"Die besondere Stellung des Pronomens 'wir' im russländischen Weltbild ist allgemein bekannt" schreibt Anna Schor-Tschudnowskaja 2008 in https://www.sfu.ac.at/wp-content/uploads/Die-Unseren_.pdf

"Der Auslegung sozialer Tatsachen liegt dann ein politisches  Potential inne," schreibt sie weiter, welches in die Unsrigen und  Nicht-Unsrigen unterscheidet.
‌‌
Ich schreibe diesen Artikel hier auch für mich, weil es in Wikipedia keinen Artikel zum Naschismus gibt. Es gibt ausserdem Übersetzungsprogramme, die dann ständig Naschismus zu Faschismus korrigieren. Mögen Naschismus und Faschismus auch verwandt sein in ihren Erscheinungen, ist der Naschismus vom slavischen "Nas/Nasch/Наши" abgeleitet. Der Faschismus ist von den Leuten, die gemeinsam in Italien Fackeln trugen abgeleitet.  Neulich las ich "mit Putins »нашизм« nicht vereinbar" es ging über einen russischen Schriftsteller. Der Begriff ist ähnlich wie in der Einleitung bei "Die Unsrigen und Nicht-Unsrigen" geläufig und bekannt. Eine lexikalische Definition hingegen existiert nicht.

Dass auch Google bei der Suche nach Naschismus auch Faschismus anbietet, kommt nicht von ungefähr, da in vielen Kontexten, der Naschismus zum Faschismus identisch erscheint. Tatsächlich erfüllt er meines Erachtens alle 14 Thesen des Urfaschismus nach Umberto Eco, wie ich es hier https://publikum.net/precht-und-der-faschismus/ mal durchgegangen bin.

Der postsovietische Naschismus hat aber einen Ideologieteil, der sich vom Faschismus bewusst abheben will und den Kampf gegen die Nazis als Ideologieteil mit einwebt. Deswegen wird im nasischten russisch-ukrainischen Krieg ständig von der Entnazifizierung der Ukraine gesprochen. Es ist Bestandteil der nasistischen Propaganda gegen den Faschismus zu sein. Somit ist es in der Propaganda auch einfach abzulehnen, dass Putins Naschismus Faschismus sei, da ja antifaschisten keine Faschisten sein könnten. So sehr zwar alle Kriterien des Urfaschismus erfüllt sind und es im Kern ein faschistisches System ist, wird mit der Propaganda den Unsrigen eingeimpft, dass das System ja gar nicht faschistisch sein könnte. Die gesamte Ideologie hebt darauf ab, dass die Ukraine wie Nazideutschland befreit werden müsste.

Nicht nur ich habe Verwandtschaft in Russland. Und war es in den letzten zehn Jahren noch so, dass ich mit der Verwandtschaft, die sagte, dass Putin gut sei, noch so einigermassen zurecht kam, so ist es in der Zwischenzeit so, dass das nicht mehr der Fall ist. In den letzten Monaten stellte ich fest, dass es sehr vielen Menschen so geht, die Menschen in Russland kennen oder gar mit ihnen verwandt sind.  Der Naschismus ist so übermächtig, dass die Unsrigen jeder Rationalität enthoben sind und auch engste familiäre Bindungen darunter zerbrechen. Die Kinder sind dann, wenn sie im Westen leben, die Nicht-Unsrigen und jegliche Argumentation wird abgewiesen.  Meine Frau ist in Rostov am Don geboren und sie durfte sich bereits anhören, dass sie nur unter der Propaganda ihres Mannes stünde. Das ist gar nicht der Fall, denn sie denkt selbst. Sie ist machtlos gegenüber ihrer Mutter, die dem Naschismus verfallen ist. Wir sind jetzt "Nicht-Unsrige" und da der Kern des Naschismus eine perverse Ideologie ist, die quasi die Entnazifizierung zum Ziel erhoben hat, gibt es keinen Zugang zu erklären, dass
Putins »нашизм« ein Faschismus ist. Der Naschismus definiert sich quasi aus den Unsrigen die gegen die böse Welt ist. Wer gegen die Unsrigen ist, ist also böse. Die Naschisten halten sich auch bei Morden und Verbrechen als die Unsrigen für gut und jedes Argument, dass den Naschisten nachweist, dass sie Verbrechen begehen wird damit abgewiesen, dass man ja gar nicht böse sein könnte, weil der heroische Kampf gegen Nazideutschland gut war. So ist auch die Befreiung der Ukraine eine gute Sache in den Augen der Naschisten. Ja jeder, der den Naschisten nachzuweisen versucht, dass sie eigentlich Faschisten sind, wird in den Augen eines Naschisten zum Faschist, der bekämpft werden müsste.

Alleine deswegen unterscheide ich zwischen Naschisten und Faschisten, weil ein Kern des nasischten Faschismus ist, gegen den Faschismus zu sein. Selbstverständlich sind russische Naschisten Faschisten, aber mit dem Begriff Faschismus wird die herorische Ideolisierung des gegen Nazideutschland gekämpft zu haben ausgeblendet. Das gesamte Geschichtsbild des Naschismus definiert sich auch aus dem Kampf gegen das faschistische Nazideutschland. Sowohl antisemitische Tendenzen in der Sovietunion werden ausgeblendet als auch der eigene Faschismus. Im Grunde macht sich der Naschismus zunutze, dass der Mensch mit einem solchen Widerspruch nicht umgegehen kann. Ein antifaschistischer Faschist ist ja paradoxal.

Das "Unsrige" des Naschismus hat auch den Vorteil, dass Putin beliebig ausgrenzen kann, was gerade nicht gefällt. Putin hat es geschafft in Russland bei den Seinigen als gut angesehen zu werden. Alles was Putin macht ist gut. Wer gegen Putin ist, ist böse. Das Weltbild ist zwar total unterkomplex, aber bei einem Großteil der Russen funktioniert das leider.

Da der Naschismus an sich schon widersprüchlich ist, werden alle rationalen Widersprüche mit Leichtigkeit überwunden. Leider sehe ich keine Möglichkeit, wie mit einem nassistischen System verhandelt werden könnte, denn was der Naschismus für gut und böse hält, definiert er alleine selbst.  Die Nicht-Unsrigen werden bekämpft.  Es ist im Kern ein Menschen hassendes System, das auch engste Familienbindungen überwindet und vor keinem Menschen halt macht, das nicht zu den Unsrigen gehört. Putin hätte wohl auch kein Problem, die gesamte Welt mit Atombomben zu vernichten. Der Naschismus ist sehr sehr gefährlich.

Dir gefällt, was Arnold Schiller schreibt?

Dann unterstütze Arnold Schiller jetzt direkt: