Dass ich kein großer Fan von der FDP generell (s. hier und hier) und von Christian Lindner im Speziellen (s. hier) bin, dürfte ja schon dem einen oder anderen aufgefallen sein. Nun hat Lindner aber eine Aussage getätigt, die mich mal wieder ungläubig aus der Wäsche schauen lässt ob ihrer Dummdreistigkeit.
So meinte er unlängst in der ZDF-Talkshow maybrit illner Folgendes: „Es ist nicht Volker Wissing, der die Klimaziele im Verkehr nicht erreicht. Es sind die Bürgerinnen und Bürger, die die Klimaziele nicht erreichen.“
Wow – das muss man erst mal sacken lassen, oder?
Nicht nur, dass er damit seinen Parteispießgesellen Volker Wissing, der als Bundesverkehrsminister alles dransetzt, um Klimaschutz zu sabotieren und eine echte Verkehrswende zu verhindern, auf plumpe Weise in Schutz nimmt, nein, er nimmt damit die Politik generell aus der Verantwortung, überhaupt etwas gestalten zu können.
Natürlich sind auch die Bürger verantwortlich für das was sie tun, darüber hab ich ja gerade gestern einen Artikel geschrieben, aber wenn man Lindners Aussage folgt und diese für richtig erachtet, dann stellt sich doch die Frage, wofür es denn eine Regierung, Gesetze und demokratische Prozesse überhaupt gibt, wenn diese ja nun gar nichts mit dem zu tun haben, was die Bürger dann machen.
Die FDP ist ja seit ihrer Hinwendung zum Wirtschaftsliberalismus Anfang der 1980er-Jahren schon immer gut darin gewesen, Freiheit dahingehend zu pervertieren, dass damit nur das Recht des Stärkeren gemeint ist, und Eigenverantwortung jedes Einzelnen auch dann zu postulieren, wenn derjenige gar nichts an irgendwelchen Umständen ändern kann – nur damit der Staat seiner Schutzfunktion für wirtschaftlich schwache Menschen nicht nachkommen muss. Nun treibt Lindner diesen zutiefst menschenverachtenden Gedanken auf die Spitze, indem er politisches Versagen damit rechtfertigt, dass die ausführenden Politiker nicht schuld daran sind, sondern eben die Bürger.
Na gut, denjenigen, die wirklich so blöd waren, FDP zu wählen, kann man natürlich in der Tat einen Teil der Schuld daran zusprechen, dass wir nun einen Verkehrsminister haben, der seine ohnehin schon miserablen CSU-Vorgänger Dobrindt und Scheuer noch mal qualitativ deutlich unterbietet. Aber ich tippe mal, dass Lindner das so eher nicht gemeint haben dürfte.
Was vor allem noch hinzukommt: Gerade diejenigen, die FDP wählen und von Lindner und seinen Pappkameraden hofiert werden, nämlich sehr reiche und gleichzeitig sehr asoziale Menschen, sind ja diejenigen, die vor allem einen sehr hohen CO2-Fußabdruck haben. Aber die wird Lindner mit "die Bürgerinnen und Bürger" mit Sicherheit nicht explizit gemeint haben. So blöd, dass er die Hand beißt, die ihn füttert, ist er bei allen charakterlichen und intellektuellen Defiziten ja nun doch nicht.
Letztlich ist es im Prinzip Anarchie der übelsten Sorte, nämlich ohne einen Funken Rücksichtnahme, Gemeinsinn und Solidarität, die Lindner hier predigt. Politik gestaltet nichts, beeinflusst nichts, jeder macht das, was er für richtig hält, und dann kommt schon irgendwas dabei raus. Damit outet Lindner sich mal wieder als Antidemokrat oberster Güte – was aber auch mal wieder nicht verwunderlich ist als Vorsitzender einer Partei, die wie keine andere für Korrumpiertheit steht und da sogar noch die durch und durch korrupte CDU übertrifft.
Zumal das ja auch eine komplett Bankrotterklärung für sein eigenes Berufsfeld des Politikers ist. Wenn Abgeordnete also gar keinen Gestaltungsspielraum hätten, wie Lindner behauptet, warum bekommen dann solche Nichtsnutze wie er und seine Parteikapeiken doch recht stattliche Diäten gezahlt?
Wäre ich Berufspolitiker, würde ich Lindner nach dieser Aussage bestimmt nicht mehr auch nur ansatzweise freundlich begegnen, da er ja den gesamten Berufsstand diskreditiert.
Aber vielleicht ist das auch nur das Selbstverständnis von Lindner, was sich da widerspiegelt in seiner Aussage: Der Bürger bestimmt, wo es langgeht, nicht der Politiker – zumindest solange der Bürger genug Geld locker macht, um politische Prozesse zu beeinflussen oder Politiker zu kaufen, damit sie in seinem Sinne agieren. Doch irgendwie hab ich das Gefühl, dass Lindner seine Aussage so dann auch wieder nicht verstanden wissen wollte.
Lindner zeigt sich mit diesem Statement als eine wahre Schande für alle Politiker, und eine Partei, die so einen Typen zum Vorsitzenden wählt, ist eine Schande für die demokratische Parteienlandschaft! Politik- und Politikerverdrossenheit, die sehr gefährlich für eine Demokratie sind, werden auf diese Weise in höchstem Maße geschürt. Vielen Dank, Herr Lindner!
Das alles ist nicht überraschend, denn dass die FDP so tickt, ist ja nichts Neues. Insofern haben auch die SPD und die Grünen eine Verantwortung für ihren komplett neben der Spur laufenden Koalitionspartner – in jedem Fall in größerem Maße als die Normalbürger. Wenn man solchen Leuten zu Macht in Form von Ministerposten verhilft, dann kommt eben nichts Vernünftiges dabei raus.
Nicht nur die AfD ist eine demokratiezersetzende Partei in Deutschland, die FDP ist es in genau dem gleichen Maße – nur dass dort eben kein stumpfer Rassismus rausgepoltert wird. Insofern sollte man mit der FDP, ihren Politikern und Wählern genauso umgehen wie mit AfDlern und ihren Jüngern: Mit solchen Leuten sollte man als Demokrat nicht zusammenarbeiten, sondern ihnen mit aufrichtiger Geringschätzung begegnen. Wenn man das nicht macht, dann legt man die Axt an unserer Demokratie an und stellt sich damit selbst auf die Seite der Antidemokraten.
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