichtlich, trotz der Doppelfunktion eine kraftvolle Vertretung für Kinder und Jugendliche sein zu können, die besonders unter der Pandemie gelitten hätten.

"Sie müssen so schnell wie möglich wieder ein normales Leben mit Sport und unbeschwerter Freizeit führen können." Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) kritisierte die Entscheidung, das Familienministerium nach dem Rücktritt der bisherigen Ministerin Franziska Giffey (SPD) nicht nachzubesetzen. Das Kinderhilfswerk habe die Entscheidung "mit Unverständnis" zur Kenntnis genommen, sagte Präsident Thomas Krüger. Kinder und Jugendliche litten nach wie vor extrem unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie.

"Man stelle sich nur mal vor, das Finanz- oder Wirtschaftsministerium stünde in Zeiten einer Bankenkrise vor einer vergleichbaren Situation. Kaum vorstellbar, dass eine Ministeriumsleitung in diesem Fall unbesetzt bliebe", so Krüger. Dass dies beim Familienministerium anders gesehen werde, zeige "genau die oft kritisierte Geringschätzung von Kindern und ihren Familien, die in den letzten Monaten dazu geführt hat, dass die Interessen von Kindern systematisch vernachlässigt wurden". Er fürchtet zudem eine längerfristige Vakanz über den Wahltag hinaus.

"Wenn sich nach der Bundestagswahl die Koalitionsverhandlungen über Monate ziehen und eine neue Bundesregierung beispielsweise erst im Januar oder Februar ihr Amt antritt, wäre das Familienministerium ein Dreivierteljahr ohne politische Spitze." Sie zweifele nicht daran, dass Lambrecht mit gutem Willen die Vertretung übernehme, sagte unterdessen die Grünen-Familienpolitikerin Ekin Deligöz. "Es braucht aber an den relevanten Stellen gute Sachkenntnisse, um durchsetzungsstark aufzutreten." Für sie sei es ein "schlechtes Signal, wenn jetzt das Bundesfamilienministerium nur noch quasi nebenbei verwaltet wird".

FDP-Fraktionsvize Katja Suding wünschte Lambrecht "viel Kraft" für die großen Aufgaben, die vor ihr lägen: "Sie muss im Kabinett durchsetzen, dass Kinder auch in der Pandemie endlich zu ihrem Recht kommen." Selbst der Koalitionspartner Union zeigte sich skeptisch. Gerade die noch offenen Themen wie die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung oder Maßnahmen zur Abmilderung der Pandemiefolgen bräuchten "deutlich mehr als 100 Prozent Engagement", sagte der familienpolitische Sprecher der Union, Marcus Weinberg (CDU). Andererseits könne die Doppelfunktion als Ministerin für Familie und Justiz auch "Umsetzungen erleichtern, solange die engen Abstimmungsprozesse in der Koalition gewährleistet sind".

Foto: Christine Lambrecht (über dts Nachrichtenagentur)

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